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Die abnehmende Sichel des Mondes. Willi Kuhlmann
Читать онлайн.Название Die abnehmende Sichel des Mondes
Год выпуска 0
isbn 9783738000429
Автор произведения Willi Kuhlmann
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
„Nichts! Der sprichwörtliche Schuss in den Ofen, Heinz. Niemand der Bewohner in den umliegenden Häusern hat was gesehen oder gehört. Wie war ´s bei dir?“
„Genau das gleiche. Niemand ging bei dem Sauwetter vergangene Nacht auf die Straße.“
„Wo bleibt eigentlich unser angehender Polizeipräsident? Wird Zeit, dass er
auftaucht, er hat den Wagenschlüssel bei sich. Ich habe nämlich Kohldampf“, murrt Brenner.
„Da haben wir ihn schon.“ Zink deutet mit dem Zeigefinger in die Richtung aus der Dengler getrottet kommt.
„Na, wie ist ´s gelaufen?“, fragt Brenner, als Dengler bei ihnen eingetroffen ist.
„Nicht schlecht, Herr Kommissar“, antwortet Dengler gut gelaunt. „Anfangs, nach den ersten erfolglosen Gesprächen, dachte ich es wird eine Pleite. Aber dann, beim achten oder neunten Anlauf hatte ich Glück.“
Erstaunt sehen sich Zink und Brenner an. „Erzählen sie“, fordert der Hauptkommissar Dengler auf.
„Na ja, da war eine Frau, etwa siebzig Jahre alt. Ich erinnere sie an ihren Enkel hat sie gesagt. Sie bat mich in ihre Wohnung, in der es wundervoll nach Essen duftete -.“
„Dengler, kommen sie zum Wesentlichen“, unterbricht Brenner ungeduldig. Er spürt wie sein Magen knurrt.
„Ich bin ja dabei, Herr Kommissar. Also, sie bat mich in ihre Wohnung, in der es -.“
„... wundervoll nach Essen duftete“, führt Brenner den Satz zu Ende. „Das wissen wir bereits und was haben sie dann gemacht?“
„Ich habe sie gefragt ob ihr in der letzten Nacht etwas aufgefallen ist.“ Dengler macht eine kurze Pause.
„Und weiter? Na los, spannen sie uns nicht auf die Folter!“, fordert Zink ihn auf weiter zu berichten.
„Ihr ist nichts aufgefallen -.“
„Dengler!“ Brenner wird zornig. „Ich drehe ihnen gleich den Hals um!“
„... aber ihrem Mann“, sagt Dengler schnell.
„Aber Ihrem Mann?“, wiederholen Zink und Brenner gleichzeitig.
„Ja. Er musste mit dem Hund nochmals raus. Da ist ihm ein komischer Typ begegnet, mitten im Park. Ihr Mann hat den Kerl noch gegrüßt, aber der lief wie hypnotisiert an ihm vorbei, schien ihn gar nicht zu bemerken. Frau März – so heißt die Dame – sagt, ihr Mann erzählte, dass es ihm richtig unheimlich wurde. Also hat er sich schleunigst auf den Rückweg gemacht. Als er auf diesem Weg den Park verließ, sah er den Unheimlichen noch einmal.“
„Wo?“
„Der Schilderung von Frau März nach etwa dort drüben, Herr Hauptkommissar.“ Dengler deutet auf eine Stelle, die ungefähr zwanzig Meter neben dem Fundort der Leiche liegt. „Der Kerl lief durch die Blumenbeete zur Straße, stieg in einen Wagen und fuhr weg.“
„Kann dieser März den Mann beschreiben?“
„Nur ganz vage, sagt seine Frau. Aber er konnte sich das Kennzeichen des Wagens merken, mit dem der Mann weggefahren ist. März hat es sofort auf einen Zettel geschrieben, als er nach Hause kam.“
„Sehr gut, Dengler“, lobt Zink, „haben sie den Zettel?“
„Nein, leider nicht, Chef.“
„Verdammt, Dengler! Warum nicht?“, mischt sich Brenner missgelaunt in das Gespräch ein.
„Weil Herr März den Zettel heute am frühen morgen wahrscheinlich mitgenommen hat, als er zum Angeln fuhr.“
„Oh Mann, wir haben aber auch ein Glück. Wann kommt er von dem Ausflug zurück?“, fragt Brenner genervt.
„Seine Frau weiß es nicht genau. Manchmal kommt er spät in der Nacht, manchmal erst am nächsten Tag nach Hause.“
Brenner neigt leicht den Kopf, sieht Dengler lächelnd an und fragt treuherzig: „Was gab es denn bei Frau März zu essen, wissen sie das?“
„Sicher, Herr Kommissar, sie hat mich ja eingeladen. Ich habe zwei riesige Portionen Gulasch verdrückt, es war köstlich.“
„So, jetzt reicht ´s“, sagt Zink plötzlich. „Dengler, sie bleiben hier. Sehen sie sich ein wenig um, vielleicht können sie noch etwas in Erfahrung bringen. Verstanden?“
„Jawohl, Herr Hauptkommissar“, antwortet Dengler eifrig und reicht Brenner den Wagenschlüssel.
