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Daher auch mein Plan, als erster Engländer die Welt zu umsegeln. Das hat mehrere Gründe: Einmal, um für unser Königreich Gebiete zu erkunden, die sich als Kolonien eignen. Zum anderen, um den Spaniern ihr gestohlenes Gold abzujagen und – da bin ich ganz ehrlich – um Ruhm zu erlangen. Ruhm für mich, für Euch und für England! Dennoch müssen wir uns die Frage stellen, wie sich aus Recht und Religion die Zerstörung von Staaten und die Ausbeutung der Völker Amerikas rechtfertigen lassen. Gestattet die Bibel wirklich eine Zwangsbekehrung von Heiden? In Spanien kam es nicht zu dieser Diskussion, wie wir wissen, das Ergebnis ist die Vernichtung von Tausenden von Indios. Das dürfen wir nicht zulassen, wollen wir Erfolg haben und Gewinne machen.“

      „Gut, Mister Drake. Der Bund zwischen uns gilt. Kein Vertrag, das Wort zwischen uns bedeutet mehr als schlaue Worte auf Pergament.“

      „So soll es sein. Ich habe bereits einen Namen für die Kapitäne der Freibeuter-Flotte. Ich werde sie „Seefalken“ nennen, wenn Ihr erlaubt.“

      Elisabeth nickte begeistert: „Ja, so werden wir sie nennen, Seefalken. John Hawkins und . . . Ihr, Mister Drake, werdet die Flotte der Korsaren zu gleichen Teilen kommandieren. So wird es geschehen. Über die Pläne Eurer geplanten Weltreise werden wir uns zu einem späteren Zeitpunkt noch genauer unterhalten. Wieder hier, wieder unter vier Augen.“

      Abrupt beendete die Königin unser Gespräch, nachdem sie auf meine Frage, woher wir denn wohl die Schiffe nehmen sollten, antwortete: „Wer sein eigenes Schiff zur Verfügung stellt, erhält den kompletten Wert nach der ersten Kaperfahrt ausbezahlt, wird ein Schiff zerstört, wird es von der Krone ersetzt . . . Wir werden uns jetzt häufiger sehen, Mister Drake. Zu zweit oder in größeren Rahmen. Unser Plan wird . . . er muss gelingen!“

      Nach einer kurzen Pause, fragte sie mich und ihr Gesicht wirkt in diesem Moment sehr spitzbübisch: „Mister Drake, ich habe eine ungewöhnliche Frage an Euch, deren Antwort sehr viel für unser künftiges Verhältnis bedeutet. Was wäre, wenn . . . wenn es den Trojanischen Krieg nicht gegeben hätte?“

      Völlig verdattert blickte ich die Königin an. Was sollte denn diese Frage? Elisabeth meinte lachend: „Nun, ich stelle diese Frage oft diesem oder jenem. Die Antwort zeigt den klugen Kopf!“

      Ich überlegte wahrscheinlich sehr lange, dann aber antwortete ich: „Nun, Majestät . . . Homer wäre nicht der berühmte Homer geworden, er hätte keine Geschichte für sein Epos gehabt. Und . . . es hätte all die großen unsterblichen Helden nicht gegeben: Achilles, Odysseus, Hektor, Paris, Agamemnon, Ajax, Patroklos, Menelaos, Äneas, Priamos . . .“

      „Das ist eine Antwort nach meinem Geschmack. Ihr habt die Prüfung bestanden, Mister Drake. Ich bin sicher, auch Ihr werdet in die Geschichte eingehen als ein Nationalheld des Vereinigten Königsreiches! Denn ich erkenne in Euch drei Dinge: Mut. Selbstvertrauen. Entschlossenheit!“

      Zum Abschied gab mir die Königin ihre Hand, was sie sonst nie machte. Ihre Hand war kalt, der Druck energisch. „Ich erwarte sehr bald erste Ergebnisse, konkrete Vorgehensweisen, Pläne und Absprachen, Kapitän Drake. Sehr bald.“

      Etwas benommen blieb ich in dem eleganten Raum zurück. Die Worte der Königin wirkten auf mich wie eine Droge, mir war etwas schwindlig, ich schwitzte, stand wie angewurzelt mitten im Blauen Salon. Als einer der Pagen ins Zimmer trat und mich fragte, ob ich noch einen Wunsch hätte, verabschiedete ich mich schnell. Das Parfum der Königin roch ich noch, bis ich die große Empfangshalle betrat, in der die Regentin, wie ich feststellte, bereits mit einer ausländischen Gruppe von Diplomaten lebhaft diskutierte.

      Das Gespräch mit der Königin beschäftigte mich noch sehr lange. Ich ging unseren Dialog noch einmal durch, versuchte ihre Worte zu deuten, bemühte mich, eine Falle zu entdecken und eventuell mich anders zu entscheiden. Ich stellte mir immer dieselben Fragen: Was geschieht da mit mir? Ich soll einer der Commander der Piraten-Flotte sein? Hatte ich das alles nur geträumt? Francis Drake, ein kleiner, unbekannter Sklavenhändler, ein Provinzler ohne Protektion, ohne Vermögen und Titel, keiner dieser noblen Familien abstammend, plötzlich im Glanz der funkelnden Krone? Was geschah hier mit mir? War das alles nur ein königliches Spiel? Ich dabei nur eine der vielen höfischen Marionetten? Doch irgendwie machte mich das Gespräch auch sehr stolz. Sollte das wirklich der Beginn einer Karriere werden? Mich verwirrte dieses vertraute Treffen total. War es eine ihrer berüchtigten Prüfungen, von denen ich gehört hatte? Oder wirklich der Auftakt einer kuriosen Verbindung?

