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sagte sie erneut. „Ich bin Holly.“

      „Hmm“, erwiderte ich.

      Sie seufzte kopfschüttelnd.

      „Noch nicht perfekt, aber ich will das mal als Gruß gelten lassen“, sagte sie, die Hand, welche ich ignoriert hatte, wieder zurück nehmend.

      „Ich weiß, das muss alles sehr merkwürdig für dich sein. Nach allem, was du erlebt hast, fällt es dir schwer, Menschen zu trauen. Das ist ganz natürlich, doch du wirst irgendwann feststellen, dass wir nicht alle so sind wie die Idioten von DMI.“

      Bei der Erwähnung von DMI knurrte ich. Die Erinnerung an meine Gefangenschaft, Bilder, die ich in den hintersten Winkel meines Kopfes verbannt hatte, kamen hervor. Es kostete mich große Anstrengung, sie zurück zu drängen. Ich schenkte dem Geplapper von Holly keine Beachtung mehr.

      „... wirst schon sehen. Es wird ganz wunderbar werden. Ich freu mich schon sehr auf Eden.“

      „Hmmm.“

      „Du sollest mit nach drinnen kommen“, versuchte sie mich zu überreden.

      „Nein!“, antwortete ich klar und deutlich.

      „Es sind viele deiner Leute dort“, versuchte sie weiter. „Mein ... mein Gefährte ist einer von ihnen. Ich könnte dich ihm vorstellen.“

      Ich wandte ihr mein entstelltes Gesicht zu und knurrte.

      „Wie heißt du?“, fragte sie.

      Ich runzelte die Stirn. Diese Frau gab wirklich keine Ruhe. Merkte sie denn nicht, dass ich mit ihr nichts zu tun haben wollte?

      „Beast!“, knurrte ich unwillig.

      Vielleicht würde mein Name sie endgültig abschrecken, wenn schon mein Aussehen es nicht tat. Doch sie zuckte nur kaum merklich zusammen und lächelte dann erneut.

      „Erfreut, dich kennen zu lernen, Beast“, sagte sie und streckte mir zum zweiten Mal ihre Hand entgegen, die ich überrascht anstarrte und schließlich, nach einigem Zögern, ergriff und vorsichtig drückte.

      Ich hatte Angst, dieser zierlichen Person wehzutun. Ich hatte manchmal Probleme, meine Stärke einzuschätzen. Nicht, dass es mich sonst sonderlich interessierte, aber dieser Frau wollte ich aus irgendwelchen Gründen nicht wehtun. Vielleicht weil sie die Gefährtin von einer meiner Brüder war.

      „Mein Name ist Holly“, wiederholte sie.

      „Hier bist du!“, erklang plötzlich eine Stimme und ich ließ abrupt ihre Hand los.

      „Wie es aussieht hat deine Gefährtin die Bekanntschaft mit Beast gemacht. Einem unserer Neuzugänge“, sagte ein ungewöhnlicher Alien Breed.

      Er war ein Albino. Ich war ihm vorgestellt worden. Sein Name war Ice.

      Holly wandte sich um. Der andere Alien Breed war Player. Er sah angepisst aus und musterte mich finster. Er musste Hollys Gefährte sein.

      Ice verzog seine Lippen zu einem flüchtigen Lächeln.

      „Hallo! Du musst Ice sein“, sagte Holly und streckte die Hand aus. Ice ergriff sie und schüttelte sie, ehe er sie frei gab.

      „So ist es“, bestätigte er. „Holly, nehm ich an?“

      Ich nahm die Gelegenheit wahr, dass sich gerade niemand um mich kümmerte, und verschwand.

       Lucy

      Der Geräuschpegel in dem überfüllten Saal bereitete mir Kopfschmerzen. Seit ich vor neun Jahren bei einem Unfall erblindet war, hatten sich meine anderen Sinne geschärft, um für den Verlust der Sehkraft Ausgleich zu schaffen. Besonders mein Gehör war viel besser geworden und so machte es mir manchmal zu schaffen, wenn ich mich unter so vielen Menschen befand. Vorsichtig bewegte ich mich in Richtung der großen Flügeltüren, die auf die Terrasse führten. Hier im Haus und auf dem Gelände brauchte ich keinen Stock, denn ich kannte jeden Zentimeter meines Zuhauses. Ich erreichte die Tür und öffnete sie, um hinaus zu huschen. Es war ein wenig kühl, doch das machte mir nichts aus. Im Gegenteil. Ich genoss den frischen Lufthauch auf meinen überhitzten Wangen.

