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gehören neben Werkzeugen zu den ältesten Transportmitteln von Wissen. In der gegenwärtigen Pädagogik scheint die Vermittlung von Zahlen, Daten und Fakten im Mittelpunkt zu stehen. Dies geschieht wohl, um dem Bedürfnis nach Wissenschaftlichkeit zu genügen. Dafür scheint am Besten die Ableitung, die Deduktion geeignet. Die Deduktion wird oft als Gegenstück zur Geschichte verstanden.

      Man könnte meinen, dass die Bedeutung von Geschichten für die Wissensvermittlung allgemein bekannt sei, aber das Gegenteil ist der Fall. Mitunter kann man sogar den Eindruck gewinnen, dass deutschen Pädagogen das Erzählen von Geschichten peinlich ist. »Es ist ja nur eine Geschichte – Die Fakten aber sind doch ...« Eine führende deutsche Zeitschrift ist sogar stolz darauf, nur Zahlen, Daten und Fakten zu präsentieren.

      Fakten werden oft Lügen oder Erfindungen entgegengesetzt. Aber nicht nur haben diese Lügen und Erfindungen mitunter mehr Wirkung als Fakten, auch die Darstellung der Fakten selbst geschieht in Form von Erzählungen, mögen diese auch kurz und bündig sein.

      Und doch, wenn man sich erinnert, so erinnert man am leichtesten Geschichten, welche man von Freunden, Lehrern oder Eltern gehört hat. Zahlen, Daten und Fakten muss und kann man nachschlagen. Geschichten bleiben auch so in Erinnerung.

      Und doch, so zeigt die Erfahrung von aufmerksamen Pädagogen, haben auch deduktive Geschichten immer noch die nachhaltigste Wirkung bei der Erzeugung von Erinnerung und Überzeugung.

      Warum ist das so? Kann diese Kraft, welche Geschichten für die Überzeugung und das Erinnern haben, für Lernen und Führen ausgenutzt werden? Benötigt man ein spezielles Talent, um Geschichten im pädagogischen Prozess wirksam einzusetzen? Gibt es geborene Storyteller und solche, welche sich nur mit »harten« Fakten abgeben können? Ist Erzählen erlernbar? Ist es eine Kunst? Warum wurde die Übersetzung von James Woods Buch: »How fiction works« in das Deutsche mit einer Titeländerung in »Die Kunst des Erzählens« verbunden? Wieso wurde aus einem Handwerk eine Kunst gemacht? Lässt sich in Deutschland ein Rätsel besser verkaufen als eine Technik? (Neuhauser 1993, S. 4.)

      Bücher aus dem angloamerikanischen Sprachraum, insbesondere Fachbücher, unterscheiden sich wesentlich von Büchern aus dem deutschen Sprachraum. Eine Besonderheit ist die Dominanz von Geschichten gegenüber der Darstellung von Fakten.

      Gut erzählte Geschichten haben Eigenschaft, wie Klebstoff zu haften. Gute Geschichten werden öfter wieder und weitererzählt als statistische Tabellen. Und gute Geschichten haben eine höhere Chance bei den Zuhörern Überzeugungen und Vertrauen zu erzeugen.

      Geschichten machen es einfacher, sich an Informationen wie Zahlen, Daten und Fakten zu erinnern

      Geschichten machen Informationen jeder Art glaubhafter.

      Geschichten werden von Mund zu Mund weitergegeben. Geschichten zu erzählen führt dazu, dass Geschichten geweckt und erzählt werden.

