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Ein Hellas Bitte!. Andrew Mills
Читать онлайн.Название Ein Hellas Bitte!
Год выпуска 0
isbn 9783847615101
Автор произведения Andrew Mills
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
In England hatte ich wenig Glück mit Einkaufswagen. Ich bekam immer einen mit einem Radfehler, was dazu führte, dass der Wagen ständig nach rechts oder links drehte oder stolperte. Anscheinend lag es an mir, in Deutschland rollte ich meinen Wagen genauso nach links driftend durch die Großmarkthalle, auf der Suche nach Elektrogeräten.
Ich wusste nicht, ob es an der Luft (Sauerstoffmangel) oder an der Musik lag, aber alles schien in Zeitlupe abzulaufen. Die anderen Kunden waren nicht in Eile, zogen ziellos durch die Gänge, starrten orientierungslos auf die Regale, es gab sogar ordentliche Schlangen vor der Wursttheke.
Für jemanden, der es eilig hatte, war das frustrierend. Einkaufswagen blockierten die Gänge. Gerade dort, wo man hinschauen wollte, stand eine ältere Dame, die mühsam die Preisschilder durch ihre Gleitsichtbrille verglich und besonders große Probleme hatte, je weiter sie nach oben schauen musste, sie stand da mit der Brille in der Hand wie mit einem Fernglas. Es erinnerte mich an zwei englische Filme: “The land where time stood still” und “I walked with a zombie – The land of the living dead”.
Ich hatte es natürlich eilig und war sehr frustriert, mit etlichen langen Schlangen an der Kasse konfrontiert zu werden. Ich versuchte abzuwägen, welche Schlange am kürzesten war, schätzte die Anzahl von Personen, Wagengröße, Artikelvielfalt und Kassiererinfertigkeit pro Schlange und entschied mich für die anscheinend kürzeste.
Während ich anstand, wurde eine neue Kasse geöffnet. Wie die Geier stürmten die Familien auf die neue Kasse zu. Es erinnerte mich an die Gepäckannahme am Flughafen, nur hatte ich hier sogar einen Wagen. Es passierte so schnell, dass ich keine Zeit hatte zu reagieren und zusehen musste, wie die eben noch hinter mir Stehenden bereits abgefertigt wurde. Fortan beobachtete ich jede Angestellte, die sich in der Nähe einer neuen Kasse bewegte und blieb bereit in den Startlöchern, falls es wieder losginge. Natürlich passierte nichts.
Kurz vor meiner Ankunft an der Kasse erschien die Ehefrau des Mannes vor mir mit einem zweiten Riesenwagen voller Einzelartikel. Sie hieß „Schatzi“ und hatte eine Geldbörse voller Gutscheine - mindestens zwanzig Stück - und hatte außerdem vergessen, ihr Obst abzuwiegen. Die Kassiererin war genauso begeistert wie ich, als sie endlich fertig war.
Mittwoch
Vor dem Deutschkurs wollte ich noch schnell zum Kreisverwaltungsreferat, um mich anzumelden. Die Wörter „schnell“ und „Behördengänge“ stellten einen Widerspruch in sich dar, wie mir klar wurde.
Obwohl ich zur Eröffnungszeit ankam, wurde ich nicht als Erster bedient. Zuerst musste ich die Formulare finden, die ich auszufüllen hatte. Die Informationsstelle war vorübergehend nicht besetzt, so nahm ich alle die Formulare, die in Frage kamen, und suchte meinen Sachbearbeiter auf. „Sachbearbeiter“ ist ein schönes Wort. Als Beruf bin ich Thingworker – I work with things –, in diesem Fall aber bin ich das Ding, das bearbeitet wird, und genau so habe ich mich anschließend gefühlt.
Die Gesprächspartner sitzen hinter verschlossenen Türen, die nach Buchstaben sortiert waren. Ich setzte mich vor „Ma – Mu“, zog eine Nummer und füllte fleißig alle Formulare aus. Laut Anzeige gab es nur acht Personen vor mir.
Es gab viel Bewegung hier: Immer wieder gingen Leute rein, um bald wieder hinausgeworfen zu werden (sie hatten vergessen, eine Nummer zu ziehen) oder sehr lange blieben (sie brauchten einen Dolmetscher). Die Thingworkers kamen heraus, sperrten zu, verschwanden in den Gängen oder öffneten weitere Türen und schlichen hinein. Es war wie in einem Ameisennest. Alle trugen braune oder grüne Ordner, Halbmond-Lesebrille, Kaffeetassen und immer unglückliche Mienen.
Über den Türen veränderten sich die Zahlen nicht, obwohl immer wieder jemand neues hinein- oder hinausging. Am Anfang hatte ich versucht, hinter das System zu kommen, aber es war hoffnungslos. Nach drei Stunden gab es immer noch sechs Personen vor mir. Dann plötzlich verschwanden sämtliche Thingworkers zur Mittagspause.
