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Die skurrile Verwandtschaft des Friedrich K.. Torben Stamm
Читать онлайн.Название Die skurrile Verwandtschaft des Friedrich K.
Год выпуска 0
isbn 9783742777652
Автор произведения Torben Stamm
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
„Was suchst du? Komm, wir verpissen uns ne Runde nach draußen. Das Gelaber brauchen wir nicht“, sagte Johannes und zeigte mit dem Kinn in Richtung Ausgang.
„Wo ist der Alte?“, fragte Friedrich.
„Welcher Alte?“ Johannes runzelte die Stirn. „Hast du was getrunken? Ohne mich?“
„Nein“, sagte Friedrich und sah sich weiter um. „Hier war eben so ein alter Kerl. Der kannte meinen Namen. Der war... Der war total komisch.“
„Ich sehe keinen Alten. Nur viele Idioten mit zu viel Geld und Hosenträgern.“
Die Menge applaudierte. Friedrich schaute in Richtung Bühne: Ein junger Mann mit silbern gefärbten Haaren marschierte über die Bühne und nahm Nauz das Mikrofon ab: „Danke!“, sagte er und wandte sich an das Publikum: „Schön, euch alle zu sehen! Soviel Wärme! Das ist wunderbar! Genau das ist es, was ich mit meiner Kunst erreichen möchte: Dass Leute zusammenkommen und einen schönen Abend haben.“
„Klar, Weltfrieden“, brummte Johannes missmutig. „Wenn du willst, dass Leute einen schönen Abend haben, schenk ihnen ne Kiste Bier und ne Flasche Schnaps. Und einen freien Tag nach dem Besäufnis.“
Das Ding mit der Action
Friedrich beobachtete, wie sich die Menge langsam zerstreute: Die Ausstellung war eröffnet und die Jagd begann.
„Ich denke, wir können jetzt etwas entspannen“, sagte Johannes. Er zog sein Handy aus der Tasche und warf einen Blick auf die Uhr: „Die werden jetzt so zwei Stunden hier rumrennen.“
„Ich gucke mal, ob ich den alten Mann finde“, sagte Friedrich, während seine Augen wieder den Raum absuchten.
„Was hast du denn dauernd mit dem Alten?“ Johannes wirkte etwas verärgert. Er wollte etwas entspannen und sich von diesem „Event“ absetzen, während Friedrich offensichtlich darauf aus war, sich durch die Menge zu schieben.
„Keine Ahnung“, sagte dieser. „Er kannte meinen Namen. War ne ganz komische Situation.“
Plötzlich hörten sie einen Schrei: „Hilfe! Jemand muss ihn aufhalten!“
Friedrich und Johannes schauten sich um: Der Schrei musste aus dem Nebenraum kommen! Sie eilten durch die Leute, die entweder verwirrt im Weg standen oder ebenfalls zum Nebenraum wollten. Friedrich war sich allerdings ziemlich sicher, dass sie nicht helfen, sondern nur gucken wollten - oder Handyvideos drehen. Wobei das Wort „drehen“ heute eigentlich auch nicht mehr passte.
Sie schoben sich durch die Menschenmenge und erreichten schließlich ihren Rand: Vor einem Bild befand sich ein kleiner Flecken, wo die Leute sich nicht auf den Füßen standen. Ein Wachmann lag auf einem bulligen Mann und fixierte ihn.
„Lass mich los, du Arschloch!“, schrie der Mann. Neben seiner ausgestreckten Hand lag ein Messer, das er aber nicht erreichen konnte.
„Scheiße“, sagte Joahnnes fassungslos. Dann stieß er Friedrich an: „Guck mal!“ Friedrich folgte Johannes Blick: Das Bild, das hier ausgestellt war, hing in Fetzen an der Wand. Der Mann musste es mit dem Messer zerstört haben, bevor der Wachmann ihn überwältigen konnte.
„Lassen Sie mich durch!“, rief eine panische Stimme.
„Oh nein! Der Künstler eilt zur Leichenschau“, brummte Johannes.
Die Menge teilte sich vor Bruno Grenadier, der zum Schauplatz der Hinrichtung seines Kunstwerkes eilte. Der Angreifer hatte aufgehört sich zu wehren und lag resigniert unter dem Wachmann.
„Was..., was haben Sie getan?“, fragte Grenadier fassungslos, als er das Bild erreicht hatte. Er musterte das Bild kopfschüttelnd. Dann drehte er sich um und wandte sich an das Publikum. Friedrich starrte fassungslos auf das Gesicht des Künstlers: Er...strahlte vor Glück.
