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Bedürfnissen und Erwartungshaltungen lassen sich – wie schon dargelegt - hinsichtlich des eigentlich vorhandenen Defizits weder irreführen und überlisten noch auf Dauer von Ersatzhandlungen zufriedenstellen, ohne dass dies eine weitere psychische Reaktion hervorrufen würde.

      Die Psyche kann zwischen – natürlichem – Original (= anfangs Grundbedürfniserfüllung, später echte, genuine Handlung) und – künstlicher - Kopie (= Ersatz-/Kompensationshandlung) intuitiv immer unterscheiden und dadurch erkennen, ob eine Minderbefriedigung und infolgedessen Handlungsbedarf vorliegt.

      Die Prüfung der eingehenden Befriedigung (analog einer Kompatibilitätsprüfung) basiert auf den Prinzipien und Notwendigkeiten des menschlichen Bauplans, die einem unverrückbaren Naturgesetz gleichen.

      Der elementare Unterschied zwischen Original und Kopie dokumentiert sich über den psychischen Bereich hinaus auf weiteren Feldern des Lebens, wie beispielsweise auf wirtschaftlichem Gebiet, wenn es um Patent- und Urheberrechtsschutz geht oder in der Kunst, wo ein Original Millionen erzielen kann, hingegen eine Fälschung bzw. Kopie, auch bei hervorragender Machart, nahezu wertlos ist.

      Der ursächliche schöpferische Akt, ob geistiger oder künstlerischer Art, der für das Echte, das Originäre, das Authentische, das Natürliche, das Kraftvolle, das Substanzielle und das Wesentliche steht, signalisiert im Vergleich zur Nachahmung Wertigkeit und wird deshalb von der Gesellschaft – durchaus paradoxerweise zum sonstigen Verhalten – geschätzt und geschützt.

      Übertragen auf Grundbedürfniserfüllung und Ersatzbefriedigung bedeutet dies, dass zwischen Grundbedürfnis- und Ersatzhandlungsrealisierung generell ein sehr unterschiedlicher Befriedigungseffekt und damit Qualität besteht.

      Innerhalb des weiten Feldes der Ersatzhandlungen und Kompensationen gilt gleiches, darum können diese in zwei Oberkategorien eingeteilt werden (primäre und sekundäre Arten).

      Erstrangige Ersatzhandlungen geben eine direkte Reaktion auf die Defizite der ursächlichen Lebenswirklichkeit wieder, ähneln im Bedürfniserfüllungsmuster dem ursprünglich nicht realisierten respektive versagten Grundbedürfnis und haben wegen des engen Bezuges einen höheren Befriedigungswert.

      Konkret: Wenn beispielsweise ein Kind körperliche Nähe und Zärtlichkeit nicht erfahren hat und dieses Defizit als Jugendlicher und Erwachsener durch besondere Anhänglich- und Anschmiegsamkeit bei seinem Partner auszugleichen versucht, dann existiert ein kausaler Zusammenhang zur in der Kindheit erlebten Frustration. Der aus dieser projektionsbezogenen Kompensation erzielte Ersatzbefriedigungswert ist erheblich größer bzw. intensiver als mittels einer nachrangigen Ersatzhandlung.

      Sekundäre Ersatzhandlungen haben einen geringeren Ersatzbefriedigungscharakter, weil sie nur noch vom gesellschaftlichen Zeitgeist beeinflusste symbolisierte Formen darstellen, die vordergründig nichts mit der eigentlich manifestierten psychischen Problematik zu tun haben und erst im wahrsten Sinne des Wortes dechiffriert werden müssen. Hier zeigen sich die nicht zu unterschätzende Bedeutung des Zeitgeists und dessen wertbeimessende und wertende Aufladung.

      Um beim Beispiel zu bleiben hieße dies, dass probiert wird, das kindlich enttäuschte Bedürfnis nach Nähe und Zärtlichkeit, das ursächlich u. a. Anerkennung und Akzeptanz impliziert (im Sinne von zur Folge haben) und Sicherheit vermittelt, per übertriebener Leistungsbereitschaft und Ehrgeiz über Machtausübung (Profilierung durch Erreichung entsprechender Machtpositionen), über Konsum (das Stillen des psychischen Hungers anhand von „Shopping“) oder über die Anhäufung von Gütern und Geld (Ansehen und Sicherheit über Wohlstand und Reichtum) wettzumachen.

      Ersatzhandlungen und Kompensationen mit niedriger Befriedigungswirkung bergen unumgänglich ein größeres Abhängigkeitspotenzial und somit eine höhere Suchtgefahr in sich, da dank des geringen Befriedigungsniveaus ein ständiger Bedarf vorhanden ist (Stichwort: Wachstums- und Steigerungsspirale).

      Schon sehr früh bildet sich eine individuelle Ersatzhandlungs- und psychische Verarbeitungsstruktur aus, die ein ganzes Leben Bestand hat.

