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Zip und Zap auf großer Fahrt. Alexander-René Grahovac
Читать онлайн.Название Zip und Zap auf großer Fahrt
Год выпуска 0
isbn 9783847660170
Автор произведения Alexander-René Grahovac
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Allein auf dem großen Ozean
Der Morgen war strahlend, die Sonne schien warm und Zip und Zap stiegen höher und höher mit dem kräftigen Ostwind. Je höher sie kamen, desto stärker wurde der wunderbare Schiebewind und umso schneller kamen sie voran. Schon ein großes Wagnis für zwei kleine Spatzen, nun endgültig auf der großen Reise, den riesigen Atlantik vor sich. Auf Westkurs, unsere beiden mutigen Spatzen, endlich auf Generalkurs West. Die Insel verschwand im Dunst und sie jagten nur so durch die blaue Luft dahin. Übermütig mit den kleinen Flügeln schlagend, wenn sie etwas durchsackten. Bald schon war es Mittag, die Sonne brannte doch recht heiß und die beiden bekamen Durst, auch die kleinen Mägen fingen an zu knurren. Sie vermochten das Wasser gar nicht mehr zu erkennen, der Himmel über ihnen stahlblau, die Konturen verwischten sich. Anfangs waren noch ein paar Möwen zu sehen gewesen, aber in dieser Höhe - bereits mehr als 6000 Fuß über dem Meeresspiegel - gab es nichts mehr. Keine Reisenden, keine Insekten, vielleicht allenfalls mal ein Schmetterling, den der Wind erfaßt hatte und der nun seine DNS unbewußt und unfreiwillig über den Atlantik trug und dort auf der anderen Seite sicherlich für eine neue Generation von genveränderten Schmetterlingen sorgen würde .... „Zap, Zap, ich habe Hunger!“ Zap drehte den kleinen Kopf zur hinter ihm fliegenden Zip. „Dann iß was!!“ rief er in den Wind. „Und wie, bitte, soll ich das machen, ich komme doch nicht an meinen Rucksack!!??“ Zap schwieg eine Weile, flog verbissen weiter. Er hatte auch Hunger und es war ihm irgendwie gar nicht klar gewesen, daß es durchaus notwendig werden würde, während des Fluges an die in den Rucksäcken verstauten Vorräte zu gelangen. Tja, drei Flügel müßte man haben …! Das war’s doch, die Idee! „Zip, hör zu!“ rief er, „pass auf, ich werde jetzt etwas langsamer fliegen und du holst auf und landest auf meinem Rücken. Läßt aber die Flügel weit gespreizt, wegen des Auftriebes …“ Er bremste etwas ab und Zip landete auf seinem Rücken. Er spürte das schwere, zusätzliche Gewicht. All zuviel Auftrieb erzeugten Zips gespreizte Flügel nicht gerade … „Und jetzt?“ fragte Zip, „was soll ich jetzt machen?“ „Jetzt holst du um Gottes Willen ganz schnell etwas aus deinem Rucksack, ein Stück für mich, eins für dich, und beeil dich, wir verlieren Höhe!“ Tatsächlich begannen die beiden schon bedenklich schnell zu sinken. Zip mußte nun natürlich die Segelstellung der Flügel beigeben, damit sie etwas aus dem Rucksack holen konnte. Man stelle sich bitte dieses Bild vor, zwei klitzekleine Spatzen in 6000 oder 7000 Fuß Höhe über dem blauen Nordatlantik mit knurrenden Mägen und einer sitzt auf dem anderen. Der untere schlägt für zwei mit seinen Flügeln. Kann doch nicht gehen, Spatzen und auch alle anderen Vögel, bis auf Albatrose natürlich, sind so konstruiert, daß sie sich selbst gerade mal in der Luft halten können, wie elegant das auch manchmal aussehen mag. Und frag mal einen Mäusebussard, wenn er gerade eine außergewöhnlich fette Hausmaus im Schnabel hält. Der merkt das Gewicht auch schon …! Zip und Zap also hoch in der Luft, Zap kommt schon ins Schwitzen, er kann auch gar nicht so richtig mit den Flügeln ausschlagen, nach oben ist das ja durch die auf ihm hockende Zip begrenzt. Also keine volle Triebwerksleistung. Zip, die verzweifelt an ihrem Rucksack nestelt. Endlich hat sie den Verschluß auf. Sie greift mit dem linken Flügel hinein. Alles so dermaßen liebevoll verpackt, daß man ausrasten könnte. Madeleine, die Rohrdommel, hatte alles noch mal extra verpackt und mit kleinen, bunten Fäden verschnürt. Endlich bekam Zip zwei Streifen getrockneten Speck zu fassen, nachdem sie mühsam den Bindfaden aufgenestelt hatte. Ein Speckstück steckte sie sich in den Schnabel, den anderen reichte sie Zap hinunter. Der bekam ihn nicht zu fassen. Das Speckstück versegelte ins blaue Nichts unter ihnen. Zip verschluckte sich und mußte husten – ein hustender Spatz in 7000 Fuß Höhe überm großen Teich!!?? Und in dem Augenblick, als sich Zip zu Zaps Schnabel herunterbeugte, entleerte sich der Inhalt ihres Rucksackes über ihren Kopf und all die herrlichen Wurmlarven, die Libellenflügelspitzen, eine Flasche Vino Verde dos Acores, Maiskörner, ein paar Tropfen getrocknetes Schweineblut, der Salat Camargue, den Madeleine ihnen extra gemacht hatte. Der Salat Camargue, frische Regenwurmköpfe und -schwänze, gehackte Maiskörner, sauer vergorene Fischdarmstückchen, zarte Mittelstücke von Engerlingen und alles mit einer feinen Sauce aus Blattlausmus angemacht. Kurzum die schönsten Spatzenspeisen für unterwegs. Alles weg. Ein paar Fische würden sich freuen …!
