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Schiffsbauer, Landwirte und Soldaten. Neben der freien Ausübung ihrer Religion bereichern die Fremden den englischen Arbeitsmarkt und kurbeln die Wirtschaft an. Und sie bringen neue Ergebnisse mit, neue Ideen, Konzepte. Sie sind ein Gewinn für die englische Wirtschaft.

      Ich weiß genau, dass das britische Volk, unter den begeisterten Neubürgern sind auch viele Juden und Hugenotten, sie für diese außergewöhnlichen Pläne lieben wird. Noch mehr lieben wird, als ihre katholische Schwester, deren wahlwitzige Kirchturms-Politik dazu führte, dass England den letzten Besitz in Frankreich verlor: Calais! Besonders jedoch loben ihre Zeitgenossen schon heute ihre Redekunst und die Art, wie sie dem Volk aufs Maul schaut. Als Meisterin der Rhetorik weiß Elisabeth genau das richtige Wort zur richtigen Zeit zu sagen, egal ob sie zu den ständig wechselnden ausländischen Gesandten, ihren Staatsräten, Ministern oder den Parlamentsmitgliedern, ihren Soldaten oder zum einfachen Volk spricht. Elisabeth fühlt bewundernswert instinktiv, wann sie zu sprechen – mal temperamentvoll, mal nachdenklich, mal fluchend - und wann sie aufmerksam zuzuhören hat, wann sie lächeln und wann sie feierlich werden muss. Ihre Worte werden von den Zuhörern stets mit Rührung verfolgt.

      Ich gebe hier ein Bespiel wieder: „Ich versichere Euch, dass kein Fürst seine Untertanen mehr liebt und dass es keinen gibt, dessen Liebe der Unseren gleichkommt. Es gibt keinen Rubin, so kostbar er auch sein mag, der mir teurer wäre als Eure Liebe. Sie gilt mir mehr als alle Reichtümer der Welt, denn deren Wert kann man schätzen, während ich Liebe und Dankbarkeit für unschätzbar halte. Und wenn Gott, der Herr, mich auch hoch erhoben hat, so sehe ich doch meinen höchsten Ruhm darin, dass ich bisher mit Eurer Liebe regiert habe. Dass Gott mich zur Königin erkoren hat, macht mich nicht so glücklich, wie, dass ich die Königin eines solchen Volkes sein darf."

      Solche Worte hört jedes Volk gerne . . .

      VIER

      VIER.

      Kann ein Pirat ein guter Mensch sein?

      Skrupel darf man nicht haben, wenn man Kapitän ist. Eine gewisse Härte macht den Seemann aus. Die Fahrten auf den Meeren, das Reiten auf den Wellen, wenn der Sturm dir in die Ohren pfeift, wenn die Gischt dir ins Gesicht knallt, wenn du über die Planken schwankst wie betrunken, wenn du kotzt und du das Meer verfluchst - und doch bist du immer wieder dabei, wenn es heißt: Leinen los! Man darf auch den Glauben an das Gute nicht verlieren, den unerschütterlichen Glauben, dass das, was man tut, auch wenn es noch so brutal und fremd ist, nicht falsch ist. Alles, was ich in der Königin Namen unternommen habe, war gut, war rechtens, war im Sinne unseres Volkes. Also bin ich doch ein guter Mensch!

      Die Frage ist nur: Wie wird mich eines Tages die Geschichte sehen und beurteilen? Ich bin einer der wohlhabendsten Männer des Königreiches, ein Neureicher und ein Nationalheld, das sorgt für Neid. Wird man begreifen, wie es wahr, was die Gründe gewesen sind, die Zwänge, die religiösen Hintergründe in einem Europa, das auch mit Hilfe der katholischen Regenten in Spanien, Italien und Frankreich um die kirchliche Vorherrschaft kämpft und auseinanderzudriften droht? Ich habe daher beschlossen, mein Leben, das auch ein Teil des Lebens der Königin ist, authentisch niederzuschreiben. Lebenserinnerungen sind eine vortreffliche Gelegenheit, die Wahrheit über andere zu sagen. Ich möchte anderen zuvorkommen, die ja die Details nicht kennen können. Ob es mir gelingt, mein Leben zu beschreiben, steht auf einem anderen Blatt. Vielleicht hätte ich den jungen und talentierten William Shakespeare, den wortgewandten Freund des Hauses, bitten sollen, Autor meines Lebens zu sein. Shakespeare kann so etwas. Ich nicht, aber ich werde den Versuch wagen . . . So begann das Abenteuer mit Feder und Pergament. Ich habe beschlossen, nicht alles darzustellen, nicht jedes Detail, ich werde vieles weglassen, anderes neu akzentuieren. Wer sollte mir vorschreiben, was ich für wichtig halte? Niemand wird mich beeinflussen oder behindern, bemuttern oder anweisen. Ich bin ein freier Mann, ein Wellenreiter, und Freiheit ist immer das Fundament auf dem Weg der Mutigen gewesen . . .

