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genügt erst einmal eine ganz einfache Vorstellung: Sie stehen in der Küche und bereiten das Mittagessen vor (oder Sie sitzen an Ihrem Computer und schreiben etwas). Plötzlich öffnet sich die Tür und ein Leopard springt ins Zimmer. Welche Möglichkeiten haben Sie nun? Bevor Sie reagieren, bewerten Sie blitzschnell die Situation. Es gibt zwei Sichtweisen für diese Situation:

      Sie kennen den Leoparden, weil Sie ihn von Geburt an mit der Flasche aufgezogen haben. Sie freuen sich nun, dass er Sie wieder einmal besucht. Sie reagieren nicht hektisch, sondern vertraut. Jeder andere würde nun denken, dass Sie kein Raubkatzendompteur sind und der Leopard für Sie eine lebensbedrohliche Gefahr darstellt. Als bedrohter Mensch bleiben Ihnen nun zwei Möglichkeiten: Sie können vor dem Leoparden weglaufen oder Sie kämpfen mit ihm.

      Man bezeichnet das als Fight-of-Flight-Zustand. Der aktiviert sich in unserem Körper immer dann, wenn wir einer Bedrohung gegenüber stehen. Spontan aktivieren sich alle Kräfte im Körper auf Fliehen oder Kämpfen. Die Nebennierenrinde setzt die Stresshormone Adrenalin, Kortisol und Noradrenalin frei. Sie gelangen in unseren Blutkreislauf und schrauben alle Funktionen hoch, die dazu geeignet sind, zu fliehen oder zu kämpfen, zum Beispiel:

       Unsere Schmerztoleranz steigt an, um nicht im Kampf oder auf der Flucht von kleinen nebensächlichen Schmerzen abgelenkt zu werden.

       Unsere Blutgerinnung im Körper erhöht sich, um Verletzungen schneller abheilen zu lassen, die wir uns im Kampf oder auf der Flucht zuziehen.

       Unser Blutzuckerspiegel steigt. So setzt sich Energie für die Muskeln schneller frei. Erhöhte Herzfrequenz und ein erhöhter Blutdruck unterstützen das außerdem.

       Die Grundanspannung unserer Muskeln steigt. Sie sind im wahrsten Sinne des Wortes angespannt. So ist es bis zur wirklichen Anspannung der Muskeln, wie sie beim Kämpfen oder Fliehen nötig ist, nicht mehr weit und sie brauchen nicht den weiten Weg von der absoluten Entspannung hin zur notwendigen Anspannung, sie stehen quasi schon auf „Hab acht!“

       Vielen Menschen wird bei Aufregung schlecht; sie bekommen Durchfall und/oder schwitzen. Damit werfen sie Ballast ab, den man für Flucht oder Kampf nicht braucht. Ist man nämlich leichter, kann man besser fliehen oder kämpfen.

      Der Körper reduziert nun außerdem alle unnötigen Reaktionen. Wären wir überlastet, würden wir im Anblick des Leoparden vielleicht sofort tot umfallen. Deshalb die Frage: Was benötigen wir also nicht, wenn wir aufgeregt sind?

       Hunger oder Verdauung sind nicht nötig. Ein Hungergefühl im Anblick des Raubtieres wäre purer Luxus. Sie haben ohnehin keine Zeit, sich etwas Essbares zu besorgen, wenn der Leopard vor Ihnen steht.

       Sexuelle Erregung ist absolut unnütz in dieser Situation.

       Sie müssen nicht mehr groß nachdenken, sondern nur noch fliehen oder kämpfen. Daher leidet in einer solchen Situation Ihre komplexe Denkfähigkeit.

      Warum all diese Beispiele?

       Bei Lampenfieber läuft in Ihrem Körper genau der gleiche Prozess ab!

      

      Denn die meisten Menschen halten Zuhörer genauso gefährlich wie wilde Tiere. Man muss also wissen, welche Dinge einsetzen, wenn Lampenfieber auftritt. Dann kann man auch eher verstehen, warum wir uns in bestimmten Situationen so verhalten. So findet man nämlich auch Ansätze, Lampenfieber zu bekämpfen.

      Grundsätzlich ist zwar Lampenfieber nicht schlimm, kann aber in bestimmten Situationen schlimme Folgen haben.

      Stellen Sie sich den Verkäufer vor, der ein Kundengespräch vermasselt. Der wird nicht viel verkaufen. Wenn er auf Provisionsbasis arbeitet, kann er kaum seine Familie ernähren. Das ist dann schon existenzbedrohend.

      Oder nehmen Sie den Politiker, der in seinen Auftritten unglücklich wirkt, unsicher ist. Der wird selten Wahlen gewinnen und ist schnell aus dem Geschäft.

      Die Operndiva, die auf der Bühne eine Arie nach der anderen vergeigt, mag noch so gut singen, aber engagiert wird sie wohl kaum.

      Der Wirtschaftsmanager, der die hervorragende Bilanz seines Unternehmens schweißgebadet im Blitzlichtgewitter der Kameras unsicher vorträgt, wird den Aktienkurs seiner Firma eher negativ beeinflussen.

      Schauspieler, die ihre Auftritte verhaspeln, verärgern den Regisseur und Produzenten, die jede Szene zehn- oder zwanzigmal abdrehen lassen müssen.

      Lehrer, die vor Schülern den Unterrichtsstoff nicht souverän erklären können, sind Langweiler und bringen kaum etwas bei.

      Schüler und Studenten in einer mündlichen Prüfung, denen plötzlich nichts mehr einfällt und ihre Stimme versagt. Sie werden schlecht benotet, obwohl sie in ihrem Fachgebiet sehr bewandert sind.

      Lampenfieber ist zwar nicht schlimm – und doch! Man stirbt zwar davon nicht, aber es kann in sehr unglücklichen Fällen sogar die Existenz bedrohen.

      Vielfach wird Lampenfieber mit Redeangst gleich gesetzt. Was ist aber der Unterschied genau? Lampenfieber umfasst viel mehr Situationen auf der Bühne, im täglichen Leben oder im Berufsleben. Eine bekannte Personal-Trainerin hat einmal gesagt: „Im Vergleich zur Redeangst, die einem schweren grippalen Infekt gleichkommt, der uns niederstreckt und sogar handlungsunfähig macht, ist Lampenfieber nur ein leichter Schnupfen: lästig, aber erträglich.“ Man spüre beim Lampenfieber lediglich eine leichte Nervosität und Unruhe, eine innerliche Anspannung, ein gewisses Aufgeregtsein oder Schmetterlinge im Bauch mit vielleicht feuchten oder kalten Händen.

      Dagegen blockiert uns die Redeangst total und schadet uns sogar. Lampenfieber kann dagegen auch durchaus hilfreich sein. Ein leichter Adrenalinstoß, der aktiviert und motiviert. Lampenfieber schärft unsere Sinne und die Konzentration. Der Adrenalinstoß hilft, unser Bestes zu geben. Positive Energie steckt in ihm, die wir nutzen können. Deshalb ist Lampenfieber nützlich.

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