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einem von 10 000 Fällen führte der Virus zum Atheismus. Leider war es ihnen nicht möglich gewesen, dies auszuschalten.

      Die nächsten Monate waren ein Fest für die katholische Kirche. Die Menschen strömten wieder in Massen zu den Gottesdiensten. In den großen Städten mussten überall sonntags auch die großen Freiplätze mit moderner Technologie von den Priestern bespielt werden. Die alten Kirchenschiffe waren nicht in der Lage, die Massen zu fassen. Alles lief wie geplant.

      Der Kardinal frühstückte mit dem Papst.

      Dann gab es die ersten Zwischenfälle. Auf einmal wollte niemand in der Kirchenhierarchie mehr etwas mit ihm zu tun haben. Zuerst war nur ein Priester gekreuzigt worden von fanatisierten Massen, doch dann wurden es immer mehr Zwischenfälle. Überall nagelten frenetisch schreiende Massen ihre Priester an Kreuze und trugen sie durch die Stadt, um sie dann langsam sterben zu lassen, in Stücke zu reißen und die Einzelteile als Reliquien aufzubewahren. Teilweise gab es schwere gewaltsame Auseinandersetzungen um diese Reliquien.

      Der Papst hatte sich vor den gläubigen Massen, die den Petersdom stürmten, nur noch durch geheime Fluchtwege und dann mit einem Hubschrauber retten können, sein engster Vertrauter und Sekretär wurde lebend zerrissen, und um die Einzelteile kam es zu brutalen Kämpfen. In einigen Städten zelebrierten die Gläubigen auch das Abendmahl mit den zerrissenen Stücken aus Leibern von Priestern und Nonnen.

      Niemand konnte sich nun mehr daran erinnern, dass der Papst seine Zustimmung für DAS PROJEKT gegeben hatte. Der Kardinal musste feststellen, dass er nichts Schriftliches hatte, keine Belege. Vor seiner Tür stand eine dunkle Limousine, er war sicher, dass dies Mitglieder des Opus Dei waren. Am nächsten Morgen fand man ihn tot in seinem Büro.

      In den polnischen Karparten brannte ein Kloster ab und dabei wurden die Keller darunter verschüttet.

      Doch dann schien sich alles für die katholische Kirche noch einmal zum Guten zu wenden. Es setzte das ein, was später als Hallelujaphase der Gottespest bezeichnet wurde.

      Auf einmal schlug die Stimmung um. Alle Menschen priesen nun den Herren und die Liebe. Laut singend zogen sie durch die Städte und liebten ihre Brüder und Schwestern auf öffentlichen Plätzen und in den Gotteshäusern. Das Halleluja der Massen schall aus allen Gassen. Der Zölibat wurde aufgehoben im Namen der Liebe des Herren. Der Papst nahm die Zeichen als Zeichen Gottes. Im Petersdom umarmten sich die jungen Ministrantinnen und Ministranten und sangen Lieder zum Lobpreise des Herren, und in der Nacht huschten die jungen Gestalten durch die Gänge und fanden zueinander.

      Die kirchlichen Institutionen erlebten einen Massenzulauf. Der Name des Kardinals kam auf die Liste für die Seligsprechungen und mit ihm viele der toten Priester und Nonnen. Der Papst kniete in der Sixtinischen Kapelle und dankte Gott.

      Die Wege des Herren waren unerforschlich.

      Doch auch die Hallelujaphase ebbte ab und der Virus verlor seine Macht, das Immunsystem löschte jeden Rest Glauben in den Menschen aus. Zurück blieb eine atheistische Welt.

      Schon die Ansicht religiöser Symbole löste nun bei den meisten Menschen Brechreiz aus.

      Nur einige wenige Punkbands spielten noch zur Provokation religiöse Lieder.

      Die Kirchen verfielen und dienten nur noch, vergleichbar den Folterkammern in Burgen, für die Touristen zum erbaulichen Gruseln.

       FIN

       Alles Viren

      Albert saß an ihrem Küchentisch und blickte sich immer wieder um, als stünde da irgendwo jemand hinter ihm, unsichtbar, unter dem Küchenschrank, hinter dem Kühlschrank oder im Abfluss. Katrin sah ihn beruhigend an.

       "Möchtest Du einen Kaffee?"

      Misstrauisch betrachtete er ihre Kaffeekanne. Sie lachte. "Ich koche ihn in der Espressokanne, da ist dann alles tot."

