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„Das hat keinen Sinn. Du kannst diese Hülle nicht zerstören!“

      Ein wütendes Brüllen ertönte, dann schien es, als wolle die Nebelwand an der Stirnseite explodieren, stattdessen aber schälte sich eine monströse Gestalt daraus hervor und kam mit gewaltigen Schritten näher. Vier Arme waren zu sehen, zwei davon mit Pranken mit je vier Finger, die beiden anderen mit langgezogenen, gekrümmten Klauen. Zwei mächtige Beine, deren Oberschenkelknochen offensichtlich der Länge nach zweigeteilt waren und soweit auseinanderlagen, dass zwischen ihnen ein deutliches Loch zu erkennen war. Die Füße lang gezogen und mit einem deutlichen Knorpelfortsatz im Hackenbereich, der beim Gehen den Boden wie der Absatz eines Damenschuhs berührte. Auf dem Rücken war ein unförmiges Gewirr von Knochen und Knorpeln zu sehen; sowie zwei lederartige Aufsätze, die wirkten wie Segel. Das alles aber war nichts im Vergleich zu dem mächtigen Schädel. Er besaß sehr tiefliegende, tiefschwarze Augen, hohe scharfkantige Wangenknochen, eine faltige, hervorschießende Stirn, mehrere knöcherne Hörner in unterschiedlichen Größen, Formen und Ausrichtungen aus dem Kopf und ein breites Maul mit fleischigen Lippen, mehreren Reißzähnen in Ober- und Unterkiefer und rasiermesserscharfen Zahnreihen. Das alles war zu erkennen, obwohl die gesamte Kreatur noch immer von feinen Rauchschwaden umgeben war, die ihre Konturen immer wieder mehr oder weniger verwischten. Das Monstrum dahinter aber war klar auszumachen und ließ keinen Zweifel an der Kraft, der Gnadenlosigkeit und der Macht, die es besaß und die so viel größer war, als alles, was sie alle bisher gesehen und erlebt hatten. Wer bist du? Die Worte dröhnten durch die Halle, ließen sie erzittern, doch noch immer bewegte sich der Mund der Bestie dabei nicht.

      „Mein Name ist unwichtig!“ rief Francesco, während er die Kreatur keine Sekunde aus den Augen ließ. „Wichtig ist nur, dass ER mich geschickt hat!“

      Kaum hatte der Alte das eine Wort gesagt, richtete sich die Bestie blitzschnell mit einem wütenden Aufschrei zu ihrer vollen Größe auf. ER? Die Kreatur machte einen Schritt nach vorn, ballte ihre Hände wieder zu Fäusten. ER? Das Brüllen wurde noch lauter, noch dröhnender, noch intensiver. Dann hämmerte der Dämon wild und wie von Sinnen auf die Schutzhülle ein und nahm dabei auch seine messerscharfen Klauen zu Hilfe.

      Die Kugel ächzte erbärmlich, wurde teilweise eingedrückt, die Blitze zuckten so vielzahlig über die Außenhaut, dass sie fast schwarz wirkte, das Knistern war ohrenbetäubend.

      „Hör auf!“ brüllte Francesco, so laut er nur konnte. Angesichts des Spektakels vor ihm zeigte er jetzt echten Mut, dass er noch immer nicht wankte. „Hör auf!“

      Plötzlich hielt das Monstrum tatsächlich inne. Warum schickt ER dich? Ein weiterer rüder Schlag mit einer Faust. Der Knall donnerte in der großen Halle laut wider. Was willst du hier? Ein neuerlicher Schlag Warum mischt ER sich hier ein? Wieder ein Schlag. Verschwinde von hier. Du hast hier nichts verloren!

      *

      Christopher war wirklich nur noch einen Hauch davon entfernt, einfach aufzuhören zu atmen, weil ihn all das, was mit ihm und um ihn herum geschah dermaßen gegen den Strich ging, dass er schlicht keine Lust und auch keine Kraft mehr hatte, dem Ganzen auch nur noch eine Minute länger beizuwohnen.

      Nachdem er sich herzhaft, aber widerlich sauer übergeben hatte, wäre er am liebsten liegengeblieben, doch nach nur wenigen Augenblicken wurde er schon wieder auf die Beine gerissen. Durch den nebelösen Schleier aus taubem, pochendem Ganzkörperschmerz, Kraftlosigkeit und Übelkeit, glaubte er Francesco zu erkennen, doch war das ja wohl kaum wirklich möglich, schließlich war der Alte vor einem Jahr auf dem Dach des WTC vor seinen Augen gestorben.

      Dann sah er die monströse, in dunkle Rauchschwaden gehüllte Kreatur aus dem Nebel an der Stirnwand schießen, nur damit sie jetzt wie wild auf einer Art unsichtbaren Kugel herum hämmern konnte.

