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eine Nachbarin mit den Worten: „Junger Mann, da können sie lange solch einen Terz aufführen, Frau Weru ist nicht da.“

      „Aha“, meinte ich nur und nickte freundlich, doch die Dame schien mit meiner Antwort nicht zufrieden zu sein.

      „Wer sind sie denn überhaupt und was machen sie hier im Haus? Sie können doch nicht so einfach bei der armen Frau Weru klingeln und klopfen!“

      Ich schaute die Frau irritiert an. Wir kannten uns doch als Nachbarn und waren uns schon zahlreiche Male hier im Hausflur begegnet. Wurde die alte Frau jetzt allmählich dement und erkannte sie die Menschen um sich herum nicht mehr?

      „Ich bin es doch“, erklärte ich und lächelte sie freundlich an. „Jonathan Lärpers, der Mieter in der Etage über ihnen und der Kollege von Frau Weru. Sie kennen mich doch.“

      „Sie sind der Lärpers?“, fragte sie und beäugte mich eingehend. „Sie haben sich aber verändert. Sie haben wohl vergessen, sich zu rasieren. Der Bart sieht ja gruselig aus. Und als Kollege von Frau Weru sollten sie doch wissen, dass sie nicht da ist.“

      Ich schüttelte den Kopf: „Ich bin heute erst aus dem Urlaub zurückgekommen. Woher sollte ich das denn wissen? Morgen habe ich wieder meinen ersten Arbeitstag. Ich war in Sp…“, wollte ich noch erklären, doch die Frau unterbrach mich mit einem mürrischen „Ach so, sie sollten sich aber mal rasieren, man erkennt sie ja gar nicht“, wandte sich um und verschwand schlurfend in ihrer Wohnung.

      Während ich die Treppen hinunterging, dachte ich daran, dass Christine, Freunde nannten sie kurz ‚Chrissi‘, und ich uns schon eine ganze Weile kannten. Sie war es auch gewesen, die mir die Wohnung hier im Haus im Stadtteil Wickrath vermittelt hatte und ich war ihr wirklich dankbar dafür.

      Damals, ich musste bei dem Gedanken an die alten Zeiten lächeln, damals hatte ich mich, mehr oder weniger durch meinen Vater gezwungen, als Privatdetektiv selbständig machen müssen und mietete sogar ein kleines Büro in der Rheydter Innenstadt. Jedenfalls besaß ich es solange, bis ein paar Chinesen einer Triade das komplette Haus abfackelten … Christine unterstützte mich damals als meine Sekretärin und stellte die gute Seele unseres kleinen Zwei-Mann-Unternehmens dar.

      Zu unser beider Glück lernte ich damals meinen heutigen Chef und guten Freund Bernd Heisters kennen, der mir wortwörtlich die Haut rettete und mich schließlich als Personenschützer in seinem Unternehmen einstellte. Was ich bis heute allerdings immer noch nicht verknusen kann, ist, dass Chrissi noch vor mir zusagte, für Bernd zu arbeiten.

      Während ich jetzt fast im Laufschritt zu meinem Wagen eilte, erschien mir Bernds Gesicht vor Augen. Er hatte es damals wirklich geschafft, mich für den Kampfsport zu interessieren und mich damit aus einer gewissen Lethargie gerissen. Bernd verfügte über mehrere Krav Maga Sportstudios in ganz Deutschland. Die Zentrale befindet sich im Güdderather Industriegebiet und wie ich später erfuhr, ist hier auch die Zentrale seines Unternehmens als Personenschützer. Das unscheinbare Gebäude verfügt über alle Schikanen, die ein Detektiv und Personenschützer sich wünschen kann: Geheime Tiefgarage, ein Schießstand, ein kleines Schwimmbad, ein Labor und natürlich die Dojos, die Trainingsräume für Kampfsport.

      Und vor einiger Zeit konnte Bernd sogar das Bürogebäude eines pleitegegangen Unternehmens erwerben, deren Mitarbeiter dort irgendwelche Dokumente digitalisiert hatten. Naja, kein Wunder, dass der Laden nicht florierte, denn wer braucht schon digitalisierte Dokumente? Jedenfalls siedelte Bernd dort unsere Detektei an, die quasi als ‚Alibiunternehmen‘ für Spezialaufträge fungiert. Denn in dem Oberstaatsanwalt Herrmann Eberson fanden wir einen Auftraggeber für Einsätze, die sich nahe am Rand der Legalität befinden und von den staatlichen Organen nicht so effizient erledigt werden können, wie von uns. Und trotzdem gilt es - auch für mich - immer wieder profane Detektivjobs zu übernehmen.

      Irritiert blickte ich mich um. Hier müsste eigentlich mein Wagen stehen, vor meinem Urlaub parkte ich ihn doch eigenhändig an dieser Stelle. Doch nirgends ließ sich mein inzwischen in die Jahre gekommener Ford entdecken. Eigentlich wollte ich mir ja längst schon einen neuen Wagen zugelegt haben, verschob den Kauf dann doch immer wieder. Und dieses Jahr war mir mein Urlaub doch wichtiger gewesen …

      Verzweifelt schaute ich die Straße entlang. Ich war mir sicher, dass das Fahrzeug hier hätte stehen müssen. Ich blickte auf und ab und atmete schließlich erleichtert auf: Ein ganzes Stück die Straße zurück stand er und harrte geduldig meiner. Ich musste in Gedanken versunken an ihm vorbeigegangen sein.

