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in der Woche aßen wir mittags im „Deutschen Kaiser“, An den anderen Tagen bereitete der Meister unsere Kost auf dem kleinen Ofen in der Werkstatt. Gewöhnlich bestand sie aus Kartoffelspeisen und Mehlsuppen; manchmal holt der Meister einen Hering herbei… Im „Deutschen Kaiser“ bekam ich stets ein gutes Stück Fleisch; dennoch aß ich lieber daheim in der Werkstatt. Aus dem folgenden Grunde:

      Wir teilten im Gasthause den Tisch mit zwei Schneidergesellen. Der kleinere der beiden war ein Vielfraß. Das Fleisch lag für jede Person abgeteilt auf dem Teller; die Kartoffeln oder die Klöße befanden sich in einer gemeinsamen Schüssel. Der kleine Schneider kaute keine Speise; er verschlang sie so, wie er sie in den Mund gesteckt, und wenn ich nicht schnell zugriff und meine Zähne rasch arbeiten ließ, war mein Schaden groß. Beim Essen mussten bestimmte Anstandsgesetze befolgt werden. Als Regel galt, dass jeder Kostgänger zuerst nur wenig Speise auf seinen Teller nehmen dürfte – nur eine Kartoffel oder ein Klöße oder einen einzigen Löffel voll Gemüse. Da ich an den ersten beiden Tagen gegen diese mir unbekannte Sitte sündigte, fragte mich der Meister auf dem Heimwege im Tone bittere Verachtung, ob ich denn bei meinem Lehrmeister keine Bildung gelernt hätte. Er müsse sich, fügte er hinzu, vor den Leuten schämen, solch einen ungeschliffenen Menschen zu tische mitzubringen. Sodann hielt er mir einen mit Schimpfworten und vorwürfen durchwirkten Vortrag über die guten Sitten bei Tisch. Ich fühlte mich so sehr beschämt, dass mich eine Art Schüttelfieber ergriff. Wieder sah ich ein, dass ich ein ganz ungebildeter Mensch war, obgleich ich ein ganzes Buch von Schiller gelesen hatte.

      Als ich am nächsten Fleischtage wieder in den „Deutschen Kaiser“ ging, war mir ängstlich und verzagt zu Sinn. Hätte ich die Wahl gehabt, den ganzen Tag zu hungern, statt gemeinsam mit den zwei Schneidern zu essen. Würde ich mich freudig für das Hungern entschieden haben. Wusste ich doch, dass sie mich verachteten! Mit niedergeschlagenen Augen trat ich an den Tisch und wagte auch während des Essens nur manchmal scheu den Blick zu erheben. Als ich die erste Kartoffel gegessen und dann verstohlen nach der Schüssel hinsah, war sie leer. Der kleine Schneider hatte sie ausgeräumt. Bei dem Beginn des Essens lagen vier kleine Brotschnitten auf einem Teller – für jeden Gast eine. Ich wollte nach meiner Schnitte greifen; doch der Teller war leer. So war ich gezwungen, das Fleisch ohne Brot und ohne Kartoffeln zu verzehren… Meine Scheu vor den Schneidern verminderte sich im Laufe der Tage ein wenig; das Über aber, dass ich im Gasthause mich nicht satt essen konnte, blieb bestehen. Was ich auch anstellen mochte – nicht ein einziges Mal gelang es mir, satt zu werden.

      Eine zweite Bildungsregel forderte, dass ich erst zulangen durfte, nachdem der Meister zugegriffen hatte. War aber der Meister mit der ersten kleinen Auflage fertig und streckt er seine Hand nach der Schüssel aus, dann fand er stets nur ärmliche Überreste gewesenen Reichtums. Der aus der Art geschlagene Schneider hatte bereits mit unverschämter Gier den übergrößten Teil der Masse vertilgt. Das geringe Überbleibsel teilte der Meister mit mir. Meine Hoffnung, dass er das Fressungeheuer zur Rede stellen und eine gleiche Teilung der Schätze verlangen werde, erfüllte sich nicht. Am liebsten aß er Fleisch; an den Zuspeisen schien ihm nicht viel gelegen; daher fiel ihm das schändliche Treiben des kleinen Schneides nicht auf. Mir aber war ein großer Appetit und leider nicht die Kraft verliehen worden, den kleinen Schneider durch ein Zauberwort an einem großen Bissen elend ersticken zu lassen.

      Der Meister pflegte während des Essens ein Gläschen Bier zu trinken; ich bekam keins und empfand auch kein Verlangen danach. Nachspeise war jedes Mal vorhanden; ich eroberte nie welche. Das mir tödlich verhasste Ungeheuer lauerte voll Arglist und Heißhunger, bis sich mein Meister und der ältere Schneider bescheiden bedient hatten; dann bemächtigte er sich blitzgeschwind des Kompottschüsselchens und verschlang den ganzen Inhalt. War es Backobst, so entschuldigte er sich grinsend: „Backobst ess ich for mein Leben gern!“ Waren er Pfeffergurken, so lautete die Entschuldigung „Pfeffergurken ess ich for mein Leben gern!“ War es Apfelmus, so bat er um Vergebung mit den Worten: „Apfelmus ess ich for mein Leben gern!“ Mit der Zeit fand ich den Mut, nach der Brotschnitte zu greifen, bevor er sie rauben konnte; manchmal aber riss er sie mir aus der Hand und rief, sich entschuldigend: „Brot ess ich for mein Leben gern!“ Dass er auch alle Senfnäpfchen leerte und sich nicht scheute, mit dem Finger hinein zu tupfen, nahm ich ihm nicht übel; nur wunderte ich mich, dass sich die Wirtin dies gefallen ließ.

      So wurden die Fleischtage mir zu Fasttagen.

      Da ich mich in die Eigenheiten des Meisters fügte, kam ich leidlich gut mit ihm aus. Unser Verhältnis war aber beständig feindlicher Art. Er überwachte meinen Fleiß und war jeden Tag bestrebt, mich durch List beim Müßiggange zu ertappen; dabei fühlte er sich hoch erhaben über mich und gönnte mir selten ein gemütliches Wort. Er prahlte mit seinen Kenntnissen, seiner Klugheit, seiner Bildung und nannte mich dumm und ungebildet. Seine Launen las ich ihm vom Gesicht ab, und wenn ein Unwetter drohte, regte ich nach seinem Muster geschäftig lärmend die Hände. Dadurch erreichte ich, dass sich sein Zorn besänftigte. Brach das Unwetter aus, so ließ ich es ruhig austoben.

      Er war nur ein Flicktischler, und meine Fachkenntnisse genügten für seine Werkstatt. Einfache Möbel, auch kleine Bauarbeiten wurden hin und wieder bei ihm bestellt; auf teure Aufträge ließ er sich nicht gern ein. Mit Vorliebe nahm er feine Möbel in Reparatur, und wenn sich ein kostbares Stück dieser Art in der Werkstatt befand, gebärdete er sich stolz, als wäre er der Schöpfer des Werkes. „So was haben Sie in Ihrer Lehrzeit nicht zu sehen gekriegt!“ sprach er dann würdevoll. „Ihrem Herrgott können Sie danken, dass Sie zu mir gekommen sind! Hier wird Ihnen erst klar, was Tischlerei ist!“ Selten fand er Ursache, meine Leistungen zu tadeln, und er schimpfte nur immer auf meine Arbeitsweise und auf die Handhabung einzelner Werkzeuge. Meine „angeborene Stinkfaulheit“ ärgerte ihn am meisten.

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