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da war er sicher. Und er als alleinerziehender Vater mit drei Kindern?

      Das Telefon unterbrach seine Gedanken. Bastorf meldete sich wieder und wirkte irgendwie verunsichert.

      „Herr Hauptkommissar, die Sache ist etwas undurchsichtig.“

      „Aha, inwiefern?“

      „Wir haben hier nichts mehr zum Fall Maurischat.“

      „Wie kann das sein?“

      Bastorf zögerte etwas. „Das ist es ja. Eigentlich kann das gar nicht sein. Der Eingang der Sachen ist ordnungsgemäß registriert. Wenn jemand etwas entnommen hätte, müsste das im Computer festgehalten sein. Es ist dort aber keine Entnahme vermerkt.“

      „Und das heißt?“

      „Entweder die Sachen sind irgendwo an völlig falscher Stelle aufbewahrt. Aber das ist in meiner Zeit, also seit dreizehn Jahren, noch nie vorgekommen.“

      „Oder?“

      „Jemand hat die Sachen weggenommen, ohne dass es vermerkt wurde.“

      „Heißt im Klartext, jemand hat die Sachen einfach verschwinden lassen.“

      „So sieht es aus.“

      Tagebuch - 29.12.

      Die Geschichte mit Waldi ging noch weiter. Ich habe ihn am nächsten Tag, als Vater auf der Arbeit war, in unserem Garten begraben. Ganz hinten in der Ecke, neben dem Salat und den Tomaten. Dann habe ich zwei Zweige zu einem kleinen Kreuz zusammengebunden. Und das habe ich auf Waldis Grab gestellt. Ich habe Mama gefragt, ob Hunde in den Himmel kommen. Sie wußte es aber nicht. Erst zwei Tage später entdeckte Vater das Grab. Er war furchtbar wütend.

      Wenn man einem Hund ein Kreuz auf das Grab stellt, dann ist das Gotteslästerung, hat er gesagt. Ich wußte gar nicht genau, was das ist. Er hat mir dann befohlen, den toten Waldi wieder auszugraben und in den Mülleimer zu werfen. Da gehören diese Viecher hin, hat er gesagt. Dennoch mußte ich froh sein. Er hat mich diesmal nicht geschlagen.

      Am nächsten Tag habe ich den toten Waldi wieder aus dem Mülleimer geholt, bin in den Wald gelaufen und habe ihn dort vergraben, und das Kreuz draufgestellt.

      Vater hat das Grab nie entdeckt. Ich war sehr froh.

      Silvesternacht

      7

      Noch zwei Stunden bis zum Beginn des neuen Jahres. Vater und Sohn Travniczek waren unterwegs, um vom Philosophenweg* aus das mitternächtliche Feuerwerk über Heidelberg zu genießen. Die Luft war eiskalt, aber klar. Es war eine helle Nacht, denn der Dreiviertelmond stand am wolkenlosen Himmel über dem Königstuhl und sein Licht wurde vom Schnee tausendfältig reflektiert.

      Menschenmassen strömten nach oben. Es war, als hätte sich eine Völkerwanderung in Bewegung gesetzt. Aber trotzdem konnten sie gerade noch in Höhe der Alten Brücke* einen Platz in der vordersten Reihe ergattern.

      Sie sahen Leute, die ganze Raketenarsenale mitgebracht hatten. Schon jetzt krachten hin und wieder Böller, und vereinzelt gingen Raketen hoch. Der Alkohol floss in Strömen. Flaschen kreisten und es war laut um sie herum. Von allen Seiten hörten sie Lachen, Singen, Kreischen und Grölen.

      Die beiden Travniczeks ließen sich noch nicht von dieser Stimmung einfangen, sondern steckten die Köpfe zusammen, um sich über private Dinge zu unterhalten. Bei dem Lärm um sie herum brauchten sie nicht zu befürchten, dass jemand Fremdes mithören könnte.

      „Vadder, du machst mir echt Sorgen“, sagte Bernhard irgendwann.

      „Das ist ja ganz was Neues. Bisher gab‘s immer nur die andere Richtung“, entgegnete der Senior amüsiert.

      „Jetzt entzieh dich nicht. Ich mein das ganz ernst.“

      „Soso, und was macht dir Sorgen?“

      „Eben du. Du baust ab, bist immer öfter schlecht drauf, bist müde, tust nichts mehr in deiner Freizeit.“

      „‚Nichts mehr‘ stimmt nicht“, wehrte sich der Senior. „Ich habe gerade in den letzten Tagen sehr viel Klavier gespielt.“

      „O. k., Klavierspielen. Das ist auch so eine Autistenbeschäftigung. Aber wann hast du das letzte Mal Schach gespielt, bist in ein Konzert gegangen, hast Leute getroffen, ich meine, außer deinen lieben Kollegen?“

      Dem Alten wurde etwas mulmig. Bernhard traf genau seinen wunden Punkt. Aber zugeben konnte er das natürlich nicht, schon gar nicht vor seinem Sohn.

      „Hat sich eben nicht ergeben.“

      „Ach, Quatsch! In München warst du in einem Schachclub. Hier hast du ja noch nicht einmal einen gesucht, immer nur davon geredet.“

      „Ich habe immerhin schon ein paarmal mit Dr. Melchior gespielt. Ich werde halt auch nicht jünger.“

      „Auch Quatsch. Du bist einundfünfzig, das ist doch noch kein Alter zum Schlappmachen. Du hast einen Job, der dir Spaß macht. Also, das kann’s nicht sein. Du musst was ändern, sonst wird das richtig schlimm.“

      Bernhard machte sich ja ernsthaft Sorgen um ihn. Das rührte ihn und machte ihn froh. Doch noch konnte er seinen Sohn nicht wirklich ernst nehmen.

      „Oh, du dilettierst als Psychotherapeut? Aber sag, was meinst du da genau? Soll ich anfangen, regelmäßig zu joggen?“

      „Wär sicher auch nicht das Schlechteste. Aber du weißt genau, was ich meine.“

      „Ich? Nee.“

      „Verdammt, ich hab’s doch schon mehrmals gesagt. Du brauchst wieder ‘ne Frau.“

      „Haha, du brauchst wohl unbedingt eine neue Mama?“

      „Jetzt weichst du schon wieder aus. Mir könnte es ja eigentlich egal sein. Aber wenn ich da nichts verpasst hab, lebst du im Zölibat, seit du von München weg bist. Das kann doch nicht gutgehen. Guck dir die katholischen Priester an.“

      Jetzt sah der Alte eine Chance zum Gegenangriff.

      „Oh, was hat der Herr für eine Lebenserfahrung! Lernst du die in deinem Harem?“

      „Lass die Mädels aus dem Spiel, das ist ein anderes Problem.“

      „Natürlich, es ist deins, da ist immer alles anders.“

      „Also, wenn du jetzt aufhörst, ständig zu kneifen, verspreche ich dir, wir können später auch über meinen Harem, wie du das nennst, reden. Da kann ich ja vielleicht wirklich deinen Rat gebrauchen.“

      „Angenommen.“

      „Gut. Dann Schluss mit dem Palaver. In einer Stunde beginnt das neue Jahr. Da wird alles anders. Als Erstes suchen wir dir eine Frau.“

      „Hab ich da auch noch ein Wort mitzureden?“

      „Sicher. Natürlich darfst du sie aussuchen.“

      „Das ist ja sehr großzügig von dir.“

      „Jetzt lass die

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