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ich in diesem Zusammenhang nölte und irgendwelche Wünsche äußerte, dann erfüllte er mir diese sofort. Eigentlich gemein, seinen Vater so zu verarschen. Dass er immer wieder drauf reinfällt, ist doch seine Sache.

      Als ich neulich beispielsweise eine neue Jacke haben wollte und ihn deshalb anschmuste wie eine Oma ihr erstes Enkelkind, war Papa zur sofortigen Wunscherfüllung bereit. Dazu sind Väter ja auch da.

      „Sie hat doch erst neulich eine Fleece Jacke bekommen!“ erinnerte Mama ihn und durchbohrte mich mit einem strengen Blick.

      „Ihr versteht mich nicht. Wollt mich nicht verstehen. Die Abercrombie ist so cool und meine alte grottenhässlich. Okay, ich habe verstanden! Macht nichts, wenn ich achtzehn bin, ziehe ich aus und zieh an, was ich will! Und ihr seid Gott froh, das ihr mich los seid!“

      „Pass auf, was du sagst, meine Liebe. Und überhaupt, woher kommt der Meinungswandel? Sonst ziehst du doch über alle her, die Markenklamotten tragen…“

      „Abercrombie ist was anderes.“

      Das Menschenjunge, also zum Beispiel auch ich, bringt es als Nesthocker unter den Säugetieren zur unbestrittenen Langzeit-Meisterschaft. Kein anderes Lebewesen bleibt zwanzig Jahre treu und (weniger) brav bei Mami und Papi. Lässt sich füttern, pflegen, mit Designerklamotten und I-Phone, I-Pad und I-Pod befriedigen und mit Taschengeld und Geschenken zu immer neuen Anlässen verwöhnen. Ab und zu versuchen die ewig Gebenden was zu fordern: z.B. Leistung, Gehorsam und oder womöglich Gegenliebe! Solche Ansprüche fördern den Prozess der Ablösung und des Nestflüchtens.

      Keine Echse, kein Fisch (nicht mal der Maulbrüter), kein Säuger praktiziert die Brutpflege so extrem wie der Mensch. Die Schildkröte legt ihre Eier in den Sand. Nach ihr die Sintflut. Der Kuckuck beglückt fremde Vogelpaare mit seinen, sich als unverschämt herausstellenden Nachkommen. Sollen doch andere die missratene Brut groß ziehen, wofür haben wir denn einen Sozialstaat? Die meisten Lebewesen werden kurz und schmerzlos gehegt und gepflegt und dann dem Leben ausgesetzt nach dem Prinzip „learning by doing“.

      Der Mensch ist von Haus aus ein Faultier. Darum erfindet er laufend Maschinen, die ihm Arbeit abnehmen. Um Waschmaschinen, Bagger und Autos auszudenken, braucht es nur etwas Grips, aber keine Muskeln. Der Mensch lehnt sich zurück und lässt die Technik für sich malochen. Komisch eigentlich, dass estrotzdem noch immer nicht die Ein-Tages Woche gibt.

      Der Mensch, besonders der jugendliche, nützt eben wegen dieser Bequemlichkeit den Pflegetrieb der Mutter zum eigenen Vorteil schamlos aus. Und die liebevolle Mutter pflegt und hegt, und kann das nicht mehr abstellen. Sie erarbeitet sich damit das Recht, sich auch später ständig ins Leben des Gehegten und Gepflegten einzumischen. Es scheint ihr zum Lebensinhalt zu geraten, ständig zu fragen: Soll ich dir eben ein Brot schmieren? Hast du saubere Wäsche an? Hast du die Zähne schon geputzt? Und, und, und...

      Solcherlei Attacken halten auf Dauer nur echte professionelle Oberfaultiere aus. Alle anderen denken spätestens jetzt über eine Trennung von Pudding und Käsekuchen nach. Oder sie drohen, bei Nicht-Erfüllung von Wünschen, wie speziellen Jacken, das Vaterhaus und den mütterlichen Herd auf Nimmerwiedersehen zu verlassen.

      Mama bleibt cool, sie kennt meine Tricks: „Und wovon willst du dann deine Wünsche und den Lebensunterhalt bezahlen?“

      „Laut Jugendamt müsst ihr doch bis zum Abschluss meines Studiums zahlen!“

      Papa hasst diese Diskussionen. Ohne lange Fragen greift er in seine Gesäßtasche, um das „liebe Kind“ gnädig zu stimmen. Daraufhin falle ich Vater wie gewünscht um den Hals, flöte:

      „Du bist der geilste Papi der Welt!“ und ich verzupfe mich... Hoffentlich versteht er das mit dem „geil“ nicht falsch.

      Ich weiß, dass Papa meine Schmeicheleien genießt. Er hätte für mich und meine Umarmungen alles Geld der Welt gegeben. Mama nimmt mir übel, dass ich Papa nach allen Regeln der Schmusekunst erpresse. Aber was soll sie machen?

