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war mir Hans Walsberg zusammen auf Kriegsschule gewesen, vor drei Wochen hatten sie gleichzeitig das Leutnantspatent erhalten, sie trugen dieselbe Uniform und nannten einander Freunde – Hans, weil Bennos korrekte Ausgeglichenheit ihm imponierte, Benno, weil Haans außer ihm der einzige Träger eines alten Namens im Regiment war.

      „Dort hinter den Pappeln liegt der Gutshof“, sagte Hans. Der Wagen fuhr an einer Gertenmauer entlang, der Duft blühenden Flieders mischte sich mit leichtem Stallgeruch. Jetzt ging es durch einen Torweg – da lag das langgestreckte Haus mit dem hohen Dach und der breiten Holzveranda. – „Willkommen daheim!“ rief Hans, die Hand auf die Schulter des Freundes legend, der sich unwillkürlich ein wenig in Positur rückte.

      Hansens Blick überflog den Platz vor der Veranda. Dort pflegte seine Mutter sonst zu stehen, wenn er kam. Heute war sie nicht da, auch der alte Johann fehlte – nein da kam er atemlos vom Garten her gerannt – gerade noch zu rechter Zeit, um den Wagenschlag zu öffnen.

      „Untertänigst guten Morgen, gnädiger Herr!“

      „‘n Tag, Johann, ‘n Tag – was ist denn los, Alter, bist Du krank? Wie siehst Du denn aus? Wo ist die Frau Baronin?“

      Der Alte machte ein verzweifeltes Gesicht, wie einer, der weinen möchte und es nicht wagt. „Frau Baronin sind mit den Herren bei’m Ananashaus“.

      „Mit was für Herren?“

      „Ach, der Herr Baron wissen nicht? Der Herr von Wolffen sind hier und – die anderen Herren“.

      Hans überhörte den Nachsatz.

      „Wolffen ist mein Vormund“, sagte er erklärend zu Benno, „das trifft sich schlecht – aber komm, ich will dich zunächst in Dein Zimmer führen, nachher suchen wir Mama im Garten“.

      Sie traten in das Haus. Gegenüber stand die Tür des Gartensaales offen. Man sah einen für mehrere Personen gedeckten Tisch mit halbgefüllten Gläsern und durcheinander geworfenen Servietten.

      Hans blieb befremdet stehen.

      „Wer ist noch hier?“ frage er.

      „Ach, bloß noch die beiden Herren von Mielosenski–“

      „Wer sind denn die, was wollen die hier?“

      Vom Garten her klangen Stimmen.

      Eine stattliche Frau in mittleren Jahren kam eilig die Stufen der Veranda herauf und eilte auf Hans zu.

      „Mein Hans, mein lieber Sohn!“ Sie schlang beide Arme um Hans und küsste ihn mit einer wilden Zärtlichkeit.

      „Du triffst es schlecht, aber ich werde Dir alles erklären, alles – “, sie bemerkte Benno und wandte sich an ihn.

      „Es tut mir leid, dass Sie es heute so unordentlich finden, so alles durcheinander“, sagte sie, und dann wieder zu Hans gewendet: „Wie ich Dir den Wagen schickte, wusste ich nicht, dass der Wolffen und die anderen gerade heute kommen würden – auf einmal waren sie da, ich kann nichts dafür“.

      „Aber Mama, erkläre mir nur, was ist es denn mit diesen Leuten?“

      „Alles wirst Du wissen, alles, alles – ach, da sind sie schon – “

      Herr von Wolffen kam, von zwei Herren gefolgt. In wunderlich gehaltener Weise begrüßte er seinen Mündel, so etwa, wie man einander bei einem Kranken begegnet, der äußere Schonung erfordert; die verschiedenen Herren wurden vorgestellt, ohne dass sie wussten, was sie auseinander machen sollten, und in die nichtssagenden Begrüßungen hinein klang auf einmal ein lauter, unartikulierter Ton, wie ein Aufschluchzen, und der alte Johann rannte zur Haustür hinaus, die Stufen der Veranda hinab, dass Hans ihm entsetzt nachstarrte.

      „Lass ihn“, sagte seine Mutter, „er ist schon alt, er ist wie ein Kind – geh‘ jetzt in Dein Zimmer mit Deinem Freunde, gehe, ich werde Dir nachher alles sagen!“

      „Ja, gehe nur jetzt“, sagte Herr von Wolffen hinzu, „aber es ist gut, dass du gerade heut kommst, denn es ist ein wichtiger, entscheidungsvoller Tag für uns alle!“

      Hans sah von einem zum andern hin. Eine tiefe Falte stand auf seiner jungen glatten Stirn.

