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geführt werde.

      Die Mitarbeiterin informierte uns, dass unser Anliegen eine Ausnahmegenehmigung seitens des Staates erfordere und dieser genau zu prüfen habe ob und wann er diese Genehmigung erteilen werde. Das hatten wir schon vor über einer Woche gehört.

      Wir wurden einzeln nach unseren Beweggründen gefragt. Zuerst die Frage an Gabi, warum sie zur Pflege ihrer Mutter denn ausreisen müsse, die Mutter könne ja herkommen. Gabi erwiderte: “Das würde sie nicht tun. Hier bekam sie 360,- Mark Rente und jetzt hat sie 1600,- DM. Zum anderen befindet sie sich in ihrer Heimat bei ihren übrigen Verwandten und Freunden“.

      Ruhe, kein weiteres Nachhaken in diese Richtung. Gabi brachte zum Ausdruck, dass sie vom Staat mehr Toleranz erwarte. Sie konnte bis jetzt dreimal ihre Mutter in West-Berlin besuchen, die Anträge ihrer zwanzig Jahre älteren Schwester wurden aber ständig abgelehnt, obwohl auch diese sich nichts zuschulden kommen ließ und verantwortungsbewusste Kinder erzogen habe.

      Mandy wurde gefragt, warum sie denn mitwolle. Sie erwiderte, es sei wohl das Natürlichste, dass sie mit den Eltern ginge. Die Entgegnung unserer Gegenüber, ob denn die Bindung zu den Eltern so stark sei, beschwor Mandys Widerspruch und Verständnislosigkeit herauf. Sie erwiderte spontan: „Das ist doch wohl selbstverständlich, dass ich zu meinen Eltern halte. Wir haben ein sehr gutes Verhältnis zueinander“.

      „Das ist aber nicht in jedem Fall so, wir haben da schon ganz andere Verhältnisse erlebt“, war die Entgegnung.

      Allgemein wurde nur das gefragt, was wir bereits schriftlich dargelegt hatten. Ich unterstrich wiederholt, dass ich zu einer Überzeugung gekommen sei, die sich nicht mit der staatlichen Meinungsbildung in Einklang bringen ließe und ich mich in einem Stadium befände, in dem ich Gefahr laufe, mit den geschriebenen ideologischen Gesetzen zu kollidieren.

      Die Mitarbeiterin versicherte: „Hier können Sie alles sagen“.

      Meine Gegenfrage: „Warum nur hier?“ bewirkte Stille.

      Auf meinen Hinweis der Kenntnis der Zustände des westlichen Auslandes und meiner Beweggründe, dass ich u.a. nicht in meinem eigentlichen Beruf arbeiten könne, weder in der DDR noch in anderen Land der sozialistischen Staatengemeinschaft, fragte sie: „Würden sie auch den Antrag gestellt haben, wenn sie keine Ablehnung von der Seereederei bekommen hätten?“

      Ich entgegnete, dass ich darauf keine Antwort geben könne, da man die gesamte Entwicklung komplex sehen müsse.

      „Na, lösen sie sich doch mal von dieser Gesamtsicht und versuchen die Sache allein zu betrachten“.

      „Das kann man nicht, das ist unmöglich“, war meine Entgegnung.

      Ich versuchte ihr klar zu machen, dass es sich bei unserer Meinungsbildung um einen langen Prozess handele und dass dieser Prozess einen fundierten Standpunkt erzeugt hätte, die Ursachen zum großen Teil in der Intoleranz dieses Staates begründet seien.

      Sie warf ein, dass ein Staat mit den von uns geforderten Toleranzen nicht existieren könne.

      Gabi erwiderte: “ In der Bundesrepublik geht es ja.“

      „Man sieht ja wie“, erwiderte die Gesprächsleiterin.

      „Eben“, ergänzte Gabi.

      Da steht Meinung gegen Meinung, brachte ich sinngemäß zum Ausdruck – aussichtslos.

      Die Gesprächsführerin fragte Gabi noch, ob sie bei ihren Reisen nach Westberlin zu der Überzeugung gekommen sei, dass sie dort eine Zukunft habe. Ein eindeutiges ‚Ja‘ war die Antwort.

      Bereits die Tatsache diesbezüglicher Vorladung benannte ich als weiteren Grund hierfür.

      Nach dreißigminütiger Befragung und Darlegung unseres Standpunktes eröffnete uns die Gesprächsführerin, dass in etwa sechs Wochen ein weiteres Gespräch angesetzt werde. Ich betonte nochmals, dass es sich bei unserem Entschluss um eine fundierte Entscheidung handele und es kein Zurück mehr gäbe.

      Im Betrieb sollte nun zehn Tage nach Antragstellung eine Entscheidung fallen. Der dicke Müller hatte sich bei Fleczok angesagt.