      Und nun saß ich in der begehrten Jacke, durch den Flugzeugkorridor von ihr getrennt und war in höhere Musikregionen entschwebt. Ohrstöpsel sind Klasse, auch wenn man gerade keine Musik hört, verhindern sie doch, dass man belabert wird. Das Pärchen neben mir gab mir eine Lektion: „Wie mache ich Liebe im Flugzeug, angeschnallt auf zwei Sitzen.“ Sie waren zirkusreife Akrobaten. Ich tat so als würde ich nichts sehen, linste aber doch neugierig hin, was sich da so abspielte. Man lernt ja nie aus!

      Ich brauchte dringend Ablenkung. Gott sei Dank hatte ich in meinem Handgepäck die Schminksachen dabei. Ich arbeitete mich durch das gesamte Programm, damit ich nicht immer nach nebenan schielen musste. Die Augen zart mit Kajal betont, die Wimpern dicht und schwarz getuscht. Die Augenringe mit Concealer abgedeckt, das Makeup ganz leicht und fast nicht sichtbar. Wirklich perfekt.

      „Wenn man nicht genau hinguckt, wirkst du total natürlich und ungeschminkt. Wie kriegst du das nur hin?“ fragte Mama „Als ich in deinem Alter war, fand ich Schminken unter meinem Niveau. Mich hat es total genervt, dass meine eigene Mutter mit angeklebten Wimpern, dramatisch blauem Lidschatten und weißen Lippen mit schwarzem Rand rumlief. Dazu trug sie noch riesige Schlapphüte und bunte Häkelkleidchen. Ich hab mich eher für meine Mutter geschämt, als dass ich stolz auf sie war.“

      Obwohl Mama mir das schon oft und nervtötend erzählt hatte, hielt es mich nicht vom Schminken ab. Auffallen ist zwar nicht so mein Ding. Ich ziehe mich eher konservativ an, eben doch ganz schwarz in schwarz. Aber etwas Makeup muss einfach sein. Finde ich!

      Lilly behauptete, ich sei attraktiv und müsste nur was aus mir machen. Aber was zum Teufel macht man, wenn man was „aus sich macht“? Ist das innerlich? Äußerlich? Ein Gesamtprojekt? Für mich? Oder für die anderen? Ich bin oft unsicher, was mir steht, was zu mir passt. Dann hilft mir nur der Spurt zum Drogeriemarkt.

      Leider bin ich nicht besser als andere. Ich stecke die Leute auch gleich in Schubladen, je nachdem wie sie daher kommen. Sie bekommen das Etikett die Stirn: doof, interessant, prollig, unterirdisch, langweilig oder spießig. Ich will natürlich nicht ebenfalls in deren Schubladen gesteckt werden. Darum wechsle ich meinen „Styl“ wie ein Chamäleon. Lilly meint, ich solle mehr an meinem Wiedererkennungswert arbeiten. Wie denn, bitte schön?

      Ich lehnte mich noch weiter in meinem Sessel zurück, von hinten wurde gemurrt: „Stellen sie ihren Sitz gerade!“ Prompt ließ ich ihn wunschgemäß nach vorne schnalzen und meine meckernde „Hinterfrau“ schüttete sich ihren Kaffee auf den Schoß.

      Das hatte sie vom Nörgeln.

      In den Ferien werden wir uns nicht gegenseitig anmeckern. Wir werden uns eine schöne Zeit da unten im Süden machen.

      Das Brummen der Motoren schläferte mich ein. Und ich träumte weiter von Moritz, meinem Moritz! Von Moritz mit den blonden Haaren und der Porzellanhaut.

      Meine Freundin Lilly behauptete: „Moritz ist bleich wie ein Grottenolm!“ Das stört mich überhaupt nicht, es gibt ihm das gewisse Etwas, einen intellektuellen Touch. Ich stehe nicht auf braungebrannte Surfer Boys mit dem ewigen Strahlen ihrer gebleachten Zähne.

      Mein Moritz ist anders. Moritz hat noch eine unschlagbare Eigenschaft: Moritz kann zuhören und er ist aufmerksam. Nicht nur bei mir, sondern überhaupt. Darum liebt Mama auch meinen Moritz! Sie mag meinen blonden Freund sehr. Deshalb hatte sie kaum was dagegen gehabt, dass er mit nach Portugal kommt. Sie sah sich schon als die Schwiegermutter eines berühmten Stararchitekten. Papa kann als Zahnarzt, mit zugegebener Maßen sehr erfolgreicher Praxis, nie einen Promistatus erreichen. Es sei denn, er fängt was mit Daniela Katzenberger an.

      Bei Moritz träumte sie sich schon als VIP-Schwiegermutter. Was Mütter halt so Zukunftsträume für ihren Nachwuchs haben. Sie vergöttert Moritz, ich glaube sogar, dass sie ihn liebte. Eigentlich hätte ich eifersüchtig sein sollen. Doch was sollen Mütter schon mit den Freunden der Töchter anfangen? Oder umgekehrt?

      5 Von Palmen und Rüsselkäfern oder Erinnerungen Oder Gefühle sind nur was für ganz Mutige

      Die Quinta war keineswegs einsam und verlassen. Wir

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