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ihn reden lassen. Man wisse nie, ob er ein Wort von „Vater-Gott“ zu überbringen habe. – Verwünschungen werden gleichfalls sehr ernst genommen. Sie werden als feindliche Tat gewertet und können zu grossen Problemen unter Familien führen.

      Zu einem erfüllten Leben gehört das Lachen. Bei Begrüssungen wird gelächelt oder gelacht. Im Kreis um einen Krug mit Hirsebier herum, wird viel gelacht. Zu Beginn der Nacht kann über die Anstrengungen des Tages, über das Verhalten der kleinen Kinder oder der Haustiere gelacht werden. Dramatisch ist, wenn ein junger Mensch stirbt, aber nach einer kurzen Periode intensiven Mitgefühls muss das Leben weitergehen. Allerdings soll damit nicht dem dummen Vorurteil vom lachenden, weisse Zähne zeigenden Schwarzen, Vorschub geleistet werden. Ich habe in meiner Gastkultur überall Verantwortung und Sorgfalt angetroffen, aber das Vertrauen in „Vater-Gott“ lässt keine dauernde Dramatisierung zu. Das ist einfach eine Frage der Werte.

      — Harmonie

      Eine weitere hauptsächliche Folgerung des Blicks der Tradition auf „Vater-Gott“ und auf die ganze unsichtbare Welt ist die Notwendigkeit der Harmonie. Sie bestimmt notwendigerweise, jeden Tag, die Beziehungen zwischen den Menschen, das Verhältnis zur Natur und vor allem den Kontakt zur unsichtbaren Welt. Die Harmonie unter den Menschen drückt sich u.a. in den Festen der Gemeinschaft und in den Zeremonien zum Gedenken an einen Toten aus.

      Übrigens gibt es eine sehr schöne Geste zu Beginn der „Funérailles“. Der Vorsteher (so etwas wie ein OK-Präsident, dessen Aufgabe zeitlich begrenzt ist) richtet etwa folgende kleine Ansprache an die zum Feiern gekommene Versammlung: „Wir werden jetzt gleich essen und vor allem trinken. Es kann geschehen, dass dabei der eine oder andere beim Trinken und beim lauten Reden eine etwas nasse Aussprache hat und versehentlich auf den andern spuckt.“ Einen andern Menschen zu bespritzen oder zu bespucken gilt als lebensbedrohende Geste. Nach dem Glauben in meiner Gastkultur hat jeder Mensch von seinem Ursprung her „sein Wasser“, das durch Anspritzen oder Speien verunreinigt würde.

      Gar nicht so abwegig, wenn es in der Ahnenreihe des Menschen, der Evolutionstheorie gemäss, Fische gab! Mütter, die ihre Kinder duschen, bitten diese immer zuvor um Entschuldigung.

      Und der Vorsteher fährt fort: „Das soll aber kein Anlass zu Streitereien sein, die unserer Feier entgegenstünden.“

      Es geht ja darum, den Verstorbenen in die Welt der für die Familie bedeutsamen Ahnen und Fürsprecher vor „Vater-Gott“ einzuführen. Wie jede Beziehung zu Unsichtbarem erfordert das in erster Linie Harmonie.

      Dann leert er eine mit Wasser gefüllte Kalebasse auf dem Boden aus. Dieses Ausgiessen von Wasser, ein Trankopfer, bedeutet Einheit, gemeinsames Leben der Anwesenden mit dem Verstorbenen, der jetzt zum Ahnen wird und gemeinsames Leben mit allen Ahnen der Familie.

      Übrigens wird bei den „Funérailles“ der Tod eines Menschen noch einmal gespielt. Der betreffende Mensch wird durch ein in ein Tuch eingewickeltes Holzstück dargestellt. Eine Frau wird versuchen, dem „Kranken“ Wasser zu geben. Wenn er nicht trinkt, schreit die Frau auf, die Onkel werden benachrichtigt und die draussen wartenden Frauen nehmen das Geschrei auf, wie es beim Tode eines Menschen geschieht. Da es sich um ein Fest handelt und somit Lachen angesagt ist, sind die „Funérailles“ eine Aufarbeitung des Verlusts eines geliebten Menschen.

      Ein Mittel, um einem Menschen zu helfen, ein dramatisches Ereignis zu verarbeiten, besteht ja darin, ihn das Geschehen bei verschiedenen Gelegenheiten erzählen zu lassen.

      Die „Funérailles“ werden nur für verstorbene Erwachsene abgehalten, die ihr Leben „gegessen“ hatten, wie es in der Sprache meiner Gastkultur heisst. Das heisst, es geht um Menschen, die ihr Leben geniessen konnten, die Kinder und Kindeskinder aufwachsen sahen, viele Feste gefeiert und an vielen Märkten teilgenommen hatten, getanzt und gejagt und mit anderen viele Hirsebier-Krüge geleert hatten usw.

      In die Natur darf nicht willkürlich eingegriffen werden. Wenn man mit erlegten Tieren von der Jagd zurückkommt, werden am Eingang des Dorfes Zeremonien vollzogen, die so etwas wie eine Bitte um Vergebung enthalten, das Leben der Tiere ausgelöscht zu haben. Im Übrigen ist man sich der Gegenwart des Unsichtbaren immer bewusst. In der Nacht drückt sich das aus, indem ausserhalb des Hauses weder laut gesprochen, noch laut gelacht wird, damit böse Geister keinen Einfluss nehmen können.

