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sagt Pam. »Aber man erreicht den Aufzug nicht ebenerdig und ich habe oft den Kinderwagen dabei.«

      Im Souterrain befinden sich dafür Räume, sagt der Mann, und es klingt so mitleidig, als würde sie über eine Zikadenhochzeit reden. Sie wird keine Frage mehr stellen. Auch unter der Treppe ist genug Platz, wie sie selbst sehen konnte.

      Agentur ArtHill

      In der Agentur schaut Eitel Berg bei Pamela Eders vorbei und bittet sie in sein Büro. Pam arbeitet gern in Eitels Agentur. Eitel hat mit ihrer Mutter studiert und deshalb kennt sie die hellen wie auch die dunklen Seiten seines nicht mehr jungen Lebens. Eine Vorstellung von dem, was ihm passiert ist, hat sie nicht. Manchmal ist Eitel wie ein Vater zu ihr. In letzter Zeit aber ist er merkwürdig geworden. Schon beim Umzug in ihre neue Wohnung, wobei er und Edís’ Kollege Thomas geholfen hatten, war ihr Eitels Interesse für die Bewohner des Hauses aufgefallen. Besonders für Brauner, den Besitzer der Immobilie, fand er seltsame Worte: Selbst wenn Brauner der einzige Mitbewohner sei, auf ihn passe «honorig» nicht. Das wisse er und es wüssten einige andere Menschen dieser Stadt.

      Pams Mutter erzählte einmal von Repressalien, die Eitel hat erdulden müssen, weil er die DDR verlassen wollte. Auch wenn sein Weltbild gelegentlich zur Schwarz-Weiß-Malerei tendiert, heute ist er einer, der mittlerweile seinem einstigen Idol Kapitalismus so ziemlich jede Sauerei zutraut.

      Als sie durch die Tür zum Chefzimmer tritt, gibt ihr Eitel den Wink, die Tür hinter sich zu schließen. Es ist nur Dana noch da. Die aber sortiert im Vorraum einen Stapel Kopien.

      »Hast du dich schon eingelebt in diesem … ehrbaren Haus?«

      Sie spürt sein Stocken und es bleibt der Nachhall in der Luft, wie die Verheißung naher Rache. Genau das gefällt Pam nicht. Über das Haus zu urteilen, dazu hat Eitel kein Recht.

      »Wie man es nimmt. Alles hat zwei Seiten.« Sie lächelt. Es fällt ihr nie schwer, eine Erkenntnis zuzugeben. Und das von den honorigen Mietern sieht sie inzwischen etwas anders. »Ständig meckert dieser Richter a.D., diese moralische Instanz, an uns herum. An mir. Der Kinderwagen steht im Wege. Das Auto darf nicht vor seinem Fenster stehen. Nicht einmal den Abtreter vor unserer Tür gestattet er.«

      Eitel reißt seine Augen auf, belässt es aber bei dieser einen Reaktion.

      »Es sind schon merkwürdige Leute. Ein adliger Herr von und zu geht ständig mit Stock und Hut und selten ohne Fliege. Aber …«, sie lächelt schuldbewusst, »dem tun wir wohl unrecht. Edís hat ihn mit einem seiner Enkel gesehen. Offenbar ein liebevoller Großvater. Tja, man weiß nie, was in einem Menschen vorgeht.«

      »Wie wahr«, sagt Eitel Berg. Solange er seinen Rechner schließt, murmelt er etwas vor sich hin, was Pam kaum hört. Den Sinn kann sie ohnedies nicht entschlüsseln: Die Haut unter dem weißem Fell des Eisbären ist schwarz, die Milch der schwarzen Kuh ist weiß.

      Weil Pam nichts erwidert fragt Eitel direkt:

      »Und die anderen?«

      Pam zieht die Schultern an. Eitels Interesse an ihrem Leben wäre wohltuend, aber da bleibt das Unterschwellige in seiner Fragerei. Irgendetwas muss mit diesem Brauner oder mit alten Zeiten zu tun haben. Eitel Berg und dieser Brauner könnten im gleichen Alter sein. Zu Gesicht hat sie den Hausbesitzer noch nie bekommen.

      »Alle kenne ich noch nicht. «

      Eitel ändert abrupt seine Miene und ebenso das Thema: » Wann können wir zur Hochzeit gratulieren?«

      Pam schaut für einen Moment auf ihre Füße. Sie weiß, dass niemand es versteht, warum sie nicht heiraten.

      »Ich kann Edís nicht zwingen, Eders zu heißen. Und Jane nicht, el Sahib. Du weißt doch – Kinder mit Migrationshintergrund. Ausgrenzung ist kein schönes Gefühl.«

      »Das gibt sich eines Tages …«

      »Du Optimist. Die Türken leben schon fünfzig Jahre in diesem Land. Wir hätten diese Wohnung nie bekommen, wäre ich mit Edís dort aufgekreuzt. «

      Eitel nickt und kommt endlich zum eigentlichen Anlass.