      „Ich verstehe Euch nicht“, sagte er, „aber wenn es etwas Schweres ist, das ich erfahren soll, so bitte ich Euch, es mir zu sagen – ich bin kein Kind, das der Schonung bedarf, und Herr von Arden ist hier mein Freund, ihr dürft offen vor ihm sprechen, also, ich bitte Dich, Mama, sprich!“

      „Ach Gott, mein Sohn, mein liebes Kind, es ist ja noch nicht ganz bestimmt – man kann es ja noch nicht sagen“ –

      „Ich bitte in der Kanzlei einzutreten“, damit öffnete Herr von Wolffen eine Tür um gleich darauf mit den Beiden Fremden hinter derselben zu verschwinden. „Mutter!“ wiederholte Hans bittend, die Hand der Frau ergreifend.

      „Ich kann nichts dafür Hans“, sagte sie in Weinen ausbrechen, „aber die beiden Herren sind hier, um sich Warozin anzusehen – sie bitten einen guten Preis“ –

      „Einen Preis? Einen Preis für Warozin!“, schrie Hans auf. Mutter, dafür gibt’s keinen Preis, Warozin gehört mir, ich trenne mich nie davon, hörst Du, nie, nie –“

      Benno Arden war an die Glastür getreten und blickte in den Park hinaus. Weder Hans noch seine Mutter achteten auf ihn.

      „Ach mein lieber Sohn, Du weißt ja nicht alles, es ist zu schrecklich, Deine arme Mutter hat zu viel gelitten – so viel –“ ihr Stimme erstarb in Schluchzen. Hans stand ihr einen Augenblick fassungslos gegenüber. Dann erinnerte er sich plötzlich Benno Ardens. Mit einer hastigen Bewegung wandte er sich nach ihm um.

      „Komm“, sagte er mit veränderter Stimme, „es tut mir leid, dass Du es so triffst – ich sehen ja noch nicht klar – aber zunächst können wir doch nicht alle im Korridor bleiben – ich begleite Dich!“

      „Ich fürchte, ich bin hier sehr ungelegen“, erwiderte Benno in ersichtlicher Verlegenheit. „Erlaube, dass ich den nächsten Zug benutze – – “

      „Nein, erst muss ich genau wissen, was hier vorgeht – bitte, komme mit mir ins Fremdenzimmer, das jedenfalls für Dich zurechtgemacht ist und dort werde ich Dir in spätestens einer halben Stunde Bescheid bringen“.

      „Lasse mich Dich lieber im Garten erwarten, ich sehe dort einen schönen Platz unter der Linde –“

      „Gut, wie Du willst“.

      Benno entfernte sich. Hans kehrte zu seiner Mutter zurück, die, beide Elenbogen auf das Treppengeländer stützend, das Gesicht in ihre Hände vergraben, bitterlich weinte.

      Er umfasste sie.

      „Mutter, was ist geschehen?“

      Sie hob den Kopf und fasste mit beiden Händen das Treppengeländer, als wolle sie es zerbrechen.

      „Gequält haben sie mich, der Vormund und der Inspektor, immerzu, immerzu! Ich wollte nicht, dass sie Dich auch quälen sollten, Du solltest glücklich sein, was brauchtest Du auch zu wissen, dass es schlecht hier stand, Du konntest es doch nicht ändern. Aber jetzt, wo Du Offizier bist, wollte der Vormund es Dir sagen – wir standen vor der Subhastation oder vor dem Verkauf an die Landbank, die so wenig zahlen wollte. Da kamen diese Mielosenskis – wie die Engel vom Himmel kamen sie – und sie wollten so viel bezahlen, dass uns noch ein Vermögen von 300 000 Mark übrig bleiben wird – wie soll man denn da „nein“ sagen? Wenn Warozin subhastiert wird, sind wir Bettler!“

      Totenblass mit fest aufeinander gepressten Lippen stand Hans neben ihr.

      „So stand es – und ich – ich ahnte nichts“ – murmelte er. Die Frau fing wieder an zu weinen.

      „Ach Du Lieber Du – Du warst ja noch ein Kind mit Deinen 20 Jahren, warum sollte man Dir das Leben schwer machen“, stieß sie hervor.

      Mit seinen 20 Jahren! War er wirklich noch so jung? Und hatte er wirklich wie ein rechtes Kind immer nur in den Tag hinein gelebt

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