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schlecht gelaunt, wohl deshalb - so vermute ich - weil ich unangemeldet kam und seine Tagesordnung damit durcheinander brachte. Er konnte nicht verstehen, wie ich ein Philosophiestudium abschließen konnte, ohne seine 1755 erschienene 'Allgemeine Naturgeschichte und Theorie

      des Himmls‘ zu kennen, wo er die Frage nach dem Leben auf anderen Planeten behandelte. Wenn ich sein Werk 'Von den Bewohnern der Gestirne' aufmerksam gelesen und verstanden hätte, sagte er, wüsste ich, dass er sich für die Existenz von Lebewesen auf anderen Planeten unseres Sonnensystems ausgesprochen habe. Sein Hinweis auf die Fabel über die Läuse sei ein überzeugendes Analogieargument für jeden, der logisch denken könne. Dann verfiel er in seinen gewohnten Vorlesungsstil und belehrte mich: Wenn es verschiedene Köpfe gibt, sagte er, und man auf einem Kopf Läuse finde, könne man vernünftiger Weise davon ausgehen, dass man auch auf anderen Köpfen Läuse finden wird. Nur Ignoranz könnte die Läuse der Fabel dazu bringen, anzunehmen, dass nur ihr Kopf bewohnt sei. Es wäre ignorant, wenn Menschen annehmen würden, dass nur ihr Planet bewohnt sei. Er hoffe doch, dass man verstehen könne, wen er mit den Läusen meine. Ich musste ihm Recht geben, dass es angesichts der unfassbaren Größe und der Gesetzmäßigkeiten im Universum nicht unwahrscheinlich ist, dass es dort sehr, sehr viele unterschiedliche Zivilisationen gibt. Dann fügte er süffisant hinzu: Die Leute überschätzten immer die Erfahrung und merkten nicht, dass man solche Probleme auch ohne Experimente, allein durch logisches Denken lösen kann.

      Als ich ihn auf sein Sonnenabstandsgesetz ansprach, warum seiner Meinung nach die geistigen und moralischen Fähigkeiten von Lebewesen zunehmen, je weiter sie von der Sonne entfernt leben, also Jupiter-Lebewesen den Erdbewohnern geistig überlegen, Merkur-Bewohner ihnen aber intellektuell und moralisch unterlegen sind, und von ihm wissen wollte, wie weit denn das intelligenteste und moralischste Wesen von der Sonne entfernt sein müsse, gab er mir mürrisch zur Antwort: Seine Aufgabe als Philosoph sei es, Denkprozesse in Gang zu bringen und zur Wahrheitserkenntnis beizutragen, aber nicht die Begründungen für naturwissenschaftliche Fragen zu liefern. Und er fügte hinzu: Da sollen sich die Herren Naturwissenschaftler, die Erfahrungen höher schätzen als das Denken und Argumente gern durch Experimente ersetzen, etwas einfallen lassen.

      Meine Gespräche mit Naturwissenschaftlern

       Botho Strauß: „Jetzt haben wir zu wissen, dass sich die Evolution der Arten nicht nach einem vorausbestimmten Plan erfüllt, an dessen Endpunkt das Wesen Mensch erschien, sondern dass vielmehr jede Entwicklung in der Biosphäre aus Tippfehlern der genetischen Übertragung entstanden ist, aus puren Zufällen, Missgriffen, Kopierstörungen… Alle Veränderungen sind im Grunde Versehen, die durch Mutation ausgelöst und durch Selektion erprobt werden. Ein solches Weltbild… bedroht jede Philosophie, die den Menschen in ihren Mittelpunkt stellt, indem es die tatsächliche Abseitigkeit seiner Existenz in der Naturgeschichte verkündet“. (Rumor)