      Am Ende der Zeit weiß Pam, dass sie ab sofort Artdirektorin der in Gründung befindlichen Agentur «ArtHill» ist. Es sei sowieso effektiver, wenn bei einer so kleinen Agentur Text und Gestaltung in einer Hand lägen und die letzten Projekte hätten bewiesen, dass sie mehr kann, als bisher von ihr verlangt wurde. Pam wusste von Eitels Plänen der Namensgebung. Hill — eine Ableitung seines Namens aus dem Englischen. Sie hätte lieber einen deutschen Namen gehabt, aber Eitel ist der Chef. Dana Schiller werde er zur Layouterin ernennen und später über eine Neueinstellung nachdenken.

      »Ihr seid beide noch jung und könnt noch viel im Leben erreichen.« Pam errötet.

      »Ich glaube, für die Funktion bin ich …zu sehr bauchgesteuert.«

      »Du weißt wie ich darüber denke.«

      »Ja. Ein Werbemensch ist kein Uhrmacher, der genau erklären kann, warum seine Uhr tickt — oder auch nicht.«

      »Der Uhrmacher kann es beweisen«, sagt er in der Art eines Schulmeisters. »Werbung funktioniert anders. Wir gewinnen Kundenaufträge, weil wir gut sind – Oder – Wir verlieren Kundenaufträge, obwohl wir gut sind. Lust und Frust liegen nirgendwo dichter beieinander. Verlass dich ruhig auf dein Bauchgefühl. Manches ist nicht erlernbar – aber du kannst das, wie ich sehen konnte. Erfolg hat etwas mit ahnen zu tun. Dein Gespür ist wertvoller als jede langwierige Marktforschung.«

      Er blickt sie wohlwollend an, so, als habe er sich darauf gefreut, es ihr endlich zu sagen. Pam kann vor lauter Demut kein Wort mehr beisteuern.

      »Noch etwas«, fügt er sehr väterlich hinzu, »glaube an den Menschen schlechthin, für den machen wir Werbung, nicht für den gewinnorientierten Unternehmer.«

      Gewöhnlich sagt Eitel in diesem Momenten: Und grüß’ deine Mutter von mir. Heute ist alles ein bisschen anders.

      In der ersten Abstimmung schon ein paar Tage später erhält sie den Auftrag, ein ähnliches Storyboard zu erarbeiten, wie sie es für Hochstädter & Lange abgeliefert hat, nur eben diesmal für ein Geldinstitut. Eitel träumt von einer simplen Rechenaufgabe, die auch für Kinder ansprechend wäre. Pam nickt, kann aber die Bemerkung nicht zurückhalten.

      »Kinder haben von der Schule die Nase voll. Und von Begriffen wie Sparen halten die gar nichts.«

      »Wovon, glaubst du, halten die was? Von Computerspielen vielleicht?«

      »Vielleicht.« Sie legt ihre Hand auf die Computermaus und setzt ein Lächeln auf, das selbst einen Suizidgefährdeten retten würde. »Von Mäusen ganz bestimmt.«

      »Woher willst du das wissen?«

      Das Lächeln bleibt. »Wer gute Aussichten auf Erfolg hat, sollte tunlichst die Weite seines Horizontes verschweigen.«

      »Na, na«, mokiert Eitel, »dass dir der Aufstieg bloß nicht in den Kopf steigt!«

      »Wenn etwas in den Kopf steigt, kann man davon ausgehen, dass einem zuvor das Herz übergelaufen ist.«

      Pam sagt Eitel nicht, dass sie ein Storyboard im Kopf hat, eines, das schon lange nach seiner Bestimmung sucht.

      »Er – Sie – Es, heißt das Produkt. Eine kombinierte Anlageform – Familiensparen«, sagt sie zu Dana, die unschlüssig die Formel beguckt. Die dralle Frau nickt beiläufig. Es ist nicht ihr Auftrag. Mit gespreizten Fingern streicht sie ihr Haar aus der Stirn:

      »Für wen machen wir das?«

      »NOVO-Bank«, fasst sich Pam kurz.

      Mit heruntergezogenen Mundwinkeln prüft Dana, ob die Kuchenstücke auf ihrem Teller noch frisch sind. Derweil kritzelt Pam versonnen auf dem Papier herum. Sie malt eine Bank — eine Parkbank. Doch zuerst will sie Eitels Vorschlag nicht unbeachtet lassen. So einfach aber ist es nicht, kreativ zu sein.

      »Zuwachssparen«,

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