      Die Fahrt zum Krav Maga Studio dauerte nicht lange und schließlich bog ich freudig lächelnd auf den Parkplatz vor dem Gebäude ein. So schön der Urlaub auch gewesen war, so sehr freute ich mich jetzt, meine Kollegen wiederzusehen. Thomas Friedlich, den alle nur ‚Dozer‘ riefen und der das Kampftraining leitete. Der einhundertfünfzig Kilo Mann war vor einiger Zeit zur besonderen Freude meiner Kollegin Christine zu uns gestoßen. Oder Jennifer Enssel, unser blonder Engel, die hinter dem Empfang im Sportstudio arbeitete. Ja, sogar auf Birgit Zickler, die ich früher immer heimlich ‚Zicke‘ genannt hatte, freute ich mich. Die gerade einmal ein Meter sechsundsechzig große Vierundzwanzigjährige mit den orangerot gefärbten Haaren und den flippigen Klamotten war zunächst als Sekretärin für unsere Detektei angestellt worden und mittlerweile in den Kreis der Personenschützer aufgestiegen. Nach unserem letzten Abenteuer haben wir uns schließlich sogar miteinander angefreundet.

      Schwungvoll betrat ich das Sportstudio und blickte erwartungsvoll zu dem Empfangstresen, hinter dem ich Jennifer erwartete. Doch dort befand sich niemand und ich fragte mich, warum der Eingangsbereich so verwaist vor mir lag.

      „Hallo?“, rief ich und blickte mich suchend um. Plötzlich tauchte ein kraushaariger Kopf hinter der Theke auf. ‚Nette Frisur‘ dachte ich. Wer immer so lustige Locken trug, musste auch über ein entsprechendes Wesen verfügen. Hatte Bernd eine neue Kraft für den Empfangsbereich eingestellt? Vielleicht ein junges Mädchen, das für mich ein wenig zugänglicher war als Jennifer? Ich nahm mir vor, in den nächsten Minuten eine feste Einladung zum Abendessen auszusprechen und keinerlei Ablehnung zu dulden. Noch war ich in Urlaubsstimmung und dieses junge hübsche Ding kam mir genau recht.

      Jetzt erhob sich die Person weiter und der Kopf eines jungen Mannes erschien hinter der Theke. Schlagartig zerplatzten meine Einladungsträume und ich musste an Bernd denken.

      Ich hatte Bernd nämlich vor einigen Jahren nach meiner Geburtstagsfeier kennengelernt, als ich ihn morgens neben mir im Bett liegend fand. Leider konnte ich mich an den späteren Abend und die darauffolgende Nacht wegen etwas zu viel genossenen Tequilas nicht erinnern, doch Bernd versicherte mir, dass es ‚ganz toll‘ gewesen war. Bernd liebte Männer und nachdem ich ihm erklärt hatte, dass das bei mir nicht so der Fall war und mein Verhalten eher mehr der Trunkenheit zuzurechnen sei, akzeptierte er meine Entschuldigung. Später wurden wir gute Freunde, Bernd rettete mir sogar das Leben und nun arbeiteten wir halt zusammen. Trotzdem musste ich neidvoll zugeben, dass Bernd einen tollen, muskulösen Körper hatte.

      „Hallo“, antwortete der junge Mann. „Einen Moment bitte.“

      Erneut verschwand der Kopf und Sekunden später tauchte der ganze Mann auf. „Was kann ich für sie tun? Wollen sie trainieren und sich zu einem Kurs anmelden? Im Moment findet aber kein Training statt, erst wieder“, er blätterte in einigen Unterlagen, dann tippte er mit dem Zeigefinger auf eine Seite, „um zehn Uhr. Aber der Kurs ist belegt, das sind alles Polizisten.“ Er sah mich an, grinste und meinte: „Eine geschlossene Gesellschaft quasi. Hier, sie können aber schon einmal diesen Anmeldebogen ausfüllen.“ Der Junge, meiner Schätzung nach kaum älter als siebzehn oder achtzehn Jahre, hielt mir das Papier hin.

      Ich schüttelte den Kopf. Was hatte Bernd denn da für ein unreifes Früchtchen eingestellt? Der Bursche sollte sich lieber die Mitarbeiterlisten anschauen! Aber meine gute Laune ließ ich mir nicht vermiesen und mir kam eine glänzende Idee.

      „Ich bin von der GPfCI“, erklärte ich und zog mein Jackett ein wenig auf, so dass das Schulterhalfter mit dem Revolver sichtbar wurde. „Ich muss hier alle verhaften!“

      Der junge Mann sah mich entgeistert an. „GPfCI?“, fragte er, „was ist das?“

      Jetzt

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