Ich hatte schon einen halben Tag verloren! Was trieben wohl Mary und Stephen während meiner Abwesenheit? Hatte Ulrike schon ihre Lack- und Peitsche-Zuneigung während der Alsterfahrt zugegeben?
Nachmittags ging die Qual weiter. Ich wurde mehrmals von Passanten ausgefragt. Sobald es klar wurde, dass ich Englisch verstand, kamen immer wieder Leute vorbei, um Fragen bezüglich Formulare und Wartezimmer zu stellen. Ich hatte genauso wenig Ahnung wie sie, und die meisten sprachen sowieso kaum Englisch, aber offenbar noch weniger Deutsch. Die Dolmetscher waren nicht auffindbar und die Informationsstelle war immer noch vorübergehend nicht besetzt.
Um vier Uhr kam ich endlich dran. Der Thingworker war wesentlich freundlicher als die Grenzpolizei, brauchte aber ein Passfoto, das ich zum Glück in der U-Bahn machen lassen konnte. Ich hatte sogar passendes Kleingeld. Sobald die Bilder trocken waren, wurde mir eine Aufenthaltserlaubnis für zwölf Monate ausgestellt. Das hieß, mich erwartete dieselbe Scheiß-Prozedur in einem Jahr wieder!
Donnerstag
Mein Chef meldete sich, er sagte, dass ich beim Deutschkurs gefehlt hätte und vorbeischauen solle.
Im Kurs erfuhr ich, dass es keine Offenbarung von Ulrike gab und mir jetzt wichtige Informationen über die Hafenstadt fehlte. Das würde meine Integration sicherlich um Monate zurückwerfen...
In der Firma suchte ich meinen Chef auf und klärte alles. Er machte den Eindruck, als hätte er nicht sehr viel Vertrauen in mich. Er erwähnte zwar die Probezeit nicht, aber irgendwie wurde mir die Wichtigkeit meines ersten Projektes noch einmal sehr klar.
Ich besuchte Herrn Mueller, aber er war krank. Er hatte schon wieder Kreislaufprobleme. Ich sollte eigentlich derjenige sein, der unter Kreislaufprobleme litt, nachdem ich mit ihm von Anfang an nur im Kreis lief.
Herr Sideropolous hatte viel erledigt und ich ging mit ihm bis 21 Uhr die Ergebnisse und die nächsten Schritte durch. Die Prozessoptimierungen schienen Früchte zu tragen und die Zusammenarbeit machte auch Spaß.
Freitag
Ich musste mich wieder bei meinem Chef melden, dieses Mal wegen unerlaubter Kernzeitverletzung. Ich durfte nicht nur zu lange fehlen, aber auch nicht zu lange in der Firma bleiben. Ich machte alles falsch im Moment, jetzt wurde ich sogar wegen zu viel Einsatz bestraft!
Ich erklärte ihm die Probleme mit Herrn Mueller, dass er derzeit krank sei und dass ich keine Zeit mit meinem Projekt verlieren wolle. Er nahm alles zur Kenntnis und entließ mich mit einer kleinen Abmahnung ins Wochenende.
Zuhause lag eine Postkarte vom Briefträger vor, mit der Mitteilung, dass ein Paket am Postamt auf mich warte, aber dass ich es nicht am selben Tag abholen dürfe. Warum, er hatte es doch dabeigehabt?! Wahrscheinlich hatten die Postler so wie die Beamten um vier Uhr schon frei. Jetzt musste ich noch einen Antrag auf Kernzeitentnahme diesmal wegen des Postamtbesuches beantragen. Ob das gutgeht?
Wochenende
Ich hatte mir einige Pils verdient und musste mir eine neue Arbeitsstrategie ausdenken, um ohne Herrn Müller und die Kernzeitverletzungen auszukommen.
Am Samstag ging ich zum Einkaufen, ich stand früh auf, um den Viktualienmarkt zu besuchen.
Der Markt war beeindruckend mit seiner unerwarteten Vielfalt an Gemüse, Obst, Fisch und Fleisch, alles war sehr frisch, aber teuer, und daneben gab es einen schönen großen Laden namens „Kustermann“, eine geniale Kombination von Kochgeräten und Werkzeugkasten - Kreuzschlitzschrauben und Zimtsternschneider unter einem Dach.
Ich genoss in der Gesellschaft von gepflegten Omis meinen ersten richtigen Kaffee und Kuchen in einem Café zwischen der Frauenkirche und Bayerischen Hof. Eine so große Auswahl an Kuchen hatte ich noch nie gesehen; es gab so viel Sahne, dass es sich hier als Herzspezialist sehr gut verdienen lassen musste. Kaffee bestellen war aber nicht ganz so einfach wie