Zink steigt zu Brenner in den Wagen. „Fahr los, mir geht es jetzt wie dir. Ich muss unbedingt zusehen, dass ich was Essbares zwischen die Kiemen bekomme, sonst falle ich tot um.“
Wie aus weiter Ferne dringt ein Geräusch in Kristina Holms Bewusstsein. Mühsam öffnet sie die Augen. Einen Moment lang muss sie überlegen, ob dieses Läuten Realität oder Teil ihrer wirren Träume ist, die sie im Schlaf begleiteten. Kristina fühlt sich wie gerädert. Sie hat sich die ganze Nacht ruhelos im Bett hin und her gewälzt. Nach einigen Sekunden hat sie sich gesammelt, nichts mehr ist zu hören. Auf dem Rücken liegend verfolgt sie in Gedanken versunken mit ihren Blicken eine Fliege, die an der Decke summend ihre Kreise zieht. Da, wieder dieses Läuten! Also doch kein Traum! Kristina muss sich zwingen aufzustehen und zum Telefon zu gehen, das im Wohnzimmer auf einem kleinen, runden Tisch liegt. „Holm.“ meldet sie sich. Nichts! Niemand antwortet. „Hallo, so melden sie sich doch!“ Sie denkt schon der Anrufer hat wieder aufgelegt, als ihr ein leises Atmen verrät, dass doch noch jemand in der Leitung ist. „Hören sie, wenn sie -.“ Die Verbindung ist unterbrochen. „Blödmann“, sagt sie und legt das Telefon wieder ab. Langsam geht sie ins Bad, stellt sich vor den über dem Waschbecken hängenden Spiegelschrank und betrachtet ihr Gesicht. „Du siehst ganz schön zerknautscht aus“, sagt sie zu ihrem Spiegelbild und massiert sich mit den Handflächen die Wangen. „Das werden wir ändern.“ Sie öffnet die rechte Tür, greift nach Zahnbürste und Zahncreme und beginnt ihre Zähne zu putzen. Als sie damit fertig ist, fühlt sie sich schon eine kleine Idee besser. Anschließend schlüpft sie aus ihren Kleidern, stellt sich unter die Dusche und genießt die wohltuende Wärme des heißen Wassers.
Kristina ist soeben im Begriff sich abzutrocknen, als das Telefon wieder läutet. Eilig wickelt sie das Badetuch um ihren nassen Körper und läuft zum Apparat. Sie streckt die Hand aus, lässt jedoch, ehe sie rangeht, noch drei weitere Rufzeichen ertönen. „Holm“, sagt sie, als sie das Telefon am Ohr hält. Nichts! Wieder antwortet niemand. „Langsam werde ich sauer“, schimpft sie, „hören sie mit diesen Albernheiten auf, oder ich -.“ Aufgelegt! Wie beim ersten Mal. „Kinderkram!“ Sie rammt das Mobilteil in die Ladestation und geht zurück ins Bad, um mit ihrer Morgentoilette fortzufahren.
Zwanzig Minuten später steht Kristina in der Küche, brüht Kaffee auf und bereitet sich ihr Frühstück zu. Zufällig fällt ihr Blick durch das Fenster nach draußen. Sie sieht auf der gegenüberliegenden Straßenseite einen Wagen anhalten. Ein Mann, schätzungsweise um die Mitte dreißig, ungefähr einen Meter achtzig groß, mit langen, im Nacken zu einem Pferdeschwanz zusammengebundenen schwarzen Haaren, steigt aus. Kristina beobachtet, was ganz und gar nicht ihrer Art entspricht wie der Mann an der Tür ihrer Nachbarin klingelt. Als niemand öffnet sieht er sich forschend um. Nach einigem Zögern läuft er über die Straße, genau auf ihr Haus zu. Unmittelbar darauf zeigt ihr der melodische Klang der Glocke im Flur an, dass der Fremde vor ihrer Haustür steht. Sie geht nach vorne und öffnet.
„Ja, bitte?“
Zwei tiefblaue Augen mustern sie unverwandt von oben bis unten.
„Kann ich ihnen behilflich sein oder sind sie gekommen um mich zu begutachten?“, fragt sie lächelnd nach einigen Sekunden.
„Entschuldigen sie, ich wollte nicht unhöflich sein.“
Der Fremde sieht sie leicht verlegen an. „Ich möchte zu Frau Keller. So wie es aussieht ist sie nicht zu Hause, ich dachte vielleicht wissen sie wann sie
zurückkommt.“