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Tant Maries Hus. Dörte Nibbe
Читать онлайн.Название Tant Maries Hus
Год выпуска 0
isbn 9783847629931
Автор произведения Dörte Nibbe
Издательство Bookwire
„Ruhig! In der Ruhe liegt die Kraft!“ Eva weigerte sich hartnäckig, in solchen Situationen sich ihren Emotionen hinzugeben. Dies hatte sie sich weitgehend abgewöhnt, wenn es auch nicht einfach gewesen war.
„Ja,“ sagte Kristoph, „da hast du recht! Laßt uns sinnvoll vorgehen. Als erstes fragen wir bei der Polizei nach. Danach ist das Turnier dran, das heute im Dorf stattfindet. Vielleicht kann uns dort jemand weiterhelfen. Und wenn das nicht genug ist, sehen wir einfach weiter!“
Eva hatte sich bereits das Telefonbuch geholt und die Nummer der örtlichen Polizeistation herausgesucht. Während sie diese mit dem Finger markierte, wählte Vivi sie. Freundlich, klar und sachlich erklärte sie dem Polizisten die Lage. Die selbstverständliche Hilfe ihrer Eltern stärkte ihr den Rücken.
„Leider haben wir keine Meldungen über entlaufene Ponys hereinbekommen. Aber ich nehme die Beschreibung auf und melde mich, sobald ich etwas höre. Bitte rufe mich zurück, wenn du sie wieder hast! Und viel Glück - muss ja nicht immer gleich etwas passieren!“
„Natürlich melde ich mich, sobald wir sie haben!“, antwortete Vivi. „Vielen Dank!“
Vivi war erst einmal unglaublich erleichtert. Zwar waren die Ponys weiterhin verschwunden, aber immerhin hatte es wohl keinen Unfall gegeben! Das beruhigte sie sehr. Dennoch blieb genug Anspannung übrig. Sie musste weiter, weiter, weiter. Jetzt untätig zu sein schien ihr unmöglich - absolut unmöglich. „Ponys, Mensch, wo seid ihr denn bloß?“, rief sie innerlich. Aber sie bekam keine Antwort, nicht einmal ein Wiehern...
„Sollen wir jetzt zum Turnier?“, fragte Vivi. Eva nickte, blieb aber sachlich. „Ich bleibe besser zu Hause, falls der Polizist sich melden sollte oder die Ponys wiederkommen!“
„Danke, Mama, du denkst total mit!“ sagte Vivi bewundernd, denn trotz der gerade erlebten Erleichterung und ihres souveränen Telefonats blieb sie gefühlsmäßig etwas durch den Wind.
Kristoph lächelte ihr aufmunternd zu und nahm seine Autoschlüssel klimpernd und unternehmungslustig in die Hand.
„Los geht’s!“, sagte er munter, „vielleicht finden wir Spuren!“ War in ihm ein Pfadfinder oder etwa gar ein kleiner Indianer erwacht? Jedenfalls stand fest, dass er es Vivi dadurch leichter machte.
Der Turnierplatz, zu dem sie fuhren, war nur etwa zwei Kilometer weit entfernt am Rande des nächsten Dorfs. Der dörfliche Reitverein veranstaltete jedes Jahr ein Turnier, dass viele Reiter mit ihren Pferden lockte und sehr bekannt und beliebt war. Der Außenplatz war großzügig und gut angelegt. Die Reithalle, die mitten im Dorf lag, war hingegen sehr klein, aber gemütlich. Vor Jahren hatten engagierte Mitglieder diese Halle bei der nahen Bundeswehr demontiert und dort wieder aufgestellt. Ab und zu hatte Vivi sie auch im letzten Winter nutzen dürfen, deshalb war sie dem Verein beigetreten, dessen Beiträge wirklich sehr human waren.
Trotzdem es noch relativ früh war, hatte sich der Turnierplatz schon sehr gefüllt. Immer mehr Gespanne rumpelten auf den Parkplatz, Pferde wurden entladen und vorbereitet, Hunde kläfften und zogen an Leinen. Auffällig viele Jack Russels waren zugegen. Vivi fragte sich, warum diese Hunderasse so in Mode war. Aber insgeheim schwärmte sie selbst ja auch für einen Islandhund...
Das Turniertreiben interessierte Vivi nicht weiter, sie nahm es nur nebenbei wahr, während sie mit Kristoph über den Platz ging. Sie sprachen alle, die sie kannten, wegen der Ponys an - doch keiner hatte sie gesehen oder etwas vernommen. So strebten sie weiter auf die Turnierleitung zu und teilten auch dieser ihr Anliegen mit. Natürlich würde man sie benachrichtigen, sobald man etwas sehe oder höre. Hier war es egal, ob man Großpferde ritt oder Ponys, in der Not half man sich gerne. Auf der einen Seite wurde Vivi mit ihren Isis etwas belächelt im Verein, auch weil sie anders ritt, auf der anderen waren auch viele fasziniert und neugierig. Was hatte es mit dem Tölt auf sich? Waren die Ponys wirklich so robust? Und diese ausgeglichene Ruhe, die sie demonstrierten wurde auch bemerkt, manchmal mit einem Anflug von Neid.
