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ich komme von hinten an ihn heran, sehe ihm über die Schulter hinweg zu, beobachte ihn ein wenig von der Seite und frag' dann so ganz harmlos..."

      Hier wäre noch anzumerken, dass meine Mutter nie "so ganz harmlos" zu fragen pflegte und schon gar nicht, wenn sie es derart betonte.

      "Sag' einmal, Franzl...(eine deutliche Zäsur), wieso hast'n du eigentlich des Fleisch aufg'fadelt...? Schaut der mich ganz groß an, taucht seinen Kochlöffel in das Gulasch und hebt das an dem Faden zusammenhängende Fleisch heraus, hält es grinsend, quasi triumphierend in die Höhe und sagt seelenruhig:

      "Du, äh, das is meine Portion! Da kann ich nachher beim Austeilen besser trennen..."

      Meine Mutter baut genüsslich eine Pause ein. Ich schaue sie verständnislos an.

      "Da sagt der glatt: 'Schau, das da is für mich! Wenn ich dann austeilen tu, fahr ich einfach mit dem Kochlöffel hinein und tauch' mir meine Portion heraus - Ich hab's noch immer nicht glauben wollen, hab noch einmal nachgefragt - 'Ja, klar' sagt er 'ich bin doch nicht blöd, ich werd' doch net des Beste hergeben... Das Aufg'fadelte ist für mich und der Rest für meine Freund'!.Ich stehe da wie vom Donner gerührt, frage noch einmal nach, will's nicht glauben - Franzl, was sagst' da? Und er sagt: 'Ja, ich mach das immer so, ich geh' mich doch nicht streiten, mit meinen Freunden ! Ich löse das Problem vorher, ganz einfach, pragmatisch! Ist übrigens eine gute Methode, könnt'st dir ruhig auch merken. Meine Erfindung, sollt' ich mir eigentlich auch patentieren lassen !"

      Eine neuerliche Kunstpause markierte Mutters wohlüberlegten und etwas nachdenklich gesprochenen Nachsatz.

      "Ich hab dann wahrscheinlich auch so blöd dreing'schaut wie du jetzt und nur mehr gesagt: "Franzl, manchmal ist es richtig schön, dich als Freund zu haben."

      Mutter schüttelte sich vor Lachen, lief los in Richtung Toilette und ich war vollkommen platt. Ich kann es kaum erwarten, die nächsten erbaulichen Geschichten vom "Franzl" zu hören. Es lebe das goldige Wienerherz und alle seine Verwandten !

      ENDE

      Im Tal der Hexe

      Schon das Haus allein sah so aus, dass ich es erst mal neugierig umrundete. Es musste sehr alt sein. Die kleinen, mittelalterlichen Luken, die es im unteren Teil aufwies, waren mit großen rostigen, eisernen Zargen versehen, um unliebsame Besucher unmissverständlich davon abzuhalten, auf diesem Wege eindringen zu wollen.

      Es stand auf einer kleinen Lichtung, hinter ein paar Apfelbäumen, halb versteckt, in einem Tal, das ich zwar von der Ferne kannte, aber noch nie zuvor hatte ich einen Fuß dorthin gesetzt – als Kind nannte ich es, ein bisschen ängstlich, das "Hexental", weil es sich oft so geheimnisvoll im Nebel verkleidet zeigte und eigentlich zu keinem Besuch verlockte.

      Auch diesmal zogen da einige Nebelschwaden, da es kurze Zeit davor ein wenig geregnet hatte, ein früh-sommerliches Gewitter, welches das Land und den Wald nun wie eine Blume duften ließ.

      Ich zog an dem Griff, der die Leine bis in den Eingang des Hauses spannte und eine silberne Glocke zum Klingen brachte, zog nach einer Weile ein weiteres Mal an der Leine, aber nichts rührte sich im Haus. Auch mein Klopfen an der Haustür brachte keinen Erfolg, so stieg ich die kurze Treppe wieder hinunter, ging nochmals um das Haus herum, um zu sehen, ob vielleicht auf der Hinterseite ein Zeichen von Leben zu entdecken war. Die Abendsonne tauchte die Nebelschwaden in ein goldenes Licht, zauberte eine seltsame Stimmung in die Lichtung.

      Eigentlich hatte ich nur einen Freund von mir besuchen wollen, der mir einige Tage zuvor erzählte, dass er sich für eine bestimmte Arbeit, in eben jenem Hause aufhielt, sich in "Klausur" zurückzog, um von weltlichen Verlockungen ungestört zu sein.

      Ich schellte noch einmal, sah hoch zu dem Erker, da war sogar eine Pechnase in der Wand, wahrscheinlich noch aus den Türkenkriegen, das Haus war wirklich sehr alt, die Mauern dick wie bei einer Festung.

      Ich wollte mich schon wieder abwenden, als sich ein Fenster im oberen Stockwerk mit einem leichten Quietschen öffnete. Ein Kopf beugte sich heraus, aber es war nicht mein Freund Michael. Ich ging einige Schritte zur Seite um das Gegenlicht, das die Sicht erschwerte, zu vermeiden und sah nochmals hinauf.