      Nachdem der Kaderleiter beim Technischen Direktor vorgesprochen hatte, rief dieser mich an und fragte: „Wie ist die Bezeichnung ihres Ausreiseantrages, wie haben sie das in der Überschrift genannt?“

      Ich wiederholte ihm die Überschrift in den einzelnen Teilpunkten. Als ich sagte „Entlassung aus der Staatbürgerschaft der DDR“ meinte er: „Ja, das war’s, Entlassung. – Na danke schön, wir sprechen uns nachher noch einmal. Der Müller war beim Rat und besteht darauf, dass wir nicht so lange warten können, bis ihre Vertretung am 7.11. vom Fernstudium zurück ist. Wir sprechen uns um 10:00 Uhr“ und dann legte er auf.

      Heini Renner, meinem Mitarbeiter, hatte ich früh unseren Entschluss mitgeteilt und versucht ihm diesen annähernd zu erläutern.

      Er sagte nur: „ Du bist verrückt!“

      Ich wollte nur dass sie Bescheid wissen, dem Thomas hatte ich es vor seinem Fernstudium bereits gesagt.

      Heini vertraute mir an, dass Thomas bereits seit meinem Parteiaustritt heimlich damit rechnete meinen Posten einzunehmen.

      „Na, soll‘n sie mal machen, bei dieser Aufgabe überschätz er sich“, war Heinis Kommentar.

      Genau um 10:00 Uhr meldete ich mich beim Technischen Direktor, dem Kollegen Fleczok. Mit dabei war Kaderleiter Müller. Vor Kollege Müller lagen meine Personalunterlagen, die er mit der Masse seines Körpers sicherte.

      Fleczok teilte mir mit kurzen Worten mit, dass es sich um eine Kaderaussprache handele - als ob ich das nicht wüsste.

      Wir warteten noch einige Minuten, bis Kollegin Wanski als Vorsitzende der Gewerkschaftsleitung hinzukam. Kollege Fleczok verlas in seiner Funktion des Betriebsdirektors den Sachverhalt.

      Er drückte sein Bedauern aus, dass ich diesen Schritt unternommen habe, hiermit die Funktion des Haupttechnologen aber nicht mehr bekleiden könne.

      „Mit sofortiger Wirkung sind sie ihres Postens enthoben und werden weiter als Mitarbeiter Technologie die Gesamtproblematik der neuen Kanalschubschiffe KSS 24 bearbeiten“, eröffnete er mir.

      Es handelte sich annähernd um die Aufgaben, die ich als Gruppenleiter bei meiner Einstellung im Betrieb verfolgte, nur etwas eingegrenzter.

      Finanziell trat eine Verschlechterung ein. Ab ersten November war die HF-3-Obergrenze mit 1400 Mark festgelegt, 250 Mark weniger als bisher.

      „Wir werden bemüht sein ihren Entschluss zu revidieren, damit sie uns erhalten bleiben“, fügte Kollege Fleczok hinzu. „Sie werden mit sofortiger Wirkung VD – entpflichtet und haben bis übermorgen eine vollständige Übergabe der Abteilung an den Technischen Direktor zu vollziehen. Vorläufig wird Kollege Gutsch die Funktion des Haupttechnologen wahrnehmen.“

      Im Anschluss an das Gespräch wurden die Mitarbeiter der Abteilung hinzugezogen und ihnen die Sachlage dargelegt.

      Als das erledigt war, nahm ich alle in meinem Büro zusammen. Andrea kochte Kaffee und ich erklärte, um Vermutungen und Gerüchten vorzubeugen sowie die Bestürzung abzubauen, meine persönliche Entscheidung, wobei ich feststellte, dass die Bestürzung bei allen echt war. Die Hoffnung, dass wir auch weiterhin gut harmonieren werden, jetzt als gleichberechtigter Partner, legte ich ihnen nahe.

      Alle Kollegen waren augenscheinlich von einer Portion Unwohlsein befallen. Ein Gefühl, das die Frage aufwarf, was für ein Mensch wird der neue Haupttechnologe sein. Nach allen Geschehnissen sicherlich ideologisch ‚einwandfrei‘.

      Noch ehe die Neuigkeit in meinem Arbeitsbereich voll bekannt war, verbreitete sich die Tatsache schlagartig in der nahegelegenen Werft Stralau. ‚Der Haupttechnologe hat die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit und die Ausreise nach Westberlin beantragt‘, hörte man allerorts.

      In meiner Position und vorheriger Privilegierung mit der zwanzigjährigen Seefahrtzeit, also Kenntnis der Materie Ost und West, bedeutete diese Nachricht eine Sensation und fand blitzartige

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