      Und das war dann einfach zu viel für Christopher. Diese Kräfte, die er in den letzten Minuten erleben und spüren musste, die irrsinnige Wucht, mit der sie agierten, all das zeigte ihm mehr als deutlich, dass hier Mächte am Werk waren, die seinen Verstand, ja sein ganzes Sein schlichtweg meilenweit überstiegen und er besser daran täte, vor ihnen zu kapitulieren und zu sterben.

      Oh wie gern hätte er einfach nur aufgehört zu atmen, doch war es ihm trotz all der Schmerzen, die er hatte und all der Kraftlosigkeit, die es ihm so unendlich schwer machte, sich überhaupt auf den Beinen zu halten, nicht möglich, diese verdammte Stimme in seinem Kopf zum Verstummen zu bringen, die ihn immer und immer und immer wieder anschrie, jetzt nicht aufzugeben, sondern sich im Gegenteil zusammenzureißen, sich aufzurichten und für das, was ihm wichtig war zu kämpfen.

      Was war er doch für ein nervendes Arschloch tief in seinem Inneren!

      Dennoch konnte er nicht verhindern, dass diese Stimme die Oberhand über sein Handeln gewann. „Fuck!“ stieß er deshalb unvermittelt hervor. Francesco wandte sich überrascht zu ihm um und konnte in Christophers Gesicht eine Mischung aus Schmerz, Frust und Entsetzen erkennen, als würde er eigentlich gar nicht reden wollen, es aber irgendwie nicht verhindern können. „Alter…!“ Er sprach dieses Wort etwas lang gezogen aus. „…nun komm mal wieder runter, Mann!“ Christopher schaute den mächtigen Dämon direkt an. Komischerweise hielt die Kreatur tatsächlich inne, weil sie sichtlich überrascht war, ihn sprechen zu hören. „Der Mann hier…!“ Er deutete auf Francesco und musste sofort seine Augenbrauen zusammenziehen, weil ihm die Ähnlichkeit dieser Person mit Silvias Großvater erneut total verblüffte. „…sieht doch nun wirklich so aus, als könne man mit ihm reden!“ Er grinste den Alten kurz an, dann wandte er sich wieder an die Bestie. „Da muss man doch nicht so rumschreien, verdammt!“

      *

      Francesco war sichtlich perplex, als er Christophers Worte hörte und auch über die Art und Weise, wie er sie aussprach. Keine Spur von Angst. Genau so, wie er den jungen Mann auch kennengelernt hatte. Unerschrocken, geradlinig, mutig und extrem gefährlich in allem, was er tat. Nicht umsonst hatte der erste Dämon so große Probleme gehabt, sich ihm vom Hals zu halten.

      Eigentlich passte er ganz hervorragend zu seiner Enkeltochter, wenn er nur endlich mal seinen Schwanz unter Kontrolle halten konnte und Rumvögeln nicht zu seiner ersten Leidenschaft machen musste. Verdammter Hurensohn, aber vor allem verdammter Idiot.

      Doch jetzt hatte Christopher absolut Recht und der Alte nutzte die Gelegenheit sofort aus. „Ich bin hier, um dir einen Deal vorzuschlagen!“ sagte er mit lauter Stimme.

      Samael, der verstummt war und Christopher noch immer ziemlich überrascht anschaute, reagierte erst nach einer Sekunde auf seine Worte. Was für einen Deal könntest du mir schon anbieten, du Wurm?

      Francescos rechtes Auge verengte sich für einen kurzen Moment und sein Gesicht wurde sehr ernst. Innerlich jedoch musste er grinsen, denn die Tatsache, dass der Dämon Kraftausdrücke wie du Wurm gebrauchte, zeigte, dass er, wenn auch nur ganz leicht, verunsichert war. „Mein Leben gegen das dieses Menschen!“

      „Was?“ Das war Christopher und jetzt stand echte Überraschung in seinem Gesicht geschrieben. Sein Schmerz und alles andere waren wie weggeblasen.

      *

      „Was?“ Cynthia zog ihre Augenbrauen zusammen. Hatte sie eben richtig gehört? Sie blickte zu ihrem Mann. Douglas hatte seine Augenbrauen weit in die Höhe gezogen. Damit war klar, dass sie sich nicht getäuscht hatte.

      „Was?“ Neben Douglas saß Silvia. Als sie die Worte ihres Großvaters hörte, wich sofort alle Farbe aus ihrem Gesicht und sie war absolut geschockt.

      „Aber der Alte ist doch schon tot!“ merkte Horror sofort an.

      Daraufhin strafte ihn Heaven mit einem vernichtenden Blick. „Halt bloß die Klappe, Horror!““

      „Er ist ein verdammter Engel, Mann!“ raunte ihm auch Bim zu. „Weißt du, was das heißt?“

      Horror sank förmlich in sich zusammen und man sah ihm deutlich an, dass er sich für seine Worte schämte.

      Doch bevor er etwas sagen konnte, meinte Razor. „Trotzdem…!“

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