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wirklich schade, wenn der Spaß scheitern würde. Das hätte so viel Begeisterung nicht verdient. Jetzt, wo das Projekt langsam angeschoben wird, fange ich an mir Gedanken zu machen. So frage ich mich: Bietet die Verkleidung als Frau eine Möglichkeit mich ein kleines Stück in weibliches Empfinden hineinzuversetzen? Immerhin spielen Kleidung und Mode für Frauen eine deutlich größere Rolle als für Männer. Kleidung scheint mir einen wichtigen Anteil an weiblicher Identität zu haben. Mit der Frage: ‚Was ziehe ich an?‘ kann meine Frau sich lange auseinandersetzen. Und ungeschminkt würde sie nicht mal dem Postboten die Haustür öffnen. Wie oft muss ich Pakete entgegennehmen, weil sie angeblich gerade nicht kann und doch z.B. lesend im Wohnzimmer sitzt. Macht mich der Schulrock zum Frauenversteher? Ich glaube, ich sollte das mal ausprobieren.

      Deswegen bin ich erstmal enttäuscht, als ich Enyas Rock anziehe. Der Reisverschluss lässt sich unmöglich zuziehen. Noch schlimmer ist es mit der Bluse. Ich bekomme gar nicht meine Oberarme durch die Ärmel gesteckt. Ich bin überrascht. Ist die Statur von Frauen und Männern so unterschiedlich? Enya ist doch kein zierlicher Typ. Sie hat die gleiche Körpergröße wie ich. Aber vielleicht haben auch dreißig Jahre Leistungssport als Schwimmer und Ruderer ihre Spuren hinterlassen. Wie auch immer. Wie geht es jetzt weiter?

      „Wen kennen wir denn mit überdurchschnittlicher Kleidergröße?“, kommt es aus der Runde.

      Tatsächlich fällt niemandem jemand mit sehr großer Konfektionsgröße ein.

      „Und wenn wir jemanden auf dem Campus ansprechen, die das passende Format hat?“, kommt ein Vorschlag.

      Das möchte auch niemand. Das könnte unter Umständen zu Missverständnissen führen. Was hinterlässt das für einen Eindruck? ‚Hey du bist so dick, dass wir deine Hilfe brauchen. Außerdem passt dein Rock sonst nur noch einem Mann.‘ Der Gedanke, den Collegerock bei einer unbekannten Schülerin auszuleihen, behagt allen nicht. Enya hat einen besseren Vorschlag: „Die Schulverwaltung hat doch ein Depot mit kostenlosen, gebrauchten Uniformen. Da habe ich mir früher auch einige Teile besorgt.“

      Ich vereinbare mit ihr einen Termin wenige Tage später und entschwinde zum nächsten Unterricht. Auch wenn sich allmählich eine gewisse Begeisterung für unser Projekt einstellt, so habe ich doch noch Bedenken. Die genauen Gründe weiß ich selber nicht. Ich kann sie nicht benennen. Die Bedenken kommen eher aus dem Bauch und sind ein diffuses Gefühl.

      Um meiner Sache sicherer zu werden, spreche ich einige Kollegen an und frage auch den Leiter der Deutschabteilung. Der Chef bestätigt: Selbstverständlich sind Verkleidungen für Lehrer zu besonderen Anlässen, wie Karneval und Halloween, legitim. Einschränkungen für die Kostümwahl macht er keine. Auch bei Kollegen und Kolleginnen gleichermaßen gibt es Zustimmung. Unter taiwanischen Deutschlehrern und Muttersprachlern gibt es ebenso fast gleich verteilt überwiegend Zustimmung. „Warum nicht“, ist der häufigste Kommentar, der meist noch mit einem Achselzucken unterstrichen wird. Nur eine einzige Lehrerin sagt: „Es ist typisch für Schüler, dass sie auf so verrückte Ideen kommen. Das ist leider normal. Aber du musst dir das nicht antun.“

      So wie sie –antun- betont, klingt es, als ob es für einen Mann eine Zumutung sein muss einen Rock zu tragen. Vom historischen Bezug her kann ich mir das nicht vorstellen.

      Sicher meint sie den optischen Eindruck, den ich abgeben werde, aber das denke ich, gehört gerade zu einem Spaß dazu. Das Feedback meiner Kollegen stärkt meine Entschlossenheit, mein Versprechen unbedingt zu halten. Zustimmung gibt es dann auch noch bei meiner Frau: „Naja, wenn der Chef sein Okay gibt, ist`s gut.“

      Bei meinem nächsten Unterricht in der Klasse des Junior College, in der ich das Versprechen abgegeben habe, erzähle ich vom anstehenden Besuch im Kleiderdepot der Verwaltung und frage dann: „Ist mein Versprechen erfüllt, wenn ich in der Schuluniform einen kompletten Unterricht bestreite?“

      Die lautstarke Zustimmung signalisiert mir, dass ich das Richtige mache. Ein langweiliger Pauker will ich nicht sein. Fachkompetenz alleine reicht mir als Lehrer nicht. Ich möchte darüber hinaus auch ein bisschen cool sein und mir neben Respekt die Sympathie der Schüler verdienen.

