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lange auf eine Antwort von ihm zu warten, zog sie ihren Kopf zurück und schloss die Türe hastig hinter sich. Eine ältere Dame, anscheinend ihre Mutter, verfolgte alles aufmerksam und sagte tadelnd zu ihr:

      »Leg´ dich nicht mit ihm an, Kind! Wir wollen nichts weiter, als hier in Frieden zusammenzuleben!«

      »Ich habe doch nichts getan, Mutter. Er ist verrückt geworden.«

      »Er hat jeden Grund verrückt zu werden. Ihr habt erst seine Schwester verrückt gemacht, nun versucht ihr dasselbe mit ihm. Das ist kein Streich mehr, den ihr ihm spielt. Das ist ernst. Sogar todernst. Siehst du nicht, dass er eine Waffe in der Hand hat? Unerhört! Möchtest du, dass ich deine kleine Tochter ohne Mutter großziehe?«

      »Mach´ dir keine Sorgen, Mutter! Ich habe wirklich mit dem Verschwinden seines Sohnes nichts zu tun. Ehrlich!«

      »Gut so! Dann komm´ bitte rein und provoziere ihn nicht weiter …«

      Die andere Nachbarin, die hinter dem Zaun stand, rief ihr leise zu:

      »... Komm´ mal her!«

      Sie ging auf sie zu. Die Nachbarin fragte:

      »Ist seine Waffe echt?«

      »Woher soll ich das denn wissen? Seine Wut ist aber auf jeden Fall total echt. Er will uns allen eine Kugel verpassen, falls er seinen Sohn nicht findet.«

      »Wieso denn uns eine Kugel verpassen? Wir haben doch damit überhaupt nichts zu tun.«

      »Gehe doch raus und sag´ ihm das persönlich!«

      »Nee! Warum denn bloß ich? Er hat dich eingeschüchtert, was?«

      »Ehrlich gesagt, ja. Hast du eine Vermutung, wer seinen Sohn aufgegabelt haben könnte? Wir müssen sofort mit ihr Kontakt aufnehmen und sie überreden, von dem Jungen abzulassen. Sein Vater versteht keinen Spaß und ist unberechenbar. Er hat eine Waffe …«

      Die Nachbarin aus dem zweiten Haus links, die bis vor einigen Minuten mit ihrem soeben heimgekehrten Mann im Bett war, schrie, ohne die Türe zu öffnen, über den Hof:

      »Es reicht jetzt! Es reicht! Übertreibe nicht! Auch mein Mann ist, wie du, vor Kurzem zurückgekehrt. Schau´, was für einen Gentleman er ist! Bei den einsamen und männerlosen Frauen erfüllt er seine Pflicht. Was treibst du da, Kerl? Mit einer Waffe in der Hand beunruhigst du die Leute. Schäm´ dich! Willst du vielleicht die Gendarmerie auf dem Hals haben?«

      Eine alte Dame aus dem ersten Haus links öffnete die Türe. Mutig betrat sie die Gasse und sagte beschwichtigend zu dem Mann:

      »Warum willst du dich in Schwierigkeit bringen, mein Sohn? Du warst doch früher kein Pistolenheld und Unruhestifter! Deinem Sohn wird nichts geschehen! Bestimmt spielt er irgendwo hier im Dorf mit den anderen Kindern. Oder er ist vielleicht zu seinen Großeltern gegangen. Deine Frau übertreibt mit ihren Sorgen um ihn. Sie ist eine gute Frau, aber seitdem du nicht mehr hier bist, leidet sie an Verfolgungswahn. Sie bildet sich ein, alle jungen Frauen wären hinter ihrem Sohn her, und es könnte ihm etwas Schlimmes geschehen. Deswegen sperrt sie den armen Jungen meistens zu Hause ein. Welcher Mensch mit normalem Verstand tut so etwas? Hallo! Hallo Nachbarn! Kommt bitte alle raus, um seinen Sohn ausfindig zu machen!«

      Der wütende Mann dämpfte seinen Ton und wandte sich hilfesuchend an die alte Dame:

      »Ist das fair? Ist das wirklich fair? Sagen Sie doch was! Ich maloche wie ein Esel im Ausland, um meinem Kind eine bessere Zukunft zu bieten, die verrückten Frauen hier im Lande nutzen meine Abwesenheit aus und vergehen sich derweil an meinem minderjährigen Sohn! Wenn sie mit mir und mit meiner Familie kein Mitleid haben, dann sollten sie wenigstens mit ihren eigenen Kindern Mitleid haben! Wenn man sich an den kleinen Jungen vergeht, werden sie krank, dann haben die Mädchen keine Möglichkeit mehr, einen gesunden Mann kennenzulernen! Warum machen diese Leute die Zukunft unserer Kinder kaputt? O Gott! Warum nur? Ich verstehe das nicht …«

      Die alte Dame ließ ihn aussprechen, damit seine Wut sich abkühlte. Nach einer Weile unterbrach sie ihn, weiterhin tröstend:

      »Ach, was für absurde Sorgen du dir machst! Steigere dich nicht da rein, mein Sohn! Niemand hat deinen Sohn geklaut! Falls eine einsame Frau ihn zu sich eingeladen hat, kümmert sie sich bestimmt rührend um ihn. Sie wird ihn pflegen, und wenn sie sieht, dass er noch kein Mann ist, wird sie ihm nichts antun. Rege dich nicht mehr auf! Keinem Jungen ist hier bei uns im Dorf je durch die Frauen etwas Schlimmes widerfahren. Meine Tochter hat auch zwei Söhne, beide fast so alt wie deiner. Die Armen haben noch nicht einmal einen Vater. Der ist gestorben. Du kanntest ihn doch. Ihnen ist auch nichts passiert. Warum sollte dann gerade deinem Sohn etwas passieren? Gehe nach Hause! Wenn nicht, dann gehe zu deinen Eltern! Vielleicht ist dein Sohn wirklich bei ihnen. Er ist früher so gerne zu seiner Oma gegangen. Falls er nicht da sein sollte, werde ich alleine herausfinden, wo er ist. Ich bringe ihn dann wohlbehalten nach Hause zurück. Gehe, mein Sohn! Gehe!«

      Der besorgte Vater hätte gerne der alten Dame Glauben geschenkt, aber er vermisste seinen Sohn sehr, zumal immer wieder die Darstellung seiner Frau von Jungen, die durch nymphomanische Frauen missbraucht worden waren, vor seinen Augen auftauchte: Vorzeitig gealtert, mit krummen und verbogenen Rücken, ihre Gesichter voller Falten, geplagt von Schmerzen im linken Unterbauch, weil mit ihnen übermäßig viel Sex getrieben wurde! Sein Kind, sein Stolz, sein Ein und Alles, sollte bald wie ein Skelett aussehen?! Nein. Er musste das verhindern. Klagend schrie er:

      »Bei Gott, ist es unfair! Vier Jahre lang habe ich meinen Sohn nicht gesehen. Hey… du, diejenige, die du mir mein Kind geklaut hast! Lass´ nicht zu, dass hier ein Blutbad stattfindet! Ich habe mich klar ausgedrückt. Ich werde …«

      Ein halb nackter Mann, den zwei leicht bekleidet und schön geschminkte jungen Frauen liebkosend wieder ins Haus hinein zerrten und dadurch versuchten, ihn daran zu hindern, dass er sie verließ, trat unter großen Mühen in die Gasse und sagte besorgt:

      »Verstecke deine Knarre, du Idiot! Bist du wahnsinnig geworden? Gleich tauchen hier die Gendarmen auf. Willst du ihnen die paar Dollars, die du dir im Ausland vom Mund abgespart hast, schenken? Ich habe deinen Sohn letztes Jahr gesehen, er war kein Knabe mehr. Inzwischen ist er bestimmt noch größer, ja ein ganzer Mann geworden und amüsiert sich gerade mit irgendwelchen Mädchen. Was treibst du hier, hä? Soll ich dir eins auf die Birne hauen, bis du klar denken kannst? Gehe deiner männlichen Pflicht nach und genieße ein wenig nach vier Jahren Malochen und Entbehrungen! Hau´ ab Mann!«

      Als der bewaffnete Mann seinen Kameraden hörte, wurde er ruhiger, trotzdem setzte er an:

      »Mein Sohn ist noch nicht einmal ganz zwölf Jahre alt. Ein Kind und Amüsement?!«

      »Anscheinend hat das Malochen im Ausland dein Gedächtnis geschwächt, Mann! Wenn du es vergessen hast, ich kann mich aber noch ganz gut daran erinnern; mit elf oder zwölf wurde ich richtig geil, wenn ich Mädels mit ihren vorgewölbten Brüsten sah. Gehe nach Hause und kümmere dich erst um deine Frau, dann genieß´ es mit diesen liebevollen Frauen! Nimm es als ein Geschenk Gottes für deine vier jahrelangen Entbehrungen! Diese paar Wochen Urlaub vergehen so blitzartig schnell, dass du dein dämliches Benehmen später zutiefst bereuen wirst! Hast du vergessen, dass uns die ausländischen Frauen noch nicht einmal eines Grußes oder eines freundlichen Blickes würdigten?! Sei ehrlich, wie oft haben die Prostituierten zu dir gesagt: >Nix ficken! Ausländer nix! Verschwinden!< Nun sei nicht undankbar! Schau´, wie diese Schätzchen hier alles tun, um uns zu verwöhnen!...«

      Den zwei ihn begleitenden Frauen gelang es endlich, den halb nackten Mann ins Haus zu zerren. Ihr lustvolles Lachen veranlasste den besorgten Vater den Sinn seiner Suche nach dem verschwundenen Sohn in Zweifel zu ziehen.

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