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Laborratten. Niels Wedemeyer
Читать онлайн.Название Laborratten
Год выпуска 0
isbn 9783737598729
Автор произведения Niels Wedemeyer
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
„Wie hat Dir das Stück gefallen?“. Vor dieser Frage von Maja hatte sich Weinert bereits den ganzen Abend gefürchtet.
„Gut. Tolle Schauspieler. Auch die Kulisse war eindrucksvoll.“, gab er von sich, in der Hoffnung, das Thema damit beenden zu können. Aber Maja setzte nach:
„Ich meine das Stück.“
„Also, ehrlich gesagt, weiß ich bis jetzt nicht genau, worum es sich hier eigentlich drehte“, gab Weinert kleinlaut wieder und rührte dabei intensiv seinen Milchkaffee um. Maja grinste ihn fröhlich an.
„Ich habe das Stück schon dreimal gesehen. Beim zweiten Mal mit meinem damaligen Freund, der Literaturwissenschaft studierte.“ Die Erwähnung ihres ehemaligen Freundes versetzte ihm einen kleinen Stich. Er hatte sich bislang noch keine Gedanken gemacht, ob Maja überhaupt liiert ist.
„Natürlich ist sie das,“, dachte Weinert, „so ein attraktives Mädchen läuft nicht lange frei herum“. Maja fuhr fort:
„Beim ersten Mal habe ich mich über das Stück sehr aufgeregt. Blöde konfuse Dialoge, kein richtiger Handlungsstrang, kein vernünftiges Ende. Dann hat mir mein Ex den Sinn des Stückes erklärt: Godot ist Gott. Die Landstreicher, einer ein Realist, der andere ein Träumer, warten erfolglos auf Gott und auf Erlösung. Zwar wird immer wieder ihre Hoffnung geschürt, dass Godot also Gott doch noch kommt, aber er wird nie kommen, solange sie sich nicht bewegen. Die Welt um sie herum verändert sich mit der Zeit, unsere beiden Landstreicher aber harren aus. Man muss nach Gott suchen, um Erlösung zu finden, er wird niemals zu einem hinkommen.“ Maja trank nun genüsslich ihren Milchkaffee und blickte ihn ernst an. Plötzlich hatte Weinert eine Ahnung.
„Was hat Deine Freundin eigentlich für eine Krankheit?“
„Gar keine. Sie ist kerngesund.“, sagte Maja und grinste ihn spitzbübisch an.
„Ich wollte, dass Du mit mir in dieses Stück gehst.“ Weinert war perplex.
„Ich wollte, dass Du Dich fragst, was Du eigentlich willst. Und worauf Du wartest. Das, was Du willst, wird niemals zu Dir kommen. Du musst Dich bewegen, nicht die Welt.“
„Meinst Du das in Hinblick auf meinen Job?“
„Auch. In diesem Institut wirst Du nicht mehr glücklich werden, weil Traubl es nicht zulassen wird. Du hoffst nur deshalb auf Vertragsverlängerung, weil Du Angst vor der Welt da draußen hast, obwohl genau dort irgendwo Dein berufliches Glück liegt.“ Vermutlich hat sie sogar ein Stück weit recht, dachte Weinert. Dass sie ihm das sagen musste, schmerzte ihn dennoch. Er fühlte sich ertappt. Er war sich bewusst, dass er alles andere als ein entscheidungsfreudiger Mensch war, hätte sich aber auch niemals als ängstlich eingeschätzt.
„Aber Du hast doch heute von meinem sensationellen Ergebnis gehört. Vermutlich eröffnen sich dadurch für mich ganz neue Möglichkeiten im Institut“, rechtfertigte sich Weinert.
„Das Ergebnis ist wie der Junge, der den beiden Landstreichern sagt, dass Godot morgen auf jeden Fall kommt. Es sind diese kleinen falschen Verheißungen, die uns immer wieder glauben lassen, wir müssten uns nicht bewegen.“
„Weißt Du, wie lange ich schon auf dieses Ergebnis warte?“, Weinert wurde allmählich ärgerlich,
„Fast 6 Jahre habe ich für diesen Moment geschuftet, und Du sagst, ich hätte mich nicht bewegt?“.
„Es tut mir Leid. Ich wollte Dich nicht verletzen.“, sagte Maja kleinlaut. „Von außen sieht das alles ganz einfach aus. Einfach alles hinpfeffern, wenn es nicht mehr läuft. Aber so geht das nicht. Auch wenn es unangenehm ist, muss man sich seiner Verantwortung stellen.“, brauste Weinert sichtlich getroffen auf.
„Ich möchte gerne zahlen“, rief er dem vorbei eilenden Kellner zu. Maja und Weinert verabschiedeten sich vor dem Café. Er war immer noch tief verletzt, zumal er meinte, dass Maja die völlig falschen Schlüsse gezogen hatte.
„Ja, dann bis morgen“, sagte Weinert.
„Bis Morgen“, antwortete Maja mit trauriger Stimme. Die Grübchen waren verschwunden.