      Nach dem Unterricht malen zwei Jungen meine Fußumrisse auf ein Blatt Papier. Die Gelegenheit sei günstig, vorschriftsmäßige Schuhe zur Uniform anfertigen zu lassen. Ein Onkel sei Schuhmacher und könne das bequem erledigen. Im Internet zeigen sie mir seine Homepage mit den Schuhen, die er nach Maß fertigt. Schuhe im Ballerina-Stil sehe ich da zuhauf. Sie seien schon regulär sehr günstig, aber sie würden die Schuhe natürlich umsonst bekommen. Der Onkel findet die Karnevalsidee bestimmt auch lustig.

      Am nächsten Tag bin ich mit Enya im Depot. Der verantwortliche Mitarbeiter weiß, was wir suchen und das es für mich ist. Auch er findet unsere Aktion in Ordnung und hilft gerne. Tatsächlich finden wir nach langem Suchen zu dritt einen passenden Rock. Ganz offensichtlich wird meine Größe selten gebraucht. Eine passende Bluse gibt es nicht. Ausweichen auf ein weißes Jungenhemd mit spitzem statt rundem Kragen will ich nicht. Wenn wir schon so gründlich an der Umsetzung des Versprechens arbeiten, dann finde ich, sollten wir auch versuchen, alles passend zu organisieren. Kurze Zeit später hat Enya eine neue Bluse bestellt. Die ist so preiswert, das sich eine umständliche Lösung für eine geliehene Bluse nicht lohnt. Unter das Schulemblem auf der Brusttasche links hat sie ihre alte Schülernummer sticken lassen.

      Fast vier Wochen dauert es. Dann haben wir alles zusammen: Schwarze Damenschuhe mit kleinen Absätzen, Kniestrümpfe, Faltenrock, Bluse, eine blaue Schleife sowie eine schwarze Hornbrille, wie sie aktuell unter Schülerinnen beliebt ist und eine schwarze Karnevalsperücke mit Bob-Frisur.

      Alle Sachen passen. Jedes einzelne Teil habe ich anprobiert. Zu einer Generalprobe kann ich mich zu Hause aber nicht durchringen. Es ist mir komisch. Ich habe Angst, mich im Spiegel nicht wiederzuerkennen. Ganz präventiv beschließe ich, auf die Perücke zu verzichten. Dann ist die Verkleidung nicht so total verändernd und ich bleibe ein bisschen mehr ich selbst. Sowieso wäre die Perücke eine Zugabe. Versprochen habe ich nur, die Schuluniform zu tragen.

      Die Studenten, mit denen ich die Vorgehensweise abstimme, sind mehrheitlich der Meinung, dass ein Auftritt mit Perücke besser ist. Eigentlich gehöre da auch etwas Make-up zu. Ganz so wie Schülerinnen das eben machen. Das Prinzip eines Kostüms sei nun mal die Verkleidung, und ohne Perücke bleibe da etwas unverkleidet. Ich verstehe die Kritik. Ich finde auch, dass sie berechtigt ist. Trotzdem kann ich mich nicht überwinden, die Perücke zu verwenden. Als Kompromiss biete ich dezenten Lippenstift an. Letztlich setze ich mich durch. Man merkt halt, dass ich nicht anders kann. Ich bin eben ein Mann mit langer Verhaltensprägung als solcher. Einen größeren Kontrast zum Gewohnten halte ich nicht aus.

      02 Aufschub für ein Versprechen

      Die Show könnte heute beginnen. Trotzdem mache ich im Unterricht nur die Ankündigung, dass es nächste Woche ernst wird. Ich erzähle von der Unterstützung durch die Studenten, ohne deren Hilfe die Aktion vielleicht nicht zustande gekommen wäre. Ich erwähne die Schwierigkeiten, Kleidung in der passenden Größe zu finden und das nicht nur meine Taille daran schuld ist.

      „Nicht der Rock war das größte Problem“, erkläre ich, „sondern die Bluse.“

      Gelächter macht sich breit. Ich schaue in zufriedene Gesichter und weiß, es gibt kein Zurück mehr. Noch eine Warteschleife geht nicht.

      Ich brauche den Aufschub, um noch etwas Überzeugungsarbeit gegen meine Bauchgefühle zu leisten. Mein Magen rebelliert wieder. Es scheint immer schlimmer zu werden, je näher der Termin rückt. Auch Enya und ihr Hochschulteam können mit ihrer Unterstützung nicht verhindern, dass ich ein Gefühl habe, als würde ich ein Verbrechen begehen. Ein schlechtes Gewissen habe ich – und das schon vor der Tat. Meine Intuitionen sprechen mit mir. Sie flüstern in mein Ohr: „Lass das bloß sein. Tu das nicht. Du bist verrückt, frag doch mal die Nonnen. Du wirst dich lächerlich machen.“

      Gegen den Imperativ der Einflüsterungen wehre ich mich, in dem ich meine Ratio zuschalte. Die beruhigt: „Was soll die Panikmache. Halte mal den Ball flach. Worum geht es hier eigentlich? Die Nonnen sind doch nicht Jesuiten

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