      Aus dem Wissen, welches Literaturwissenschaft und Erzähltheorie über die Jahrhunderte gewonnen haben, können Techniken abgeleitet werden, welche den Beteiligten in der Führung und Lehre das Verwandeln von Zahlen, Daten und Fakten, von Gefühlen, Anliegen und Erfahrungen in Erzählungen ermöglicht.2

      Mehr noch, die Schichten unserer Erinnerung, die Ge–schichte, die His–story (seine, des Erzählers Geschichte) bildet den Ausgangspunkt und das Motivationskonstrukt für unser Handeln. Die Rätsel des menschlichen Handelns offenbaren sich in ihrer jeweiligen Geschichte. Diese Geschichte aber wird immer wieder jetzt und post festum, also lange nach den erzählten Ereignissen erzählt. Kein Wunder, dass Geschichten immer Konstrukte sind, aus deren Konstruktionsweise wir Diskurse, Meinungen, Haltungen, Ideologien dekonstruieren können.

      Geheimnisse lösen sich auf, in dem die jeweilige Erzählweise des öffentlichen Bewusstseins, vertreten durch den gesunden Menschenverstand, genauer betrachtet wird: Es gibt offenbar ein öffentliches Bedürfnis nach einer einfachen Erzählung (Narrativierung) komplexer Strukturen.

      Je einfacher die Erzählung, desto weniger wird sie in Frage gestellt. Diese einfache Erzählung sollte so weit als möglich den Augenschein abbilden. Sie sollte auch den gesunden Menschenverstand auf keine allzu harte Probe stellen.

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      Mikrostories und Metastories

      Wenn an Narrationen, Erzählungen gedacht wird, muss nicht immer

      »Krieg und Frieden« von Tolstoi oder das Gesamtwerk von Robert Musil vorgestellt werden. Ausserdem entstehen mit neuen Medien auch neue Formen des Erzählens. SMS und Twitter haben die Ultra-ShortStory, die 6-Wort-Geschichte wiederbelebt.

      Eine vollständige Narration kann schon in sechs Worten abgebildet werden. Dafür steht die berühmte Episode über Hemingway, den einer seiner Trinkkumpane aufgefordert hatte, statt langer Erzählungen eine Geschichte in nur sechs Worten zu erzählen. Es wird aber auch behauptet, daß er mit dieser Story andere berühmte Autoren herausgefordert habe. Hemingway jedenfalls schrieb: »For Sale: Baby shoes, never used.« Er selbst soll diese Geschichte für seine beste Prosa gehalten haben.

      Das ist eine komplette Narration in wenigen Worten, im Vorübergehen auf der Straße aufgeschnappt. Hier bietet sich ein ganzes Feld von ultrakurzen Narrativa an, welche, wie ein Aphorismus, weitaus schnellere, eindringlichere und nachhaltigere Wirkungen haben als traditionelle Erzählformen mehr epischen Charakters.

      Hört man auf der Straße genau hin, so finden wir diese Mikrostories ständig. Ein von zufällig Vorübergehenden aufgeschnappter Satz enthält oft eine komplette Story: »Ich nehme kein Messer mehr in die Schule mit! Bringt doch nichts!« oder »Schmeiß doch alles weg und fang bei Null an!« und »Also, da kommt eine Mail in unkorrektem Englisch«. Auch längere Texte enthalten Mikrostories. Mikrostories sind die Monaden der Texte. Kleinste Atome, ungeteilte Einheiten, welche narrativ einen vollständigen Sinn transportieren. Nicht jeder Satz ist eine Mikrostory. »Dort stehen zwei Stühle.« ist die Feststellung eines quantitativen Sachverhalts. »Dort stehen ja die zwei Stühle!« ist eine Geschichte.

      Narrativa verhalten sich wie Fraktale. Die Struktur der kleinsten Einheit wiederholt sich in jedem Element, iterativ, im Kleinen wie im Großen. Narrativa folgen bestimmten definierten Mustern.

      Fraktal (Julia-Menge)

      Diese Muster werden nach Regeln gebildet, oder es zeigen sich in der Form der Mikrostories Regelmäßigkeiten, welche mit dem französischen Philosophen Lyotard als Metanarrative beschreiben können.

      Narrative sind also nichts Neues oder schwierig zu Erlernendes. Narrative sind so alt wie die Menschheit selbst.

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