Auf dem Heimweg redete Weinert laut vor sich hin, sagte sich immer wieder, dass durch dieses Ergebnis alles gut werden würde und Maja Unrecht hatte. Er sollte sich täuschen.
Kapitel 4 – Das Protein
Traubl spürte bereits während der Sitzung, dass Weinerts Entdeckung einen wahren Schatz darstellte. Ein defektes Neuropeptid Y lässt Ratten bis zum Skelett abmagern. Er hatte gerade letztens noch von der sensationellen Entdeckung des Leptins gelesen, dass bei Mäusen gefunden wurde, die fast dreimal fetter waren, als ihre gesunden Artgenossen, mit einem Defekt in einem einzigen Gen. Dieses bis zur Entdeckung unbekannte Gen ist für die Herstellung eines Proteins verantwortlich, dass Leptin genannt wurde, abgeleitet vom griechischem leptos, was schlank oder dünn bedeutet. Es handelt sich hierbei um ein Hormon, das vom Fettgewebe gebildet wird, wenn dieses mit zu großen Fettmengen angefüllt ist. Das Hormon fungiert nun als eine Art Bote, der dem Gehirn signalisieren soll: „Ich bin prallvoll mit Fett. Bau es bitte ab, sonst platz ich!“ Wenn nun dieses Protein durch eine Mutation nicht richtig gebildet werden kann, bekommt das Gehirn folglich nicht mehr mit, wenn der Körper zuviel Fett eingebaut hat und befiehlt daher die weitere Nahrungszunahme und uneingeschränkte Auffüllung der Fettreserven für schlechte Zeiten. Die Firma Hoffmann-LaRoche erkannte den Marktwert dieser Entdeckung sofort und luchste dem Entdecker dieses Phänomens für einige Millionen Dollar die Rechte an diesem Protein ab. Die Idee war, den Leuten Leptin zu spritzen und sie auf diese Weise künstlich zu verschlanken.
Das von Weinert identifizierte Neuropeptid Y war nun der natürliche Gegenspieler des Leptins. Es hat unter anderem die Funktion, das Hungergefühl zu steigern. Schon seit seiner Entdeckung versuchten diverse Pharmakonzerne das Neuropeptid Y oder seine spezielle Andockstelle im Hypothalamus, den Rezeptor Y5, auszuschalten. Ohne durchschlagenden Erfolg. Und nun findet dieser Nichtsnutz von Weinert die mögliche Lösung. Traubl konnte noch nicht sagen, wie dieses kaputte Rattenprotein das Hungerverlangen stoppte, aber entscheidend war im Moment nur, dass das Protein es tatsächlich tat. Frau Schultheiß-Gottlob dachte anscheinend in die gleiche Richtung wie er. Hier lag definitiv eine Sensation in der Luft. Aber konnte ihnen noch jemand zuvor kommen? Arbeitete der englische Kollege, von dem Lamprecht die Tiere bekommen hatte, wirklich nicht mehr an der Entschlüsselung oder hatte er gar die Ratte noch an andere Leute abgegeben?
Die Zeit drängte. Sie mussten feststellen, ob diese Ergebnisse tatsächlich verwertbar waren oder nicht. „Ich werde mich persönlich darum kümmern. Am besten, niemand bekommt etwas von unseren Vermutungen und Aktivitäten mit. Ich werde sofort Weinert von all seinen Aufgaben abziehen, damit er uns nicht zufällig dazwischen funkt“, sagte sie abschließend. Frau Schultheiß-Gottlob arbeitete in den nächsten Wochen wie besessen im Labor, ohne Unterstützung, zumeist nachts, um keine Fragen aufzuwerfen. Nach zwei Wochen hatte sie endlich einige Millionstel Gramm aufgereinigtes Weinert-Protein, wie sie das defekte Neuropeptid Y nannte. Sie spritzte nun das Weinert-Protein täglich ins Hirn von gesunden Tieren und parallel dazu zur Kontrolle das intakte Protein ebenfalls bei gesunden Tieren. Bereits nach einer Woche stellte sie einen deutlichen Gewichtsverlust bei den mit dem Weinert-Protein behandelten Tieren fest.
Die mit dem normalen Protein behandelten Tiere hingegen zeigten ein gleich bleibendes Gewicht. Das war umso erstaunlicher, als das die gesunden Tiere massenweise eigenes funktionelles Neuropeptid Y im Hirn hatten. Wenn es also so etwas wie einen Konkurrenzkampf zwischen beiden Proteinvariation gab, so gewann immer das Weinert-Protein. Selbst bei extrem kleinen Mengen Weinert-Protein war noch ein Effekt zu beobachten. Aber warum? Verstopften die Weinert-Proteine die Andockstellen für das normale Protein?
Die Daten waren noch zu roh, um etwas mit dem Ergebnis anfangen zu können. Auch auf die Gefahr hin, sich unliebsame Mitwisser mit ins Boot zu holen, brauchten sie die Unterstützung von einem Neurologen, der die seltsamen Eigenschaften