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Für immer Rosa. Claudia A. Wieland
Читать онлайн.Название Für immer Rosa
Год выпуска 0
isbn 9783847635819
Автор произведения Claudia A. Wieland
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
»Schnitt!« Immer noch war es Hank nicht überzeugend genug. »Mensch, bringt mal ein bisschen mehr Gefühl da rein! Ihr habt euch ewig nicht gesehen.«
Tom und Charlotte umarmten sich abermals. Voller Inbrunst, wie Rosa feststellen musste.
»Schnitt!« Als Hank endlich zustimmend nickte, fingen Tom und Charlotte unisono an zu lachen. Dann legte Tom den Arm um Charlottes Schulter und zog sie grinsend an sich. Das stand aber nicht im Drehbuch, dachte Rosa irritiert.
Sie hatte die Aufnahmen bisher aus einiger Entfernung beobachtet. Nun trat sie auf Einladung des Regisseurs hinter den Kontrollmonitor und war jetzt hautnah dabei. Die Kamera war direkt auf Toms Gesicht gerichtet. Rosa schaute gespannt auf die Großaufnahme. Der Regisseur rief wieder: »Und Action!«
Victor erzählt von den unerträglichen seelischen Qualen, die er während seiner Trennung von Claire durchlebt hat. Von seinen Gewissensbissen, weil er sie getäuscht hat. Von seinem Ringen um eine Entscheidung.
In Toms Gesicht spiegelte sich ein unglaublicher Schmerz wieder. Seine Stirn war plötzlich zerfurcht, seine Augen, jetzt dunkel überschattet von seinen zusammengezogenen Augenbrauen, waren von Leid verschleiert. Um seine Mundwinkel zuckte es. Er sprach stockend und mit leiser Stimme, so als versage sie gleich ihren Dienst.
Rosa musste mit den Tränen kämpfen und schluckte heftig. Es war furchtbar quälend, ihm zuzuschauen und zu leiden, ja, MIT IHM zu leiden.
Dann bittet Victor Claire um Verzeihung.
Mit unendlich weicher, bittender Stimme setzte Tom an: »Ich habe dich nur getäuscht, weil ich dachte, dich schützen zu müssen. Es tut mir schrecklich leid, dass ich dir diesen Schmerz zugefügt habe. Bitte verzeih mir, dass ich dir das angetan habe! Ich weiß jetzt, dass ich meine Gefühle nicht länger verleugnen kann. Wir gehören zusammen und wir bleiben zusammen. Ich werde dafür sorgen, dass dir kein Leid geschieht.«
Rosa war beeindruckt. Der Monolog wurde von Toms ausdrucksstarker Mimik und dem Ton seiner melodischen Stimme getragen. Das war genau die Melodramatik, die sie hatte ausdrücken wollen. In ihren Büchern konnte sie das nur mit Worten tun. Hier aber waren Worte kaum nötig. Dank Tom Savage und seiner unglaublichen Intensität. Mit nur einer einzigen Aufnahme war die Einstellung wieder im Kasten. Er war wirklich gut!
Es folgte Charlottes großer Augenblick.
Claire klärt Victor darüber auf, dass sie keine Adoptivgeschwister sind. Sie hat inzwischen entdeckt, dass es keine Papiere über ihre, Claires, angebliche Adoption gibt. Dass sie als Baby einer sehr entfernten Verwandten des Vaters kurz nach deren Tod einfach in der Familie aufgenommen worden war, ohne die Behörden zu informieren.
Charlotte schien die Szene richtig auszukosten. Sie machte eine lange, bedeutungsvolle Pause, bevor sie schließlich triumphierend erklärte, dass ihre Gefühle füreinander nichts Anrüchiges oder gar Verbotenes an sich hätten. Sie dürften sich nicht nur mit aller Leidenschaft und Hingabe lieben, sie dürften unter den gegebenen Umständen sogar heiraten und eines Tages eine Familie gründen.
Rosa war überrascht. Charlotte war wirklich sehr überzeugend. Wie sie die Worte LEIDENSCHAFT und HINGABE ausgesprochen hatte! Man hätte meinen können, sie wüsste in ihren jungen Jahren schon, worüber sie da sprach.
Es fehlte noch die Schlusseinstellung mit dem unverzichtbaren Versöhnungskuss. Eine Kamera war jetzt auf die Körper beider Schauspieler gerichtet, eine zweite nur auf die Köpfe, eine dritte hing am Kamerakran und sollte die beiden aus der Vogelperspektive erfassen und dann langsam aufwärts gefahren werden. So entstand für den Zuschauer am Ende des Films der Eindruck, er erhebe sich über die Köpfe der beiden Protagonisten, sage ihnen ein letztes Lebewohl und entferne sich dann Richtung Himmel, um das Paar ihrem Schicksal zu überlassen. Voilà, das war Mut zum Kitsch!