      Es war eine junge Frau, die da zu mir herunter sah und nach meinem Begehr fragte.

      "Ich wollte zu Michael, er hat gesagt, dass ich ihn hier finde, er wollte hier…"

      "Michael ist gestern Abend wieder in die Stadt gefahren, musste wohl irgendwas Wichtiges erledigen…"

      Ich war enttäuscht, war schon im Begriff mich für die Störung zu entschuldigen und zurück zum Wagen zu gehen, als die Frau mich zurückrief und meinte, ich solle doch einen Moment warten, sie komme gleich hinunter an die Tür.

      Als sie dann die Tür öffnete, war es, als ob ein Licht aufginge. Sie trug ein langes weißes Kleid, eher so etwas wie einen Umhang, hatte langes, rotes Haar, das ihr bis weit über die Schultern fiel. Das Gegenlicht der Sonne umriss ihren Körper unter dem Kleidungsstück, sie sah aus wie eine Göttin, die da nur zur Abwechslung kurz einmal in die profanen Niederungen der irdischen Welt hinabgestiegen war. Ihre märchenhafte Erscheinung ließ mich an meinem Realitätssinn zweifeln – war dies die Wirklichkeit ?

      "Hallo, ich bin Marah, und du brauchst nicht vor mir davonzulaufen, ich beiße nicht…" Ihre Augen waren strahlend grün und lachten mich unverhohlen an. Ich stammelte mehr, als dass ich tatsächlich sagte, sie wäre ja nichts zum "Davonlaufen", schon eher was zum "Nachlaufen". Sie lächelte, ergriff meine Hand und zog mich ins Innere des Hauses. Jegliche Gegenwehr wäre sinnlos gewesen, ich fühlte mich wie von einem Zauber ergriffen, folgte ihr fast willenlos. Sie hätte mich auch geradewegs zur Schlachtbank führen können, ich war ihr sofort verfallen, wäre ihr wie in Hypnose überallhin gefolgt.

      Das war der zu fleischgewordene Traum eines jeden Mannes – ihr wallendes, rotes Haar, ihr gertenschlanker Körper, mit den richtigen Kurven an den richtigen Stellen, ihr schwebender Gang, die grünen Augen, das schmale Gesicht, dazu noch der glockenhelle Klang ihrer Stimme, aber vor allem auch dieses Lachen, das wie eine Verheißung klang, ein fast paradiesisches Versprechen. Da hatte ich noch keine Ahnung, was nun auf mich zukommen sollte.

      Die Räumlichkeiten waren an die moderne Zeit angepasst, der Boden mit weichen, persischen Teppichen ausgekleidet, mit dicken Matratzen und Kissen, verteilt im Raum, niedere Tischchen um darauf etwaige Speisen und Getränke abzustellen - ein Bild, wie in ein orientalisches Gemälde.

      "Komm setz dich zu mir, erzähle mir, wer du bist, aber die Wahrheit, keine Märchen, das durchschaue ich sofort !"

      Ich sagte ihr meinen Namen, und dass ich eigentlich nur meinen Freund Micha hier besuchen hatte wollen, es klang schon fast wie eine Entschuldigung für mein Dasein, das hier nun ihre Kreise zu stören wagte. Sie lachte silberhell, strahlte mich an, goss ein Glas dunkelroten Wein in ein Glas, reichte es mir. Sie berührte dabei meine Hand, und es war fast wie ein Stromstoß, der da durch meinen Körper fuhr. Was hatte diese Frau an sich, war sie eine Zauberin ? Ich war völlig fasziniert von dieser Lichterscheinung, von der Magie, die sie umspielte. Natürlich wusste sie genau, dass die einfallende Abendsonne ihren Körper unter dem dünnen Stoff scharf abzeichnete, sie war sich und ihrer Wirkung wohl bewusst.

      "Ich… äh, seit wann wohnst du denn hier, in diesem Haus, ich hatte keine Ahnung und wenn ich das gewusst hätte…"

      Ich stammelte, schalt mich ob meiner offensichtlichen Verwirrung, verspürte sogar ein zartes Rot in meinem Gesicht aufsteigen, wandte mich ab, aber es war zu spät. Sie hatte es schon gesehen, strich mit ihrem Handrücken vorsichtig über meine Wange, lächelte mich lieblich an, was mich nur noch mehr verwirrte und das Rot in meinem Gesicht nun erst so richtig vertiefte.

      "Ich hab' schon von dir gehört, Micha hat auch erwähnt, dass da vielleicht 'jemand' vorbeikäme, um ihn zu besuchen."

      "Ich will ja auch gar nicht stören, es tut mir leid… ich meine, nein, es tut mir nicht leid, du… bist wunderschön !"

      Sie nahm meine Hand in die ihre und ich sah, dass ihre Hände groß und stark waren, fast schon wie Männerhände, aber dann doch

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