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da war da ein Gequiek und ein Geraschel. Mein erster Gedanke war: Ratten! Ich hatte mich nicht getäuscht. Für diese Sorte hatte ich, wie auch im späteren Leben, einen unbegrenzten Abscheu. Raus aus der Koje und an Deck, war das Werk eines Augenblicks. Doch wie staunte ich. Während ich eine Zeitlang im hellen Mondschein Schiff und Takelage beobachtet hatte, Ratten überall, sie spazierten an den Brassen und sonstigem Tauwerk. Die reine gymnastische Anstalt. Sie scheinen augenblicklich das Kommando über das Schiff zu haben. Na, dachte ich, die Sache kann ja noch ganz gut werden. Schließlich kam ein Mensch die Schiffstreppe hinauf. Es war der Bootsmann. Auf seine Frage, was ich hier denn noch machte, und ich ihm von all den Ratten erzählte, sagte er: „Och, dor musst di an gewöhnen, man rin in de Klapp, de dot di nichts.“ Ich schlief auch bald fest ein, bis eine nicht gerade sanfte Stimme mich morgens weckte.

      Nicht lange mehr, und es herrschte ein reges Leben an Deck. Das Schiff wurde von den Vertäuungen losgemacht. Bald schwammen wir im Tau eines kleinen Schleppers die Elbe abwärts. Hamburg, ade! Wer weiß, wann wir dich mit deinen Türmen wiedersehen. Bei Blankenese winkten wir noch einen Abschiedsgruß. Ich dachte nochmals an meine lieben Eltern, Familie und Freunde. Aber viel Zeit zum Nachdenken gab es nicht, die Pflicht rief. Jeder musste auf seinem Posten sein, um das Schiff seeklar zu machen.

      Bei Altenbruch wurde noch für die Nacht geankert. Den nächsten Morgen ging es früh weiter. Beim Feuerschiff verließ uns der Blankeneser Lotse Hans v. Appen. Er fragte mich, ob ich auch noch etwas zu bestellen hätte. Ich sagte: „Bitte einen schönen Gruß an Daheim.“ Jetzt hatten wir die Verbindung mit dem Lande abgebrochen. Der Wind war SO, also günstig. Die Segel schwellten sich, und mit einer guten Fahrt stachen wir in See.

       Der erste Sturm

      Bis zum englischen Kanal ging es ganz gut. Dover mit seiner weißen Steilküste kam in Sicht. Da drehte der Wind aber nach West; wir mussten kreuzen. Nun hieß es alle paar Stunden klar zum Wenden. Das Schiff ging über Stag. Fleißig wurde an den Brassen gerissen. Es kamen auch schon Spritzer über, und nur langsam kamen wir vorwärts. Dann artete der Wind zum Sturm aus. Die Segel wurden bis auf einige Sturmsegel weggenommen, und schließlich mussten wir umkehren und hinter Albions Küste in den Downs bei Deal Anker werfen.

      Da lernte ich kennen, was eine Ankerkette zu halten hat. Donnerwetter, war die aber stramm. Wir lagen vor 60 Faden. In späteren Jahren habe ich in verantwortlicher Stellung, falls wir vor Anker lagen, die Haltbarkeit der Ketten nach diesem ersten Druck bemessen. Dabei bin ich immer gut gefahren.

      Wir lagen hier einige Tage in Gesellschaft von mehreren Schiffen. Englische Bootsleute kamen mehrere Male längsseit. So war es uns möglich im Tausch von Tabak, welcher ein sehr begehrter Artikel bei dem englischen Küstenvolk ist, Briefe nach Hause zu senden. Endlich wurde das Wetter besser. Wir setzten wieder Segel. Doch mussten wir kreuzen, da der Wind West blieb. Der ganze Kanal musste durchkreuzt werden. Bald waren wir an der französischen, bald an der englischen Küste. Mit der Zeit wurde der Kanal breiter, so dass wir nicht so oft über Stag brauchten. Die Reise aber wurde durch das ewige Hin und Her sehr verlängert.

      * * *

      Später hat Hans Meyer vor der amerikanischen Küste einen Schiffbruch gerade eben überlebt.

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      Er war Elblotse zwischen Brunsbüttel und Hamburg und bei seinen Kollegen sehr beliebt. Als er in Ruhestand ging, trug man ihn auf Händen aus dem Haus.

