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auf die Schulter.

      „Sag nicht ‚Hey Alter‘ zu mir“, fuhr Lukas ihn an.

      Erschrocken wich der andere zurück. „Was hat Dich denn gebissen?“

      „So haben mich vor ‘ner halben Stunde drei Typen auf dem U-Bahnhof angemacht“, antwortete Lukas. „Die wollten mir an die Wäsche.“

      Mehmet grinste. „Offensichtlich haben sie’s aber nicht geschafft“, stellte er fest. „Hast Du sie platt gemacht?“

      Lukas schüttelte den Kopf. „Nee, abgehauen. Zum Glück kam gerade ‘ne Bahn. In die bin ich rein, und ab dafür. Platt machen hätt ich die auch gar nicht können, wenn die zu dritt ankommen.“

      Mehmet traute sich wieder vor und gab Lukas einen weiteren Klaps auf die Schulter. „Na, jetzt komm erstmal rein, Alter. Ich geb einen aus, damit Du wieder runterkommst.“

      Grinsend boxte Lukas seinen Mitbewohner vor die Brust. „Okay, Alter, das is dochmal ‘n Wort.“

      Mehmet legte ihm den Arm um die Schultern und zog ihn mit sich in sein Zimmer.

      ***

      Adrians Martyrium begann am Montag der zweiten Ferienwoche. Sein Vater hatte es ernst gemeint mit dem ‚Ferienpraktikum‘, das er ihm verschrieben hatte. Natürlich hatte er es ernst gemeint, sein Vater sagte nie etwas im Spaß. So begleitete Adrian ihn dann hinaus nach Fuhlsbüttel zu dem gemieteten Business-Jet, der sie beide nach London zu der ersten Besprechung dieser Woche bringen sollte.

      Sie landeten eine gute Stunde später auf dem ‚London-City Airport‘. Alles war perfekt organisiert. Eine Limousine wartete am Flugzeug, daneben ein Beamter der Zollbehörde, der einen flüchtigen Blick auf die Pässe warf, und fünfundvierzig Minuten später betraten sie den Konferenzraum der Bank, in dem die Besprechung stattfinden sollte. Die anderen Teilnehmer hatten sich bereits versammelt.

      Worum es bei dieser Besprechung eigentlich ging, vermochte Adrian nur unzureichend zu entschlüsseln. Trotzdem machte er sich eifrig Notizen, denn sein Vater hatte ihm ja aufgegeben, Berichte zu schreiben. Die Sitzung dauerte den ganzen Tag, und sie war ermüdend. Vor allem, wenn man nicht recht begriff, was der Gegenstand der Besprechung war. Aber Adrian bemühte sich nach Kräften, in seiner Aufmerksamkeit nicht nachzulassen. Dennoch konnte er am Ende nicht behaupten, wesentlich klüger geworden zu sein.

      Vor allem aber war er müde und ausgelaugt. So war er dann auch dankbar darum, daß sein Vater weder auf der Fahrt zum Flughafen noch während des nachfolgenden Fluges eine Unterhaltung mit ihm anfing. Er wollte einfach nur noch ins Bett. Denn am nächsten Morgen würde es weitergehen. Frankfurt stand auf dem Programm und am Nachmittag Genf. Wo sie auch übernachten würden. Um dann am nächsten Tag nach Hongkong zu fliegen.

      Ja, Adrian kam in der Welt herum während dieser Sommerferien. Europa; Asien, Amerika, und immer erster Klasse. Darum konnte man ihn schon beneiden. Nicht mehr allerdings, wenn man die näheren Umstände dieser Reisen ins Kalkül einbezog. Wobei die Strapazen der eigentlichen Reise weniger schwer ins Gewicht fielen als die, die der Vater dem Sohn bereitete. Er sorgte dafür, daß Adrian ständig unter Strom stand und kaum eine ruhige Stunde für sich hatte.

      Hongkong, Singapore, New York, London, Zürich, von diesen Städten sah er so gut wie nichts. Lediglich die Flughäfen, die sich ebenso ähnelten wie die Konferenzräume der Banken, in denen sie ihre Tage verbrachten.

