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austesten kann, um dann zu schauen, was davon funktioniert. Die Flexibilität des Systems sorgt dafür, dass ich nicht erst meinen alten Job aufgeben muss, bevor ich mir nicht sicher bin, dass meine Ideen ankommen. Ich kann sie zunächst in meiner Freizeit entwickeln. Erst wenn sie so erfolgreich sind, dass sie meine ganze Aufmerksamkeit benötigen, kündige ich. Auch in allen anderen Bereichen der digitalen Ökonomie gehen die Einstiegskosten gegen null.

      Sind diese Überlegungen in der langsam abklingenden Wirtschaftskrise frivole Luxusprobleme?

      Kleske: Im Gegenteil. Ich sehe ich hier enorme Chancen. Gerade was das Gründen und Starten von Unternehmungen angeht, sehe ich sogar einen Vorteil. Es ist massiv schwerer geworden, Geld für halbgare Ideen zu bekommen. Gleichzeitig ist es, wie gerade gesagt, deutlich günstiger geworden, Ideen erst mal auszuprobieren. Ich hoffe, dass Unternehmer in den nächsten Monaten und Jahren wesentlich häufiger klein beginnen und langsamer wachsen werden, dafür aber den Fokus auf Qualität und Service legen. Das Beste, was die Krise für uns tun konnte, ist, uns von unserer Gier nach schnellem Wachstum zu heilen.

      Ich bau mir das Leben, wie es mir gefällt

      Die Zukunft des Lebens und Arbeitens wird heute bei Erdnussflips, Paprikaschnitten und Elektromusik erfunden. Auf großen Tafeln mit bunten Zettelchen, mit rührenden selbst gebastelten Modellen und nach Selbsterfahrungsübungen wie dem gemeinsamen Überqueren eines Flusses und dem Erklimmen einer Mauer mittels handgeknüpfter Leitern. Willkommen bei Palomar5, einem Camp, in dem hochbegabte junge Leute, eben Digital Natives, erkunden sollen, was sich ihre Generation unter Job und Identität vorstellt.

      Davon, dass die Telekom hier einiges Geld investiert hat, um Angela Merkel auf dem nächsten IT-Gipfel mit den bahnbrechenden Einsichten der jungen Elite zu beeindrucken, ist auf der großen Terrasse an der Berliner Spree erst mal wenig zu sehen. Das Wasser kommt aus billigen Discounter-Plastikflaschen, die Teilnehmer sitzen auf Decken und Kissen herum, schnibbeln, kleben und plaudern. Ein Subwoofer brummelt leise. Irgendwo hängt eine Schaukel. Das Ganze wirkt eher wie ein Jugendlager als wie ein hochmoderner Thinktank. Aber erste Eindrücke können täuschen.

      Die Camp-Besucher sind durchgehend zwei- bis dreisprachige Designer, Kommunikationswissenschaftler, IT-Experten und angehende Manager in den Zwanzigern. Sie werden, das ist klar, zur beruflichen Elite von morgen gehören. Hier sind sie aufgefordert, zunächst spielerisch zu definieren, wie sie sich ihre künftige Berufs- und Lebenswelt vorstellen. Und dann sollen sie auch gleich konkrete Produkte entwickeln, mit denen Unternehmen den Anforderungen der Digital Natives gerecht werden können. Fest steht: So wie heute sieht der Arbeitsplatz dann nicht mehr aus.

      Für diese jungen Leute ist es selbstverständlich, dass sie überall arbeiten können und nicht mehr jeden Tag ins Büro gehen. Dass sie trotzdem mithilfe kollaborativer Softwarelösungen in ständigem Kontakt mit ihren Kollegen stehen wollen. Dass sie nicht mehr an die eine glücklich machende Festanstellung glauben, sondern dass Projekte künftig in einem losen Netzwerk zwischen Firmen, Subunternehmern, Freiberuflern und Experten umgesetzt werden. Dass es dann egal ist, wer frei arbeitet und wer festangestellt. Die Teilnehmer haben ganz neue Denkmuster und ganz konkrete Fragen: „Warum kann eine Person nicht drei Arbeitsverträge gleichzeitig haben?“, so Stefan Liske, der Palomar5 mitorganisiert. Oder: „Wenn wir künftig Chips unter der Haut eingepflanzt haben, die unsere Biodaten ständig an einen Server schicken – darf dann der Arbeitgeber diese Daten auswerten, um zu sehen, wann ich besonders leistungsfähig bin?“

      Klingt wie ein großer Science-Fiction-Spielplatz, und ein bisschen soll es das ja auch sein. Gleichzeitig müssen Personaler und Führungskräfte sehr genau hinhören, wie diese neue Generation sich Job und Leben vorstellt. Geht ein Unternehmen nicht auf diese Fragen ein, werden solche High Potentials lieber bei der Konkurrenz anheuern. Gleichzeitig entsteht ein neuer Markt innovativer Produkte und Dienstleistungen, die die Bedürfnisse junger Arbeitnehmer bedienen.