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      Unter Segeln um 1870 von Mecklenburg aus

      Hier ein Auszug aus Band 91 in der maritimen gelben Reihe

      bei Amazon als Direktdruck unter: ISBN 978-1542971409

      im US$-Raum: ISBN 1542971403

      auch als ebook im ePub- und kindle-Format erhältlich

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      Richard Wossidlo befragte Fahrensleute aus Mecklenburg

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       Heimatforscher Richard Wossidlo

      Als schon viele Jahre hindurch Dampfschiffe die Weltmeere überquerten, erlebte die Segelschifffahrt der deutschen Ostseeküste eine Spätblüte.

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      Das bürgerliche Zeitalter hatte zu einem kräftigen Aufschwung von Handel, Gewerbe und Industrie geführt. Die Beförderung der Waren stand als Gewinn versprechende Aufgabe vor dem Transportgewerbe zu Wasser und zu Lande. Da sich die Dampfschifffahrt zunächst zögernd und ungleichmäßig entwickelte, hatten vorerst andere der Forderung des Tages zu genügen: das Segelschiff und sein Besatz. Es war dies das letzte Mal in einer langen und bewegten Schifffahrtsgeschichte, die in den Tagen der Hanse einen Höhepunkt erreicht hatte und auch während der folgenden Jahrhunderte immer ein Stolz der Küstenländer gewesen war. Die zweite Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts beschrieb das letzte Blatt des Logbuchs der Segler mit kräftigen Zügen.

      Fünfzig Jahre später – die alte Herrlichkeit war längst dahin – mochte es dem einstigen Segelschiffer so scheinen, als habe der Seemannsberuf nicht für alle Zeit gleiche Bedeutung: De Seemann hadd ’n groten Wiert früher. Tatsächlich musste einem Rückblick aus der Zeit um 1930 die Blütezeit des Seehandels der 1850er bis 1870er Jahre als schlechtweg unvergleichlich erscheinen. Da schwärmten alte mecklenburgische Kapitäne von ihren Fahrten ins Schwarze Meer, wo man aus Odessa, Rostow, Tanganrog Weizen nach England brachte: Kort vör un ’n bäten na den französischen Krieg hebben de lütten Briggschäpen swores Geld verdeent mit de Swartsee-Fohrt. Doormals hett ’n’ Schipp, wat in de Fohrt wäst is, oft so väl verdeent, dat dat halwe Schipp betahlt wäst is.

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      Augenfällig war besonders der Aufschwung, den die Rostocker Handelsflotte nahm. Noch lange lebte die Erinnerung daran: Früher legen hier in Warnmünd in’n Frühjohr dree Schäpen een an ’n anner langssiet – so vull wier de Strom. Wenn all de Schäp frühjohrs in Warnmünd liggen deden, dat sehg grad so ut, als wenn ’n in ’n Ellerbrook kiekt. Rostock wier gor nich to sehn vör luter Masten. – Rostock hadd vierhunnert Schäpen, meist grote Barken un Briggen. – Rostock hett in de höchste Tiet vierhunnertachtuntwintig Schäpen hatt. Und schließlich: Rostock hadd fiefhunnert Schäpen.

      So spricht die Erinnerung, und sie hat nur wenig übertrieben, denn Rostock hat als Höchstzahl tatsächlich dreihundertachtundsiebzig Schiffe mit 105.554 Netto-Register-Tons gehabt; es kam der Schiffszahl nach unter den deutschen Seestädten gleich nach Hamburg.

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       Hansestadt Rostock

      Nicht ganz so bedeutend wie Rostock war Wismar. Immerhin herrschte auch hier ein lebhaftes Treiben im Hafen: In mien jungen Johren hadd Wismar dreeunföfftig Schäpen, meist mit Kahlen, de Holtfohrt wier weniger. – So ’ne Fohrt wier früher up Wismar.

      Hoch bedeutend war die Seefahrt auf dem Fischland, wo doch erst im 18. Jahrhundert der Drang zur See eingesetzt hatte.

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      Zuvor waren Landwirtschaft und etwas Fischfang auf dem Bodden die einzigen Erwerbszweige gewesen.

      Schon 1832 aber meldete das „Freimüthige Abendblatt“: sechsundneunzig Schiffe besitze das Fischland jetzt, vor siebzig Jahren sei noch kein einziges dort gewesen. Und was sagt der Seemann? Hunnertfief Schäpen hett Wustrow hatt in de beste Tiet.

      In

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