      Dass die Ersatzbefriedigung oft nur noch im entferntesten Sinne mit dem faktisch zu befriedigenden Verlangen zu tun hat bzw. ein Zusammenhang herzustellen ist, liegt unter anderem an dem diversifizierten Leben heutzutage mit seinem breiten Feld an Möglichkeiten, aber ebenfalls an der persönlichen Entwicklungsgeschichte des jeweilig Betroffenen.

      Die vielen verschiedenen Arten von Ersatzhandlungen wie psychischen und psychosomatischen Reaktionsweisen – also die speziellen Kanalisierungsformen, auf welche Weise ein Mensch der Frustration der Grundbedürfniserfüllung in verhaltensgemäßer, psychischer und körperlicher Sicht entgegnet – entstehen durch einen Strauß an differenten Faktoren.

      Abhängig ist dieser von der genauen Form der psychischen Schädigung (konkreter Bezug zur Ursache), von der Identitätsproblematik Nr. 3 und 4 (u. a. familiäre Dispositionen und Vorbilder {z. B. ein Mensch, der als Kind Gewalt erfährt und diese als Jugendlicher/Erwachsener selbst anwendet}, Zeitgeist, kulturelle Determinationen, Religion) und der genetischen Veranlagung.

      Es ist oft auf den ersten Augenblick schwer zu verstehen, was beispielshalber fehlende Annahme, Präsenz, Geborgenheit und Liebe mit übermäßigem Konsumverhalten (Kaufsucht bzw. -rausch) zu tun haben mag.

      Der Mensch versucht hier, über den Konsum von Waren, die mit besonderen erstrebenswerten Attributen besetzt sind (wie zum Beispiel Schönheit, Kostbarkeit, Seltenheit oder Aktualität {trendy, modisch, angesagt, begehrt}), Befriedigung mithilfe der Anerkennung der Umwelt zu generieren oder/und auch nur durch den reinen Besitz (im Sinne von etwas haben, reich zu sein, dazu zugehören und auf diese Weise akzeptiert zu sein).

      Das Konsumgut hat Symbolcharakter und ist Ersatz für Nähe, Zärtlichkeit und die Sehnsucht nach Liebe, Anerkennung, Respekt, etc.

      Abschließend noch ein Fallbeispiel, dass sehr gut veranschaulicht, wie intensiv das Leben durch die ursächliche Lebenswirklichkeit (gleichbedeutend mit der wesensgemäßen, psychischen Veranlagung des Menschen; siehe Buch 5, „Entlarvung der Lebenswirklichkeit“) bestimmt wird, ohne dass dies die betroffene Person selbst und das nähere Umfeld (Familie, Freundes- und Bekanntenkreis) offensichtlich wahrnehmen. Es wird dokumentiert, wie unfrei der Mensch tatsächlich angesichts der direktiven Kraft und Macht der unbefriedigten Psyche ist und wie diese – unbewusst – in die Lebensgestaltung eingreift und sie maßgeblich prägt, und welche Folgen es hat, wenn ein Mensch letztlich im Widerspruch zu seinen wirklichen psychischen Bedürfnissen lebt (wider seiner Natur), weil er diese unterdrückt oder beiseite schiebt.

      Zu dem Beispiel, das nur stellvertretend für die breite Palette an möglichen, psychisch determinierten Reaktionsformen auf unbefriedigte Bedürfniserfüllungen in der Kindheit steht:

      Die Geschichte: Ein Mann im mittleren Alter, einmal geschieden, nahezu ununterbrochen in Beziehungen lebend und seit kurzer Zeit nach einer eher gefühlskalten, oberflächlichen und von vielen Auseinandersetzungen geprägten On- und Offbeziehung alleinstehend, lernt eine Frau kennen und es entwickelt sich eine – zunächst – entspannte, harmonische, gefühlvolle, offene und tiefgründige Verbindung. Der Mann, kommunikativ und überaus aktiv, beruflich eingebunden und stets einsatzbereit, in mehreren, sozialen Bereichen neben seiner Arbeit ehrenamtlich tätig und zudem mit einem äußerst großen Bekanntenkreis, offenbart der Frau nach relativ kurzer Zeit, dass solch eine Form des Umgangs immer seine Wunschvorstellung von einer Partnerschaft gewesen sei.

      Zusätzlich betont er, dass er sich bei ihr sehr geborgen und sicher fühlt. Der Frau fällt nach einiger Zeit auf, dass der Mann, außer diesen erwähnten Äußerungen, ungern von Gefühlen spricht, diese lediglich schwer artikulieren und zeigen kann, und dass er viel zu viele Aktivitäten in seiner Freizeit macht, deshalb nicht zur Ruhe kommt, und öfters abgespannter und müder, weil auch von schlechtem Schlaf geplagt, ist. Zudem hat er seit längerer Zeit immer wieder ein schwaches, angegriffenes Immunsystem und darum ständig mit unterschiedlichen Infekten zu kämpfen. Weiters beobachtet sie bei ihm zunehmende Stimmungsschwankungen und ein teils dominantes, sturköpfiges, ungeduldigeres und häufiger auf Konfrontation (nach dem Motto „Provokation der Provokation willen“) ausgerichtetes Verhalten.

      Sie spricht ihn auf diese Punkte an, er erwidert, dass er sich gerne mehr

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