      Harmonie ist lebensnotwendig. Disharmonie, ein Vergehen gegen die Werte der Tradition, kann die Existenz einer Familie, eines Quartiers oder einer grösseren Gemeinschaft bedrohen.

      Ich machte einmal einen Spaziergang im Süden des Landes. Wir kamen in einer sonst unbewohnten Gegend an mehreren halb zerfallenen, komplett vom Buschgras überwucherten Häusern vorbei. Ich fragte meinen Begleiter, was da vorgefallen war. Er antwortete mir, dass in dem Quartier vor drei Jahren „Zizanie“ (Zwietracht) geherrscht hatte!

      Disharmonie kann unsichtbare Gründe haben, sei es, dass etwas im Verborgenen geschehen ist, sei es, weil man die Rechte der Ahnen nicht wahrgenommen hat. Der herbeigerufene Seher wird den Grund der Disharmonie feststellen, die sich durch kleinere oder grössere Anomalien, eine Art Vorwarnungen, geäussert hatte. Er selbst wird nichts in der Sache unternehmen. Andere Personen werden die empfohlenen Massnahmen vollziehen. Jedes Rundhaus hat einen Hauspriester, meistens der älteste Mann der Familie. Er wird nicht offiziell eingesetzt, er bringt Dank- und Sühneopfer für die Familie dar. In wichtigeren Belangen wird der Repräsentant des Gründungsahnen eines Dorfes intervenieren. Als gewaltloser Mensch hat er eine Fürbitte-Funktion. Er wird auch, einvernehmlich mit seinen Kollegen der betreffenden Dörfer, die Zeit der Initiationsriten festzusetzen, die wiederum von verschiedenen Personen vollzogen werden.

      Somit müssen mehrere Akteure zusammenwirken, um Unglück oder Tod abzuwenden. Keiner der Handelnden – Seher, Hauspriester und Repräsentant des Gründungsahnen – kann ersetzt oder bezahlt werden, da eine Bedrohung des Einzelnen eine Bedrohung der Gemeinschaft ist und umgekehrt. So wird das Gleichgewicht der wirtschaftlichen Bedingungen bewahrt. Nochmals, egalitär kann eine Kultur nur sein, wenn es in ihr wirksame Institutionen gibt, die verhindern, dass der Einzelne reich oder mächtig wird. Wir haben in meiner Gastkultur vielleicht eines der wenigen Beispiele einer Nicht-Konzentration geistlicher Macht und den Verzicht auf Bereicherung in Ausübung eines geistlichen Amtes.

      Im Bereich der Gesundheit gibt es Männer oder Frauen, die heilende Kräfte für bestimmte Krankheiten haben. Dem Heiler sollen keine materiellen Vorteile erwachsen, er wird gegebenenfalls für den Ausfall der Arbeit auf seinen Feldern entschädigt. Wieder ist für die Nicht-Konzentration von medizinischer Macht gesorgt, man wird nicht zur gleichen Heilerin, zum gleichen Heiler gehen bei einem Schlangenbiss oder bei der Brustentzündung einer Frau. Der Heiler, der Schlangenbisse behandelt, ist bei einem andern Heiler ein gewöhnlicher Patient, es gibt somit keinen „Chefarzt“. Jede Krankheit, selbst die psychische, hat einen religiösen Aspekt.

      — Gastfreundschaft

      Beim Empfang eines Fremden reicht eine junge Frau zuerst eine Kalebasse mit Wasser, nicht ohne zuerst daraus einen kleinen Schluck zu trinken. Das hat eine Vielzahl von Bedeutungen. Für den Gast ist es ist sicher erfreulicher, ihre vollen Brüste zu sehen, als die hängenden Brüste einer alten Frau! Dem Fremden wird auf jeden Fall Wasser, das Wasser des Hauses offeriert, es ist gut, denn das Mädchen hat davon gekostet. Der Fremde wird die Kalebasse nehmen und als Trankopfer ein wenig Wasser auf die Erde giessen. Damit zeigt er, dass er die Ahnen der Familie ehrt. Dass er dann trinkt, beweist der Familie, dass sie von einem Menschen besucht und nicht durch einen Geist getäuscht wird. Das Wasser, das er trinkt, bedeutet das Leben, das die Familie mit dem Gast teilen will. Selbst wenn Hirsebier zur Verfügung stände, das allen gemeinsame Wasser muss zuerst getrunken werden. Es könnte ja Familien geben, die nichts anderes haben. So spielt das Prinzip der Gleichheit in zahllosen Variationen. Alle Massnahmen beim Empfang des Fremden sollen dazu dienen, dass er wieder Mensch werden kann.

      Müdigkeit, Hunger und vor allem Durst schränken das Menschsein ein. Bevor der Fremde nicht getrunken und gegessen hat, bevor er nicht über alle seine körperlichen und geistigen Kräfte verfügt, wird man ihm keine Fragen stellen, ihn mit keinen Problemen konfrontieren.

      Es

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