Zap fluchte aus voller Spatzenbrust: „Zip, Ziiiip, du dumme Kuh, warum paßt du nicht auf …Weiber, gottverdammt …“
Zip hatte sich von Zaps Rücken gelöst und sie strampelte weg von Zap, beleidigt und verwirrt ob des dummen Manövers. Zap, befreit von Zips Gewicht, gewann auch wieder Höhe. Sie flogen Stunde um Stunde nebeneinander her, ohne ein Wort zu zwitschern, immer weiter nach Westen. Es war schon später Nachmittag und sie flogen exakt die von Südhalbkugel so genau beschriebene Navigationskurve. Langsam drehte die Sonne auf West zu. Es war noch hell, aber irgendwie merkten unsere beiden, daß sich das Licht veränderte. Glücklicherweise hatten sie nach dem kontrollierten Absturz den Aufwind wieder gefunden und waren auf unglaubliche 9000 Fuß gestiegen. So hoch wie definitiv niemals ein Spatz zuvor in der mindestens 500 000 Tausend Jahre langen Spatzengeschichte. Es wurde dunkel, die Sonne versank im Westen (wo auch sonst?). Der westliche Horizont glühte in allen Rotfarbennuancen des Spektrums. Die sinkende Sonne versprühte grüne und gelbe Blitze, als sie im Meer versank. Unsere beiden Reisenden vermeinten, das Zischen hören zu können.
„Tut mir leid, Zip, bitte entschuldige. Ich hab mich nur über den verlorenen Proviant geärgert!“ „Ist schon gut, Zap, ich hab mich vielleicht auch ein bißchen blöd angestellt!“ Sie flogen wieder etwas dichter beieinander. Langsam entfaltete sich die Pracht der Sterne über ihnen. Zap taten die Flügelgelenke weh und Zip vermeinte, keinen Meter mehr weiter fliegen zu können. Der Aufwind hatte auch nachgelassen und Zap wurde nun endgültig klar, daß sie sich auf eine völlig verrückte Idee eingelassen hatten. Solange sie in der Luft waren, über ihnen Blau und die Sonne, konnten sie den bedrohlichen Atlantik unter ihnen ignorieren. Aber jetzt, weit nach Mitternacht zwar schon, aber immer noch stockdunkel im Osten, fühlten sie das Wasser, das unerbittliche, gefühllose Wasser näher kommen. Nur das strahlende Licht der Sterne spendete ihnen etwas Trost. Ein letzter warmer Aufwind zog sie noch einmal nach oben. Sie waren völlig entkräftet, ihre Flügel schlugen nur noch lahm in der Nachtluft. Noch einmal auf 2000 Fuß. Dann ein langes hinabgleiten in den hinter ihnen im Osten aufdämmernden Morgen! „Und jetzt Zap, was machen wir jetzt??“ Weit und breit nichts als Wasser, kein Schiff mit sanft leuchtenden Lichtern, die sie einladen würden, auf den Luken des Schiffes oder den an Deck gestapelten Containern zu landen. Kein treibender Baumstamm oder zumindest ein kleines Stück Treibholz, auch keine Yacht mit einem verwegenen Einhandsegler, in dessen Takelage sie hätten landen können. Sie waren jetzt noch knapp Hundert Meter hoch und Spatzenaugen waren zwar keine Adleraugen, aber sie hatten ein ganz klares Bild von der näher kommenden Wasseroberfläche: Nichts, nur Wasser. Gleich würden sie unweigerlich im salzigen Wasser wassern, und dann, nach ein paar Minuten, würden sie elendiglich absaufen und in der Kühle des Nordatlantiks versinken, und irgendein Fisch würde sich ihrer Körper erbarmen und sie auffressen.
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