      Ein bitterer Zug breitete sich um seine Mundwinkel aus. "Du nimmst mich nicht ernst. SIE sind hier. Überall. Wir bilden uns nur ein, wir hätten einen freien Willen. Dabei bestimmen SIE alles. SIE benutzen uns wie Fleischkühe für ihre Fortpflanzung und Verbreitung. Jetzt sind SIE auch schon auf dem Mond und dem Mars – dank uns.

       Sie sind in uns, in dicken Klumpen, und übernehmen von dort aus Stück für Stück die Kontrolle über alles. SIE sind in unserem Inneren, steuern uns und fressen uns von innen her auf. SIE steuern unsere Gefühle mit ihrer Chemie. Die Menschen lassen sich naiv von IHNEN manipulieren. VIREN sind die ältesten lebenden Organismen auf der Erde. SIE sind uns in ihrer Entwicklung Millionen von Jahren voraus. Und Du denkst, alles wäre normal.

       Du bist auch nur eine IHRER Marionetten."

      Er sah nun auch sie misstrauisch an. "Vielleicht haben SIE auch Dich schon übernommen und ich rede mit einem Haufen Viren?"

      Seine Stimme klang aggressiv. Katrin stellte ihm den Kaffee hin. "Zumindest kochen Dir dann die Viren Kaffee. Was willst Du mehr?"

      Er kicherte in sich hinein. "Du wirst noch sehen. Ich habe nämlich IHREN Schwachpunkt entdeckt. Ich werde SIE vernichten. Aber Du darfst niemanden etwas erzähle. Warte nur ab."

      Dann wurde sein Gesicht seltsam ernst und er schien auf einen fernen Punkt zu starren. "Aber SIE versuchen mich auszuschalten. SIE haben bemerkt, dass ich gefährlich für SIE bin."

      Katrin versuchte das Thema zu wechseln. "Dann solltest Du nicht weiter darüber sprechen, wer weiß, ob SIE nicht mithören. Wie geht es Deiner Katze?"

      Er sah sie aus hohlen Augen an. "SIE haben sie getötet."

      Katrin nahm ihn in die Arme. "Das tut mir leid."

      Plötzlich ergriff er ihren Arm und zwang sie, sich zu ihm herabzubeugen. Um seinen Mundwinkel herum hatte sich Speichel gebildet. Er flüsterte, und doch klang seine Stimme dabei so durchdringend wie ein abgebrochenes Stück Kreide auf der Tafel. "Falls SIE mich erwischen. Du bist die einzige, die Bescheid weiß. Du musst es dann beenden. Der Karton oben auf meinem Nachtschrank, hinten links, da findest Du meine Aufzeichnungen. Aber pass auf, SIE werden dann auch Dich verfolgen."

      Damit sprang er plötzlich auf. Er lachte verlegen. "Ich muss los. Ich wollte Dir keine Angst machen."

      Sie umarmte ihn noch einmal kurz, dann war er schon bei der Tür und draußen. Die Treffen wurden langsam immer anstrengender. Früher war es mit Albert anders gewesen. Sie seufzte und wischte mit dem Schwammtuch über den Küchenschrank.

      Zwei Tage später stand die Polizei vor ihrer Tür. Albert, Albert war tot. Ihre Adresse hatten die Beamten an verschiedenen Stellen in der Wohnung gefunden. Sie begleitete sie.

      Die Beamten hatten einige Fragen und Albert hatte sie als Erbin eingesetzt.

      Die Todesursache stand noch nicht fest. Sie hatten den Toten in der Badewanne gefunden. Er war am Abend des Tages gestorben, an dem er sie besucht hatte. Sie musste weinen. Die Beamten versprachen, sich zu melden, sobald Genaueres feststand. Aber es gab keinen Hinweis auf Fremdverschulden.

      Alberts Wohnung war schon wieder freigegeben. Einen Schlüssel hatte sie noch.

      Und der Vermieter wollte wissen, was mit den Sachen geschehen sollte.

      Noch am selben Nachmittag ging sie zur Wohnung, um zu schauen, was zu tun war. Sie hatte Albert lange nicht mehr besucht. Sie erinnerte sich an das letzte Treffen.

      Viren, überall Viren.

      Ein trauriges Lächeln huschte über ihr Gesicht. In der Wohnung herrschte Chaos. Hier war kaum etwas von Wert. Sie suchte zwei, drei Platten aus der Plattensammlung heraus, Platten, die sie beide zusammen gehört hatten.

      Dann setzte sie sich ans Fenster, rauchte und schaute hinaus. Sie dachte an die gemeinsamen Gespräche und das letzte Treffen. Viren.

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