„Meine Damen und Herren“, verkündete er. „Ich darf Ihnen mein neuestes Kunstwerk vorstellen, welches ich heute erst fertigstellen konnte.“ Der Wachmann kletterte vom Angreifer herunter. Beide erhoben sich und stellten sich sittsam hinter Grenadier.
„Jeder Künstler verwendet Utensilien, um seine Kunst zu erschaffen: Pinsel, Draht, Leinwand, Stein... Meine beiden Pinsel sehen Sie hier.“ Er zeigte theatralisch auf den Wachmann und den Angreifer.
„Das Kunstwerk, das Sie hier an der Wand sehen, bringt das zum Ausdruck, was wir den Zeitgeist nennen: Die Angst, dass ein Akt der Gewalt jeden Moment über uns hereinbrechen könnte, um uns alle zu vernichten - so wie diese Leinwand! Ich hätte die Leinwand in meinem Atelier zerschneiden können - aber das hätte nicht die rohe Gewalt der Situation beinhaltet, die ich einfangen wollte. Sie alle“, er zeigte mit ausgestrecktem Zeigefinger in die Runde, „sind Zeuge geworden, wie Kunst erschaffen wurde. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.“
Das Publikum klatschte Beifall.
„Unfassbar: Der wird so viel Kohle damit verdienen. Dabei ist es kaputt! Kannst du erkennen, was da vorher drauf war?“, fragte Johannes.
Friedrich musterte das total zerfetzte Bild: „Sieht aus wie wilde Farbkleckse. Ich weiß es nicht.“
Die Menge begann sich erneut zu zerstreuen, als ein Mann laut rief: „Schon wieder? Jetzt wird es aber langweilig!“
Friedrich zog Johannes in den Hauptraum, aus dem die Stimme gekommen war. Eine Frau neben ihnen sagte: „Das ist allerdings etwas billig. Wenn so etwas häufiger passiert, wo bleibt dann das Einzigartige in der Kunst?“
Grenadier kam hinzu: „Was...?“, stieß er hervor. „Polizei!“, rief er. Die Menge lachte. Grenadier ging auf die Knie: Vor ihm hing ein leerer Bilderrahmen. In seinem Inneren klebte ein grüner Briefumschlag.
Gespräche
„Also, mal sehen, ob ich das richtig verstanden habe“, fasste Johannes zusammen, während sie in einem kleinen Büro saßen und einen Kaffee tranken. „Grenadier lässt ein Bild live zerfetzen, kurz nachdem er die Ausstellung eröffnet hat. Während alle Leute seinen total gehaltvollen und nicht irgendwie kommerziell geprägten Ausführungen lauschen, schneidet nebenan ein Unbekannter ein Bild aus dem Rahmen, steckt einen Umschlag in den Rahmen und verschwindet?“
Friedrich nickte: „So sieht es aus. Die Polizei nimmt jetzt alle Namen und so auf. Nauz meinte, wir sollen uns hier noch bereithalten.“
„Was sollen wir denn da machen? Ich meine, wir arbeiten zwar für den Laden, aber uns hat ja noch nicht mal einer von dieser PR-Nummer erzählt. Wobei die schon sehr geil war!“
Friedrich nickte: Die Aktion war genial gewesen - allerdings die des Diebes auch.
Die Tür öffnete sich und Nauz betrat den Raum. Er wirkte vollkommen erschöpft und setzte sich auf einen Stuhl: „Ihr seid dran. Danach könnt ihr gehen.“
„Weiß die Polizei denn schon was?“, fragte Friedrich.
„Ne“, antwortete Nauz. Er war überraschend zahm. Friedrich hatte damit gerechnet, dass er toben und wüten würde - aber das Gegenteil war der Fall. Er wirkte eher kleinlaut.
„Die Polizei geht davon aus, dass es einer aus unserer Firma war“, sagte er.
„Was?“, entfuhr es Johannes. „Warum das denn?“
„Ist doch logisch“, warf Friedrich ein. „Die Firma hat von der Aktion mit dem vermeintlichen Angreifer gewusst, oder?“ Nauz nickte.
„So. Derjenige, der das Bild geklaut hat, wusste, dass sich alle Aufmerksamkeit auf diese Aktion richten würde. Er hatte also genug Zeit. Aus dem Grund kommt aber nur ein kleiner Kreis an Leuten in Frage.“
Nauz nickte erneut: „Richtig. Es wusste nur eine Handvoll