      Auf dem Weg zu meinem Schiff trank ich erst einmal mehrere Biere in einer der Kneipen in der Fleet Street. Ihr Name lautete: „Black Beauty“. Meine vielen Fragen wurden an diesem Abend nicht beantwortet. Ist es verwunderlich, dass ich aufgewühlt war? Wenn ich nur mit jemandem hätte sprechen können. Aber mich trieb ein merkwürdiger Ehrgeiz an, der Königin zu dienen. Wie? Das wusste ich noch nicht.

      Als ich später mein Schiff betrat, empfing mich der wachsame Erste Maat John McFinn neugierig: „Wie war es, Kapitän? Diese Untätigkeit macht mich ganz krank.“

      „John“, sagte ich überschwänglich, „heute beginnt für uns alle ein neues, ein abenteuerliches, ein wunderbares Leben . . . bring uns ein großes Glas Rotwein, ich sehe eine Zukunft vor uns, denn wir sind in den Diensten der Königin und doch auch freie Piraten. Wir stehen vor einer Zeitenwende. Am Anfang einer neuen Zeit für starke, mutige und neugierige Männer - für Männer wie uns.“

      „Bei Sankt Andrew“, sagte der Schotte lachend und seine grünen Augen funkelten. „Ich freue mich darauf, Kapitän.“ Ich nickte ihm ebenso fröhlich zu: „Bei Sankt George, Mister McFinn, ich auch!“

      PROLOG

      Gedanken in modernen Zeiten

      Muss in den Blutbahnen eines Seemanns denn unbedingt Salzwasser fließen? Oder Rum? In den Adern eines Autors unbedingt Tinte? Diese Fragen beschäftigen mich mit einem Mal. Ich schreibe nun, besser, ich beschrifte weißes Papier. Es macht mir Mühe. John sagte neulich zu Fernando, ich bekam den Satz rein zufällig mit: „Ich glaube, der Kapitän muss wieder auf der Brücke seines Schiffes stehen, er schreibt mir zu viel. Ich mache mir Sorgen.“ Fernandos Antwort bestand aus einem Grinsen und Achselzucken. Dann bekreuzigte er sich.

      Es gibt ja so etwas wie Weisheiten vom Meer und seinen Menschen, die so ganz anders denken und fühlen als die Flachländler, Weisheiten vom Leben an den Küsten der Ozeane. Und in den abendlichen Gesprächen der Seeleute, wenn sie – schon alkoholisiert - von ihren Fahrten erzählen. Wer unter Segeln reist, ist sicher ein anderer Mensch. Mein Freund John Hawkins lehrte mich: „„Man kann keine neuen Meere finden, wenn man nicht den Mut hat, die Küste aus den Augen zu verlieren.“ Anders als ein Städter, der sich über den vielen Dreck, den die Masse Mensch produziert, empört. Jeder Kapitän hat im Laufe der Jahre so seine eigenen Sprüche entwickelt, die er ständig zitiert. Das gehört zum Seemannsgarn. Mein Spruch, den ich schon in jungen Jahren für mich aussuchte, lautet: „Wenn das Schiff auf falschem Kurs ist, genügt es nicht, den Kapitän auszuwechseln — man muss den Kurs ändern.“ Ich habe es oft erlebt, was mich am meisten erstaunte, wenn ich von einer langen Fahrt zurückkehrte, war das ungläubige Staunen der zurückgebliebenen Landratten über das dann Gehörte. Ich sage immer: Erst ein kühnes Auge vermag neue Welten zu entdecken, denn der Kapitän kann den Wind nicht verändern, er kann nur die Segel richtig setzen. Ich habe gelernt, dass der, der viel reist seine kleinkarierten Vorurteile positiv verändert . . . Jeder, der den Fuß auf ein fremdes Land setzt, verlässt es reich beschenkt. Nicht nur, weil er ein Freibeuter, also ein Dieb ist.

      Odin, mein Lieblingshund, ein munterer Beagle-Rüde, einer von meinen sieben Jagdhunden, stupst mich mit seiner feuchten, kalten Nase und sehr traurig blickenden Augen erneut an. Er kennt mich nur zu gut. Meine bisherige Verweigerung, ihm ein Stück von der Hirschwurst zu spendieren, die ich auf einem Zinnteller in kleine Portionen aufgeschnitten habe, schmilzt dahin. Odin, mein bester Treibjagdhund für Niederwild, kennt das Spiel, das er nur bei mir wagt, denn meine Frau Elisabeth ist konsequenter als ich. Sie lehnt es strikt ab, den treuen Freund - nur er darf ins Haus, seine Kumpane bewohnen einen großräumigen Zwinger in der Nähe der Scheunen und Ställe - bei Tisch zu füttern. Das unterscheidet unseren Haushalt von anderen, in denen den Hunden, wie seit

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