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hat sich nun geändert. Finanziert durch die Millionen, die der Lumbini Development Trust in aller Welt locker macht, wird sich in naher Zukunft das gesamte archäologische Areal mit Teich, Tempelresten und Ashoka-Säule zu einer Insel inmitten eines künstlichen Sees verwandeln. Sogar eine gigantische Prozessionsstraße ist geplant, links und rechts des Weges gesäumt von einigen Dutzend repräsentativer Klosteranlagen aus allen Teilen der buddhistischen Ökumene. Zusagen aus Japan, Korea, Sri Lanka und Thailand lagen bereits vor, und die inzwischen eingegangenen Gelder reichten offenbar aus, die Angestellten des Lumbini Development Trusts in ihren kleinen Büros gleich neben dem Gelände über gigantischen Plänen brüten und die arbeitsfähigen Männer der Umgebung bereits mit Grabungsarbeiten beschäftigen zu lassen.

      Mr. Sharma, der Inhaber der Lumbini Lodge schüttelte den Kopf über diese Pläne. Wann immer die Rupien auch rollen würden, ob schon in einem guten Jahrzehnt, wie es die Angestellten des Lumbini Development Trusts erhofften, oder wirklich erst im Jahre 2024, wenn sich Buddhas Todestag zum 2.500sten Male jährte - das heutige Lumbini würde auf Nimmerwiedersehen verschwinden. Und das wäre schade, denn der Umstand, dass es im Geburtsort des Erleuchteten über die Jahrtausende hinweg ohne die Glaubenskraft und die Fantasie der Pilger rein gar nichts zu erleben gab, repräsentierte die Religion des Nirwana wahrscheinlich viel treffender als das geplante Disneyland der buddhistischen Welt.

       VI Im Drahtkäfig

      

       Ayodhya. Indiens offene Wunde

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      Gestern gingen Bomben hoch in Hyderabad. 14 Tote. Kein guter Tag, um nach Ayodhya zu fahren. Aber wenn ich jetzt nicht fahren würde, käme ich niemals dorthin. Und einmal im Leben sollte jeder, der sich für Indien interessiert, in Ayodhya gewesen sein.

      Auf der Plattform 15 des Busbahnhofes in Lucknow wartete bereits der Bus nach Faizerbad. Der Fahrer trug einen Salafistenbart und war ein sympathischer Kerl, der mich gleich auf einen Sitz in der Fahrerkabine einlud. Von dort aus durfte ich zusehen, wie er anschließend die Frontscheibe seines Busses hingebungsvoll mit Zeitungspapier reinigte. Sauber wurde es nicht, aber immerhin wurde der Dreck auf diese Weise gut über die Fensterfläche verteilt. Fliegende Händler nutzten die Wartezeit, um im Minutenabstand zuzusteigen und ihre Waren anpriesen. Der erste war ein Textilverkäufer, der es sich nach einer kurzen Ansprache nicht nehmen ließ, seine Tischdecken im Eingangsbereich des Busses auszupacken und wild an ihnen wild herumzureißen, um zu demonstrieren, wie stabil sie waren. Als nächster erschien ein dürrer Mensch, der Zahnbürsten anpries und zur Demonstration mit ihnen in seinem eigenen Mund herumputzte. Leider wurden dabei sehr schadhafte Zähne sichtbar, was dem Verkauf wenig förderlich war, sodass er sich schließlich ohne Absatz trollte. Der dritte, der es noch in den Bus schaffte, ehe die Frontscheibe fertig geputzt war, entpuppte sich als ein Parfümhändler. Er öffnete eine grell bemalte Flasche, und sofort entströmte dem Gefäß ein regelrechter Freudenhausgeruch, so intensiv, dass die Gespräche in den ersten Reihen erstarben. Ein Inder mit verschwitztem Gesicht und einer fleckigen Jacke roch an der Flaschenöffnung und erwarb das Produkt.

      Dann ging es endlich los, doch es dauerte fast eine geschlagene Stunde, ehe der Bus den Großraum Lucknow verlassen hatte. Ich notierte: Wie groß eine indische Stadt ist, erkennt man immer erst, wenn man versucht, sie mit einem Bus zu verlassen. Straßenschlucht folgte auf Straßenschlucht, vor den Kreisverkehrsrondellen krachten die Fahrzeuge in karrengroße Schlaglöcher, und vor jedem Bahnübergang gab es einen Stau. Wenn es dann einmal auf einer Geraden etwas schneller voranging, schossen Mofas, Rikschas und Kleinwagen pfeilschnell links und rechts am Bus vorüber, behinderten, schnitten oder gefährdeten sich gegenseitig, als wäre die Gefahr eines Zusammenstoßes nur eine theoretische Eventualität, mit der man nicht wirklich rechnen müsste. Jahrelange Schnibbelpraxis beim Überholen und hemmungsloses Gottvertrauen ermöglichen in Indien im Vergleich zu europäischen Ländern das Doppelte bis das Dreifache des normalen Verkehrsaufkommens auf einer gegebenen Fläche. Wenn es aber doch einmal kracht, geht es oft nicht ohne Tote ab.