      Ich konnte ein Pärchen in der Nähe hören, das sich leise unterhielt und zärtliche Küsse austauschte. Ich konnte sie zwar nicht sehen, kam mir jedoch wie ein Spanner vor, also beschloss ich, mich an meinen Lieblingsplatz zurück zu ziehen. Leise verließ ich die Terrasse und schlenderte durch den Garten. Ich rief mir dabei sein Aussehen ins Gedächtnis. Ich wusste, dass Daddy hier nichts verändert hatte. Rechts von mir befanden sich die Rosenbüsche meiner Mutter. Im Sommer würde ihr Duft die Luft erfüllen. Im Moment roch ich nur die Frische des Frühlings. Warme, feuchte Erde, erste zarte Blüten und viel Grün. Es hatte heute Nachmittag geregnet und es lag noch immer ein Hauch von Feuchtigkeit in der Luft. Rechts von mir war Wasser plätschern zu hören. Ich passierte gerade den Brunnen mit den drei spielenden Delfinen. Als kleines Mädchen hatte ich manchmal in dem Brunnen geplanscht – ganz zum Unwillen meiner Mutter, die mir immer wieder erzählte, das Wasser des Brunnens wäre nicht sauber und ich würde schrecklich krank davon werden. Nun, das einzige Mal, dass ich nach dem Baden krank geworden war, hatte nichts mit Keimen zu tun gehabt, sondern der Tatsache, dass ich in nasser Hose und nassem Hemdchen draußen herum getollt war, obwohl die Temperaturen eigentlich viel zu niedrig für solch eine Aktion gewesen waren.

      Ein paar Minuten später erreichte ich mein Ziel. Ein kleiner, von hohen Bäumen beschatteter Teich. Unter einem der alten Bäume stand eine Bank. Dort saß ich oft und bewunderte den Teich, wie ich ihn in meiner Erinnerung hatte. Es war ein abgelegenes Plätzchen, welcher vom Haus aus nicht einsehbar war. Hier war ich ungestört und für gewöhnlich verirrte sich niemand so weit weg vom Haus. Ich streckte eine Hand aus und erfühlte die Rückenlehne der Bank. Mit einem Seufzen setzte ich mich. Was ich da unter meinem Hintern spürte, war nicht die Bank und ich erstarrte. Ich schrie auf, als zwei große Hände sich um meine Taille schlossen.

      „Hey“, erklang eine raue Stimme. „Bist du immer so aufdringlich? Nicht, dass ich mich beschweren will, aber ...“

      „Lass mich sofort los!“, schrie ich aufgebracht. „Du ... du ...“

      Die Hände um meine Taille verschwanden und ich sprang auf. Ich wollte zurück zum Haus fliehen.

      „Entschuldigung. – Aber ich will zu bedenken geben, dass DU es warst, die sich in MEINEN Schoß gesetzt hat.“

      Ich stoppte und wandte mich um.

      „Ich ... ich wusste nicht, dass jemand auf der Bank sitzt!“

      „So dunkel ist es nun auch wieder nicht“, erwiderte der Mann.

      Der Stimme nach vermutete ich, dass es sich um einen der Alien Breed handeln musste. So wie es einen Unterschied in der Stimme von schwarzen und weißen Amerikanern gab, so hatten auch die Alien Breed eine unverkennbare Stimmlage. – Zumindest, wenn man so wie ich ein gut ausgebildetes Gehör hatte.

      „Ich hab dich wirklich nicht gesehen. Ich bin ...“

      „Ich sitze hier mitten im Licht der Laterne. Bist du blind oder was? Ich glaube, du brauchst eine Brille.“

      Wütend stemmte ich die Hände in die Hüften und machte ein paar Schritte auf den Mann zu. Ich wusste, dass ich meinen blinden Blick geradewegs auf ihn gerichtet hatte, wusste jetzt exakt, wo der Idiot saß.

      „Ja! Wenn du es noch nicht bemerkt hast: ICH BIN BLIND! Ich verlor mein Augenlicht als ich elf war!“

      „Es ... es tut mir leid!“, erwiderte der Alien Breed sanft. „Ich ... ich wusste nicht ... Es tut mir wirklich schrecklich leid.“

      Mit wild klopfendem Herzen stand ich da und wusste nicht, ob ich weiter mit diesem Arsch diskutieren oder zurück zum Haus gehen sollte.

      „Vergib mir. Lass uns noch mal von vorn beginnen. – Warum setzt du dich nicht? Es ist genug Platz für uns beide.“

      Ich überlegte eine Weile, dann nahm ich seinen Vorschlag an und setzte mich neben ihn.

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