„So, direkt ein Erfolg war es nicht,“ kommentierte Vivi. „Was jetzt?“
„Wir nehmen das Auto und fahren die Feldwege entlang, ob wir sie irgendwo erblicken können. Komm’, irgendwann tauchen sie auf!“ bestimmte Kristoph.
Kristoph nahm alle Wege, die Vivi sonst auch ritt und die ihnen bekannt waren. Es blieb dabei, nirgends auch nur irgendwo in der Ferne zwei braunschwarze Punkte. Vivi hatte schon das Gefühl, dass ihre Augen automatisch alles abscannten und nach Schema F sortierten. Zunehmend wurde sie innerlich leerer, matter und eine Form der Niedergschlagenheit durchzog sie.
„Du Papa,“ sagte sie schließlich, „ es macht keinen Sinn noch weiter zu suchen. Sie könnten überall sein - und nirgends sind sie zu sehen...“
„Ja, sieht im Moment leider so aus,“ gab Kristoph zu. Auch er war nicht mehr ganz so munter wie zuvor. Mechanisch betätigte er den Blinker und bog in den Feldweg ein, der nach Hause führte.
Es folgten noch ein paar mehr Wege, doch es blieb, es blieb unerbittlich dabei, dass die Ponys verschwunden waren. Still und auch etwas erschöpft kamen sie zu Hause, bei Tant Maries Hus wie sie es nannten, wieder an.
„Hallo, ihr Lieben,“ begrüßte Eva sie. „Leider kann ich auch nichts Neues bieten, weder eine Nachricht noch die Ausreißer persönlich! Aber ein Frühstück, dass ist fertig!“
„Mama, du bist lieb, das brauche ich jetzt, auch wenn ich wirklich nicht mehr weiter weiß. Es kommt mir so unerträglich vor, dass ich nun nur warten kann, untätig sein. Kann denn hier keiner zaubern oder hellsehen?“
„Nee, kann keiner. Aber du kannst essen und dich stärken. Ein Häufchen Elend bringt die Ponys auch nicht wieder!“ Eva blieb pragmatisch. Sie wusste, dass Aufregung körperlich anstrengend war und hinterher ihren Tribut forderte. Entweder man war vernünftig und gönnte sich Stärkung oder man wurde schwach und bekam Bauch- und Kopfschmerzen. Entschieden favorisierte Eva die vernünftige Lösung und ließ daran keinen Zweifel.
So aß Vivi zu ihrer eigenen Überraschung mit großem Hunger und war trotz des warmen Wetters dankbar für den frischen Kräutertee, den ihre Mutter aufgesetzt hatte. Eva hatte mit Bedacht erfrischende Kräuter wie Minze und Melisse aus ihrem Garten genommen.
Kristoph war ebenfalls dankbar am essen und genoss den frisch gebrühten Kaffee.
„Jetzt heißt es warten,“ stellte er noch einmal fest. Vivi nickte stumm.
Ende und Anfang
Zermürbend langsam verging die Zeit. Es schien geradezu, als ob die Uhrzeiger den extra langsamen und äußerst bedächtigen Gang einer schleichenden Schnecke eingelegt hätten. Durst und Hunger waren schon lange gestillt. Das Gespräch am Tisch drehte und dreht und drehte sich nur noch im Kreis. Immer wieder kamen Aufmunterungen, aber alles blieb wie es war. Kein Isi, kein Pony. Vivi fühlte, dass ihr die Tränen kamen. Was, wenn Kella und Kinning irgendwo tot oder verletzt waren? Wo, wo sollte sie sie suchen? Verdammt noch einmal, wo?
Vivi war sich sicher, dass Kella und Kinning schon in der Nacht losgelaufen waren, bald nachdem sie ihr Heu gefressen hatten. Kella und Kinning waren gut trainiert. Vivi ritt Kella oft lange Strecken. Kinning, Kellas Tochter, war erst vier und noch nicht angeritten. Isländer gehörten zu den spätreifen Rassen. Frühestens mit vier Jahren begann man sehr leicht mit dem Reiten. Aber Vivi hatte Kinning oft als Handpferd mit und das auch auf längeren Ritten. Zum ersten Anreiten sollte Kinning doch schon Ausdauer haben! Vivi schluchzte. Ob sie Kinning jemals reiten könnte?
Kinning hatte doch schon so viel gelernt, ließ sich super führen, gab anstandslos die Hufe und die Bodenarbeit lief ebenfalls super! Ab und zu hatte ihre Mutter ihr mit brauchbaren Tipps zur Seite gestanden, im Grunde wie eine Reitlehrerin, eben nur sehr sporadisch und fast immer unvorbereitet aus heiterem Himmel. Vivi war fasziniert vom Pferdeverstand ihrer Mutter, die so gar