      Und bei jeder Besprechung mußte er dabei sein. Gleichgültig, welches Thema verhandelt wurde. Lediglich wenn heikle Personalien zu Sprache kamen, wurde er hinausgeschickt. Sein Vater erledigte das durch die Andeutung einer Kopfbewegung, mit der er ihn veranlaßte, still und unauffällig den Raum zu verlassen. Ansonsten saß er als stummer Beobachter dabei und mühte sich nach Kräften, herauszufinden, um was es ging. Eines war jedenfalls sicher: Bei all diesen Zusammenkünften ging es um Geld, um viel Geld. Und bei allen gab der Vater den Ton an. Er war ein mächtiger Mann, und viele fürchteten sich vor ihm. Es war ihm irgendwie ein Trost, daß er mit dieser Furcht nicht alleine war.

      ***

      Dann war es zu Ende.

      Als er das letzte Mal aus dem Privatjet stieg, war er nicht mehr der strahlende, selbstbewußte, junge Mann, der er zu Beginn der Ferien gewesen war. Nie hätte er geglaubt, daß er je einmal das Ende der Sommerferien herbeisehnen und sich auf die Schule freuen würde. Doch es war so.

      Und er freute sich auf Bellinda. Gleich morgen würde er zu ihr gehen. Morgen, nicht mehr heute. Dazu war er einfach zu müde. Er entschuldigte sich zum Abendessen, ging nach oben in sein Schlafzimmer, wo er sich sofort ins Bett legte und durchschlief bis weit in den nächsten Morgen hinein.

      Den folgenden Vormittag brauchte er, um sich einigermaßen wieder zu regenerieren und zu restaurieren. Dann machte er sich auf den Weg zu Bellindas Appartment in Pöseldorf.

      Bellinda öffnete ihm die Tür, bekleidet mit einem Bademantel, den sie in der Eile anscheinend nicht hatte zubinden können und den sie nun nur mühsam vorne zusammenhielt.

      „Adrian!“, rief sie, offensichtlich vollkommen überrascht. „Was willst Du denn hier?“

      Als sie daraufhin den Bademantel losließ, sah er, daß sie nichts darunter trug.

      „Na, das ist ja mal ‘n Empfang“, antwortete er grinsend und ging an ihr vorbei in die Wohnung.

      Durch die offene Schlafzimmertür sah er dann einen jungen Mann, der auf dem breiten Doppelbett ausgestreckt lag. Splitternackt. Schockiert drehte er sich zu seiner Freundin um. Doch die zeigte keine Spur von Verlegenheit.

      „Tja, so ist das, Adrian“, sagte sie in einem unverfänglichen Plauderton. „Eigentlich wollte ich’s Dir schonend beibringen. Aber jetzt hast Du’s eben so erfahren. Ich konnte ja nicht ahnen, daß Du hier einfach so unangemeldet auftauchst.“

      Adrian sah zwischen Bellinda und dem jungen Mann auf dem Bett hin und her. „Was soll das heißen?“ fragte er, halb verwirrt, halb ungläubig.

      „Na, was denkst Du denn, was es heißt“, antwortete sie. „Du bist doch sonst nicht so schwer von Begriff.“

      Nein, schwer von Begriff war er in der Tat nicht. Nur noch Bellindas letzte Bemerkung hatte er gebraucht, um sein Begreifen endgültig zu bestätigen. Er machte auf dem Absatz kehrt und stürmte aus der Wohnung. Die Wohnungstür ließ er offen.

      Vor dem Haus, auf der Straße, blieb er stehen, um sich darüber vollends klar zu werden, was da gerade passiert war: Seine Freundin seit dem Babyalter war ganz offensichtlich seine Freundin nicht mehr. Die erzwungene und von ihnen beiden nicht geplante und gewollte Trennung während der Sommerferien hatte genügt, sie sich anderweitig orientieren zu lassen. Diese Erkenntnis und auch die Konsequenzen daraus trafen ihn mit voller Wucht, während er nach Hause schlich wie ein geprügelter Hund.

      In der folgenden Nacht begriff Adrian Graf von Molzberg, was Trauer und Schmerz bedeuteten, und er lernte das Weinen. Die Sommerferien hatten sich für ihn zum Desaster entwickelt.

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