      Seit meiner Begegnung mit dem bedeutenden Astrophysiker Stephen Hawking, den ich 1981 bei einer Kosmologietagung im Vatikan kennenlernte, wo er von der Notwendigkeit sprach, den Weltraum zu besiedeln, und das All als ein Phänomen darstellte, das einfach vorhanden ist und keines Schöpfergottes bedarf, sah ich mich veranlasst, der Frage weiter nachzugehen, ob sich ein Universum selber aus dem Nichts erschaffen kann, ja, der pure Zufall der Grund ist, warum es statt des Nichts doch etwas gibt. Ein Schüler Hawkings, der sofort erkannte, dass ich mich mit dieser Argumentation schwer tat, nahm sich meiner Zweifel an und erklärte mir: die Wissenschaft habe festgestellt, dass sich das Nichts mit dem Urknall das erste Mal auf eine spektakuläre, bisher unbekannte Weise, bemerkbar machte. Er meinte, man könne die Gewalt der Explosion nur verstehen, wenn man bedenke, dass sich im Laufe von Jahr-Milliarden im Nichts eine gewaltige Wut über das Nichtsein angesammelt hatte, die sich in dieser ungewöhnlich heftigen Eruption entladen musste. Der Urknall sei nicht nur ein einmaliges akustisches Ereignis gewesen, sondern auch ein einmaliges optisches Schauspiel. Man müsse von einem kosmischen Feuerwerk sprechen, für das es eigentlich keinen Anlass gab, wenn nicht die Geburt des Weltalls. Dann fügte er hinzu, er sehe darin den Beweis, dass das Nichts eben doch zu mehr fähig sei, als man ihm gewöhnlich zutraue. Man habe das Nichts lange unterschätzt.

      Diese Erklärungen überzeugten mich nicht. In meiner Ratlosigkeit bat ich einen Darwin-Schüler um eine wissenschaftlich fundierte Begründung, ob die Welt und unser Dasein auf die Evolution oder auf Gott zurückzuführen ist. Beim Wort ‘Gott‘ wies er mich zurecht: es sei unwissenschaftlich und nicht sinnvoll, die Frage nach Gott überhaupt zu stellen. Ich dürfte das, was eine Hypothese sei, nicht einer Tatsache gegenüberstellen. Die Evolution sei ein großartiger Prozess, dessen Ende noch lange nicht erreicht sei. Sollte die Evolution auf anderen Planeten nur Wesen mit den gleichen gravierenden Mängeln und der Hirn-Hardware hervorgebracht haben, über die wir Erdlinge verfügen, wäre das ein Armutszeugnis. Dann müsste man von einem Scheitern einer ursprünglich herrlichen Idee sprechen.

      Der Darwinschüler nahm mich dann in sein Labor mit und zeigte mir das groß angelegte Forschungsprojekt, an dem er zurzeit mit zahlreichen Kollegen arbeitet. Man wolle, sagte er, die Artenvielfalt nicht nur der Tiere, auch der Menschenrassen weiter entwickeln und eine völlig neue Generation von Menschen mit Superhirnen züchten, Spitzenprodukte: Über-Poeten und Über-Philosophen. Man sei optimistisch, dass sich Nietzsches Traum vom Übermenschen realisieren lasse und eine Höherentwicklung des Menschen zum Übermenschen nicht nur dringend nötig, sondern auch möglich sei. Besonders spannend sei das Experiment, wie sich die Natur verhalte, wenn Übermäuse Katzen jagen oder der Überaffe den Menschen überragt. Die ersten Versuche wären erfolgver-sprechend. Die Wissenschaft müsse da nachhelfen, wo die Evolution nicht schnell genug vorankomme und es nicht schafft, auf oder jenseits der Erde einen Menschen zu produzieren, der zivilisierter, gebildeter, moralischer und den heute existierenden Exemplaren in jeder Hinsicht überlegen ist.

      Als wir uns verabschiedet hatten, musste ich lange darüber nachdenken, ob der im Symposion Platons gedachte Kugelmensch vielleicht keine mythologische, sondern eine wirklich existierende Gestalt ist. Und ob es der Wissenschaft vielleicht doch einmal gelingt, eine uns überlegene und höher entwickelte Spezies hervorzubringen: eine andere Art Mensch mit vier Armen und vier Füßen, mit zwei Gesichtern, die in entgegengesetzte Richtungen blicken können, einem doppelten Mund, und einer Kugelgestalt, sodass er sich wie ein Rad fortbewegen kann. Ich musste mir die Frage stellen, ob ich der Wissenschaft bisher zu wenig zutraute: dass sie bald Modelle von Mensch anbieten kann, die wir uns in unserer kühnsten Phantasie nicht vorstellen können. Ja, dass sie eines Tages auf irgendeiner Galaxie Menschen in einem früheren Entwicklungsstadium entdeckt, die sich noch im Paradies befinden, die Versuchung, vom Baum der Erkenntnis Früchte zu pflücken und den Sündenfall noch vor sich haben. Es wäre äußerst spannend zu beobachten, ob diese frühen Menschen den Einflüsterungen der Schlange wiederstehen oder wieder – wie die ersten Menschen - in die gleichen Fehler tappen, und ob sie ihre Höhlen mit den gleichen oder ganz anderen Zeichnungen ausstatten.

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