      Heute lese ich mir den Anfang meiner Memoiren wieder einmal, wie so oft, noch einmal durch. Warum? Vielleicht, weil ich immer noch zweifle, weil ich immer noch nicht den richtigen Dreh gefunden habe: Meine ersten Sätze lauten (die ich aber nach dem Lesen ins Feuer werfe):

      MEIN NAME IST DRAKE,

      FRANZIS DRAKE

      Wir schreiben das Jahr 1590, es ist der 25. Dezember. Weihnachten.

      Drei Tage nach meinem 50. Geburtstag!

      Ich sitze hier in der großen Halle, starre auf meine Terrasse und sinniere vor mich hin. Ein bunter Pfau, ein weiteres Geschenk der Königin an meine Frau Elisabeth, schlägt sein großes Feder-Rad, der laute krächzend-kehlige Schrei des großen Paradiesvogels gehört inzwischen zum täglichen Ablauf dazu. Wir haben uns daran gewöhnt. Die üppigen blauen Hortensien sind verblüht, ein Gärtner bemüht sich, die vertrockneten Blüten und das Restlaub vom Rasen zusammenzukehren. Endlich hat mal dieser englische Regen aufgehört, der meist in einen ungemütlichen Nebel übergeht. Ich nutze daher jede Gelegenheit zum Schreiben und zum Träumen – auch von der sonndurchfluteten Inselwelt der Karibik. Ich denke an Palmenstrände mit dem wunderbar weißen, warmen Sand, an die hübschen Insulanerinnen mit der samtenen, braunen Haut. An ihr fröhliches, unschuldiges Lachen, an ihre wippenden Brüste und ihre prallen Hintern! An die kräftigen Schenkel, mit denen sie uns umklammerten. Viele bunte Bilder rauschen dann an mir vorbei, lachende, trinkende, singende Menschen! Die jungen Frauen, die von den dort inzwischen angesiedelten spanischen Priestern als „wilde Gefäße der Sünde“ bezeichnet werden, in die sie aber sehr gerne selbst „hinein tauchten“, um ihre Wollust zu befriedigen, machten aus Freude mit, denn Treue war ihnen fremd. Die Priester, oft auch strenge Jesuiten, hatten als Argument für ihre Ausschweifungen das Mäntelchen „Missionsauftrag“ gehängt . . . Immer wieder hörte ich das berühmte, viele Jahrhunderte alte Papst-Wort „Gott will es so“!

      Warum schreibe ich das? Bin ich noch betrunken von meiner großen Geburtstagsfeier? Es mag ja sein. Warum fange ich mit diesen Zeilen an?

      X

      16. März 1591: Diese ungewohnte Ruhe macht mich etwas nervös, obwohl ich glaube, endlich Muße und Mut gefunden zu haben, um mein Werk zu vollenden: Ein Mann mit Vergangenheit und doch in diesen Tagen ein Held ohne eine weitere aufregende Perspektive. Habe ich wirklich schon alles erreicht in meinem Leben? Ich spinne, ich denke, ich schreibe, ich trinke zu viel. Mein Kopf und mein Herz sind voll von Esprit und Hoffnung. Ein Mann mit Erfolg, ein Pirat, ein Freibeuter, ein Entdecker und Eroberer. Ich zögere lange mit den Worten und denke viel nach. Zu viel vielleicht? Ein Mann mit Schwächen, ein Mann mit großer Erfahrung, ein Schreiber nun und doch ein Held der sieben Meere. Ein Fantast, ein Pharisäer, ein Aufschneider? Mein Gott, ich schreibe, also bin ich. Ich weiß, wenn der Stahl schmilzt, wenn Männer sterben, wenn ein Schiff untergeht. Ich höre die Schreie der Sterbenden, sehe die Ströme von Blut, sehe die abgetrennten Glieder, die großen Schussverletzungen, wenn eine Musketen-Kugel trifft, ich fühle mit ihnen den Schmerz, ich spüre den nahenden Tod, ich spüre, wenn ein Mensch stirbt. Der Moment, wenn es zu Ende geht, wenn ein Leben zu Ende ist. Es ist grauenhaft und doch gehört es zum Leben dazu. Was für ein Leben ist das?

      Mein Leben!

      Vielleicht ist dieser blöde Spruch, den ich neulich zufällig beim Cricket-Spiel über mich hörte, der richtige Einstand für eine längere Lebensbeschreibung? Vielleicht - er lautet: „Martin Luther erschütterte das katholische Europa durch seine reformatorischen 95 Thesen im Jahre 1517, aber Sir Francis Drake beruhigte es wieder: Er gab uns die Kartoffel." Man muss sich diesen Unsinn nur einmal vorstellen: die Kartoffel. Unglaublich! Ich habe vor zwei Jahren England im Krieg gegen den katholischen Feind Spanien gerettet! Das ist mein größter Erfolg . . .

      Solche blöden Witze kursieren bereits zu Lebzeiten über meine Person. Ist das üblich? Oder bin ich tatsächlich nur ein überschätztes, eitles und mit Komplexen behaftetes Mannsbild in einer Zeit, in der die pralle byzantinische Lebensweise eines Jahrhunderts, das wir Renaissance nennen, also der totale Überfluss

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