Rosa beobachtete wieder den Monitor, auf dem jetzt die Großaufnahme der Köpfe zu sehen war. Assistenten und Regisseur gaben ihre Kommandos. Tom und Charlotte näherten sich einander langsam, zaghaft, vorsichtig, als ob das, was sie jetzt im Begriff waren zu tun, einen Sturm der Empörung auslösen könnte. Dann beugte sich Tom entschlossen über Charlotte und küsste sie, zuerst behutsam, dann leidenschaftlich, genauso, wie Rosa es in ihrem Roman beschrieben hatte. Die Gefühle sahen sehr echt aus!
Rosa spürte einen kleinen, spitzen Stich in der Brust. Bestimmt hätten Toms weibliche Fans jetzt einen wonnigen Kreischanfall bekommen. Sie liebten es sehr, ihn in ihrer Phantasie in eine romantische Geschichte mit seiner jeweiligen Filmpartnerin zu verstricken. Auch wenn es ihnen eigentlich von Herzen wehtat, ihren Schwarm zu verkuppeln: Mit jedem Film wurde ein neues Traumpaar geboren. Rosa wusste nicht, wie sie das finden sollte… Claire hätte vielleicht ÄTZEND gesagt? Hoffentlich musste diese Einstellung nicht auch noch wiederholt werden.
Doch das Unvermeidliche geschah und der Kuss musste nicht nur einmal, sondern mehrfach wiederholt werden, mit verschiedenen Neigungen der Köpfe und Winkeln der Kameraeinstellungen, bis der Regisseur endlich zufrieden war. Obwohl die Situation keine echte Intimität zuließ, da die kalte Technik und die nüchternen Regieanweisungen eine solche sofort im Keime erstickt hätten, konnte es Rosa fast nicht mehr mit ansehen.
Aber endlich, nach unfassbar vielen Wiederholungen - die genaue Anzahl stand wie eine freche Provokation deutlich lesbar auf der Aufnahmeklappe - war auch diese Einstellung im Kasten und somit die komplette Strandszene abgedreht.
Rosa war ärgerlich über ihre alberne Reaktion, drehte sich schnell um und ging Richtung Parkplatz, wo zwischen den großen amerikanischen Wohnmobilen, Bussen und Leihwagen für das Team auch ihr eigenes Auto stand. Sie wollte sich erst einmal in aller Ruhe fangen.
Doch schon kam Hank mit weiten Schritten auf sie zu. Als er sie erreicht hatte, zog er sein Baseballcap ab und strich sich durch das schüttere, rötliche Haar.
»Na, wie war Ihr erster Drehtag? Hat es Ihnen gefallen? War es authentisch?« Hank schaute sie mit seinen wässrig blauen Augen treuherzig an. Er zeigte ehrliches Interesse an ihrer Meinung. Aber warum auch nicht? Immerhin galt sie in den USA schon fast als die französische Nora Roberts!
»Das hier ist ein großes Abenteuer für mich. Ganz ehrlich! Zu sehen, wie meine Geschichte Stück für Stück Wirklichkeit wird. Alles ist genau so, wie ich es beim Schreiben in meiner Phantasie gesehen habe.«
»Wie schön! Darf ich Sie denn zu unserem Teamessen ins Hotel einladen?«
Rosa beobachtete aus den Augenwinkeln, wie Tom die kleine, zierliche Charlotte mit dem Arm um die Taille fasste und sie über den Strand Richtung Parkplatz führte. Wahrscheinlich, damit sie nicht schon wieder durch den Sand stolperte, dachte Rosa ein wenig spöttisch, wischte den Gedanken aber schnell wieder weg. Gehässigkeit widerstrebte ihr zutiefst.
Zum Regisseur gewandt antwortete sie mit einem herzlichen Lächeln: »Sehr gerne, Hank!«
»Wir sehen uns dann im Restaurant«, winkte Hank ihr zu.
»Okay, wir sehen uns.« Hank gab ihr das Gefühl, schon zum Team zu gehören. Aber ob sie weiterhin Tom und Charlotte bei ihren gemeinsamen Szenen zuschauen wollte, das wusste sie noch nicht.
Als sie noch einmal verstohlen in Toms Richtung schaute, kam er auf sie zu. Allein. Sie bemerkte überrascht, dass er sich ganz anders bewegte, als noch vor ein paar Stunden, bei ihrem ersten Zusammentreffen. Sein Gang war nicht jungenhaft schlaksig und lässig, sondern energisch und zielsicher. War sein Gesicht eben noch von Trauer, Schmerz und Verzweiflung gezeichnet, spiegelte es jetzt ungezwungene Fröhlichkeit wider.
»Hey Rosa! Wie geht es Ihnen? War es nicht zu anstrengend, die ganze Zeit da im Sand zu stehen?«
»Ich bin in Ordnung«, beeilte sie sich zu versichern.
»Dann werde ich mich mal umziehen. Kommen Sie mit zum Abendessen?«
»Ja, Hank hat mich eingeladen.«
»Kluger Mann«, sagte Tom trocken. »Ich bin gleich wieder da.« Er wandte sich einem der Trailer zu und