      Dann außerhalb von Lucknow die nächste Überraschung: ein Highway oder besser gesagt: eine zweispurige Schnellstraße auf dem Weg zur Autobahn, an deren Rändern zwar noch immer die Ziegen grasten, auf der aber immerhin Spitzengeschwindigkeiten von bis zu achtzig Stundenkilometern möglich waren. In einem so schnellen Gefährt sitzend hatte ich die Landschaft Uttar Pradeshs noch nie gesehen. Wie ein impressionistisches Gemälde, dessen Details an den Rändern verschwammen, huschte sie vorbei – eine flache Landschaft zwischen Verbuschung und Kultivierung, Heimat von insgesamt fast zweihundert Millionen Menschen im größten Bundesstaat der Indischen Union. Weite Felder, auf denen Menschen Salatköpfe zählten, überall Straßenarbeiten, aufgerissener Lehmboden, dann wieder lang gezogene Dörfer, die der Bus ohne anzuhalten durchraste – das war das ländliche Uttar Pradesh, das sich als eine flache Ebene über etwa 230.000 Quadratkilometer im indischen Norden erstreckte.

      Nach drei Fahrtstunden war die Busfahrt in Faizerbad zu Ende, und ich stieg in ein Tempo, um nach Ayodhya zu gelangen. Ein Tempo trägt seinen Namen natürlich nur als Euphemismus - in Wahrheit handelt es sich um die Kollektivvariante einer Rikscha, die mit der doppelten Sitzfläche ein vierfaches Passagieraufkommen bewältigt. In dem Tempo, das mich von Faizerbad in das nur neun Kilometer entfernte Ayodhya bringen sollte, saßen bereits zehn Personen und ein Huhn. Zuunterst hockten auf der schmalen Pritsche drei würdige Matronen, auf ihnen vier Kinder und das besagte Huhn – neben ihnen drei Jugendliche, die je einen Teil ihres Hinterns aus dem Fenster heraushängen ließen und nur mit je einer Hinterbacke Kontakt zur Sitzfläche hielten. Ich hasse Tempos nicht so sehr wegen ihrer Enge, sondern weil man im Falle eines Unfalls in einem solchen Gedränge praktisch keine Überlebenschance besitzt. Außerdem ist für einen Westtouristen das Einsparpotenzial im Vergleich zu einer gewöhnlichen Rikscha nicht der Rede wert, allerdings befanden sich in Faizerbad die normalen Rikschas offenbar alle anderswo, sodass ich mich wohl oder übel in das offene Tempo-Fahrerhaus neben den Fahrer und seinen Kumpel quetschte.

      Auf den ersten Blick sah es in Ayodhya nicht anders aus als in den meisten indischen Großstädten, die ich bis dahin besucht hatte. Für indische Verhältnisse handelte es sich sogar nur um eine relativ kleine Stadt - gerade einmal 40.000 Menschen lebten hier am Sarayu River. Ohrenbetäubender Lärm, Hupattacken, Staub und Hitze, Menschenmassen – zunächst das gewohnte Bühnenbild indischer Urbanität. Erst auf den zweiten Blick erkannte ich, dass Ayodhya anders war als andere Orte: Es gab kaum Banken, wenig Geschäftshäuser, dafür unzählige Pilger, die allein oder in Gruppen durch die Gassen gingen. Ich sah Bettler, Sadhus, Götterschreine und jede Menge Devotionalienbuden mit Skulpturen in allen Farben und Lebensgrößen. Ich befand mich in einer heiligen Stadt.

      Natürlich gibt es in Indien jede Menge heiliger Städte. Heilig sind die vier Achsenstädte Rameswaram in Tamil Nadu, Puri in Orissa, Dwarka in Gujarat und Badrinath im Himalaja. In Allahabad, Haridwar, Ujjain und Nasik wird alle zwölf Jahre die Kumbh Mela gefeiert, das Fest des Kruges, und selbstverständlich sind auch diese Städte heilig. Daneben pilgern die Inder zusätzlich zu jenen Städten, die zu einer bestimmten Gottheit in einer besonderen Beziehung stehen – allen voran nach Varanasi, der heiligen Stadt Lord Shivas.

      Längst nicht jedem Gott ist eine heilige Stadt zugeordnet, dafür gibt es einfach viel zu viele Götter. In der indischen Kolonialzeit wurde behauptet, es seien 330 Millionen, womit damals auf jeden Inder ein Gott gekommen wäre, was für das westliche Gemüt verwirrend ist, aber mehr als alles andere verdeutlicht, dass es sich mit den indischen Göttern ganz anders verhält als mit Jahwe, Jesus oder Allah. Vielleicht ist Ganesha auch deswegen bei den Touristen so beliebt, weil man ihn unter so vielen Göttern an seinem Elefantenrüssel immer unzweideutig identifizieren kann. Ganz anders verhält es sich zum Beispiel mit Vishnu, der neben Shiva alles überragenden Göttergestalt des Hinduismus. Vishnu ist der Schöpfer und Erretter der Welt, so liest man es immer wieder, aber wenn man der Überlieferung glauben darf, dann tat er das bereits sehr oft in den unterschiedlichsten Inkarnationen. In seinen ersten drei Inkarnationen erschien Vishnu in Tiergestalt auf der Erde. Als Fisch zog er vor der Erschaffung der Welt die große Arche, als Schildkröte

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