      Und so denken die klugen Mittzwanziger an Begriffen herum wie „The Next Generation of Identity“, „Knowledge Cultivation“ oder „Collaborative Value Creation“. Was klingt wie eine Satire über Trendforscher, hat für die Teilnehmer hier ganz lebenspraktische Bedeutung. Die Sache mit der Identität zum Beispiel treibt sie wirklich um: „Unsere Biografie ist fragmentiert“, sagt die Chinesin Xiwen in perfektem Englisch: „Wir haben eine Persönlichkeit auf Facebook, eine auf Xing, eine in unserem Blog und eine in der realen Welt. Wir brauchen neue Werkzeuge, um all diese Facetten unseres Lebens zu verwalten.“ Die anderen Teilnehmer nicken bedeutungsschwanger – derartige Probleme dürfen heute offenbar als kulturübergreifend betrachtet werden.

      Ich bin heute hier eingeladen, um einen Vortrag über mein letztes Buch zu halten und schalte dazu eigens live per Skype zu mobilen Wissensarbeitern nach New York, wo mit großem Hallo die virtuellen Besucher aus Berlin begrüßt werden. Was vermutlich Manager mancher Großkonzerne beeindruckt hätte, nehmen die jungen Zuschauer hier interessiert, aber lässig als ganz selbstverständlich hin. Was ich mit meinen 39 Jahren für durchaus modern hielt und irgendwie Hightech, ist für diese Mittzwanziger schlicht Alltag. Einwegwasserflaschen und Erdnussflips hin oder her, es sieht aus, als wäre hier wirklich das Potenzial vorhanden, über – so die offizielle Zielsetzung – „Business Ecosystems“, „Leadership Models“ und „Knowledge Management“ nachzudenken und neue Lösungen anzustoßen. René Obermann kann Angela Merkel einiges erzählen.

      Bloß nicht im mittleren Management vergammeln

      Doch die Lebens- und Arbeitswirklichkeit verändert sich nicht nur für Mittzwanziger und Berufseinsteiger. Auch etablierte Führungskräfte und Unternehmer kommen angesichts des immer schnellern Wandels ins Grübeln. An einem sonnigen Vormittag im Konferenzraum eines Hamburger Designhotels sitzen 15 erfolgreiche Männer mittleren Alters und machen sich Sorgen. Um ihre Zukunft, ihre Karriere, über den Sinn des Lebens. Sie kommen aus allen möglichen Branchen: Banker sind dabei, Marketingleute, Controller. Ein Wissenschaftler, ein selbstständiger Architekt, ein Werbefilmregisseur. Was sie verbindet, ist diese diffuse Unzufriedenheit. Diese nagende Zukunftsangst. Angst, nicht vor Versagen oder Arbeitslosigkeit, sondern vor einem durchschnittlichen Leben, vor Mittelmäßigkeit und Langeweile. Davor, dass es das jetzt eigentlich schon war, dass da nicht mehr viel kommt. Dass da draußen spannende Sachen passieren, aber eben ohne sie.

      Dies ist kein bezahlter Motivationskurs, sondern eine selbst organisierte Runde von Freunden und Bekannten. Manche kennen sich schon von Kindheit an, andere sind jetzt spontan dazugestoßen, weil die Idee sie angesprochen hat. Und was ist diese Idee? Einer der Teilnehmer bringt es auf den Punkt: „Wir sind alle gut in dem, was wir machen, verdienen Geld, haben etwas erreicht. Aber wenn wir jetzt nicht aufpassen, bleiben wir den Rest unseres Lebens genau auf diesem Level hängen. Wir versauern im mittleren Management.“ Und das darf nicht sein, nicht mitten in der Meconomy, die uns Selbstverwirklichung verspricht und dass wir für unsere Jobs brennen können. Also haben die 15 sich eine Mischung aus Selbstfindungswochenende, Fortbildungskurs und Gründernachhilfe organisiert, und heute geht es los.

      In einer schnellen Vorstellungsrunde erzählt jeder, was er macht und was ihn antreibt. Schnell wird klar: Der Job ist allen wichtig, aber die weichen Faktoren zählen mehr. Der eine erzählt von seiner letzten Weltreise, für die er ein Sabbatical genommen hat. Der Nächste zeigt Bilder von sich beim Skifahren und auf einem Segelboot – Botschaft: Ich existiere nicht nur am Schreibtisch. Alle erzählen von Plänen und Träumen, von Dingen, die sie noch erleben und erreichen wollen. Diese 15 sind ein durchaus repräsentativer Querschnitt durch deutsche berufstätige Mitte 30. Und sie sind alle bereit, ja geradezu versessen darauf, sich neu zu erfinden.

      Darum wollen sie jetzt herausfinden, wie andere das geschafft haben. Sie suchten sich eine Stadt aus – es wurde Hamburg – und riefen dort einfach mal bei den interessantesten und klügsten Köpfen an. Fragten: „Wie wär’s? Wir kommen vorbei. Und Sie plaudern eine Stunde lang hinter verschlossenen Türen aus dem Nähkästchen.“

      Klingt unrealistisch, hat aber funktioniert. In den nächsten drei Tagen sprechen die 15 mit 20 Geschäftsführern, Chefredakteuren, Gründern und Start-up-Unternehmern – lange, intensiv und vertraulich. Lassen sich erzählen, was in deren Berufsleben

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