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Magic Stoner. Frank Pfeifer
Читать онлайн.Название Magic Stoner
Год выпуска 0
isbn 9783753189765
Автор произведения Frank Pfeifer
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
»Du siehst an dem Ring die schwarze Seite des Mondes, weil die andere die erleuchtete ist. Nicht mit den Augen, mit deinem Körper sollst du sehen. So wie die Augen bei Vollmond in den Himmel schauen und nach den Rätseln der unsichtbaren, der dunklen Seite zu fragen, so kannst du in den Ring sehen und nach den Rätseln der hellen Seite, der Seite des Silbers fragen. Aber frage nicht mit den Augen, frage mit deinem Körper, deinen Gefühlen, deinem Herz!«
Der Alte lachte jetzt und von seinen Augenwinkeln liefen Hautfalten strahlenförmig in die Schläfen.
»Auch du bist wie deine Hand! Mit der Sonne, den drei Phasen des Mondes und der Erde stehst du in deinem Leben.«
Ich sah wohl reichlich verwirrt aus, was ich tatsächlich war. Der Alte klopfte mir auf die Schulter. Dann ging er zurück zu den anderen Gypsies und bald begannen sie wieder mit ihrer Vorstellung. Ich kehrte langsam wieder in den sommerlichen Einkaufsstrom zurück, ließ mich forttragen von der Bewegung. Die Worte des Alten echoten zwischen meinen Ohren hin und her. Mond, Sonne, Erde. Als sich die Bewegung der Gypsies während der Hippiebewegung in den 60ern gebildet hatte, hatten sie sich auf Naturreligionen berufen, daran konnte ich mich erinnern.
Dieses Begegnung schien direkt aus einer anderen Dimension zu kommen. Für die Anhänger einer mythischen Naturphilosophie gehörten die Sterne und Planeten zum Alltag. Ich dagegen überlegte mir, ob ich mir eine Postkarte mit der Frankfurter Skyline bei Nacht kaufen sollte. Und dann: Scheiß auf diese seltsamen Gestalten, die da durch die Welt wandelten. Ich hatte andere Sorgen. Schnell noch ein paar FUCKING-BIER-INTERNATIONAL besorgen und dann wieder auf die Lauer legen.
Am dritten Tag, einem Sonntag, Manfred hatte frei, winkte mir endlich das Glück. Manfred ging ins Museum. Der ideale Ort, um Kontakt herzustellen.
»Hallo Manfred, du hier?«, rief ich laut und deutlich durch die Eingangshalle mit den hohen Decken. Er war erstaunt, mich zu sehen, aber natürlich passt ein Archäologe gut in ein Museum. Ich begann sofort meine Story. Dass ich beruflich in Frankfurt sei und mir im Senckenberg-Museum einige Informationen besorgen müsse. Dass mein wahrer Name ja Wolf sei und Five nur mein Spitzname, wie er ja sicherlich wusste. Weiter ging es mit dem Austauschen von imaginär Persönlichem und der Wiederbelebung der guten alten gemeinsamen Zeit als Studenten in Berlin. Mit List und Tücke flocht ich meine Sorge, die anstehende Expedition in die Türkei aufgrund fehlender Mittel nicht antreten zu können, ein, und dass gerade die Beschaffung unumgänglicher digitaler Informationen das größte Problem sei. Ohne Manfred direkt um Hilfe zu bitten, appellierte ich doch lautlos an seine Solidarität als alter Freund. Ich brachte ihn an diesem Abend immerhin so weit, dass er sich erbot, die ihm eventuell zugänglichen Quellen im Darknet auszukundschaften. Mehr hatte ich auch nicht erwartet. Hauptsache der Kontakt war hergestellt, der in der nächsten Zeit weiter ausgebaut werden musste. Ich hoffte nur, dass sich der Aufwand am Ende auch auszahlen würde.
Ich reiste in den folgenden Wochen immer wieder nach Frankfurt und bereitete das Unternehmen vor, als sei ich ein gesuchter Terrorist. Ich reiste anonym per Zug, sodass meine Reisen im Computer des INTERNATIONALEN POLIZISTEN nicht meiner wahren Identität zugeordnet werden konnten. Tickets am Schalter, Barzahlung. Wobei ich mich anfing zu fragen, wer ich nun in Wirklichkeit war.
(Was bedeutet Identität? Egal, scheiß darauf.)
Auch mein Äußeres tarnte ich gründlich. Stets trug ich die wenigen Male, die ich mich mit Manfred unter vier Augen traf, eine Sonnenbrille. Dies verstörte ihn anfangs, ich erklärte ihm aber, dass ich mir in der glühenden Sonne der Türkei an meinem Ausgrabungsort eine Augenempfindlichkeit zugezogen hatte, mit der auch hier, in der doch recht sonnigen Gegend Frankfurts nicht zu spaßen sei. Manfred, wohl selbst froh, seinem Alltag ein Stückchen entkommen zu sein, zeigte sich überaus kooperativ. Anfangs besorgte er mir nur die Adressen offizieller Hackergruppen, die ich aber großteils schon kannte. In langwierigen und überaus hinterlistigen Gesprächen verdeutlichte ich ihm, dass es mir weniger um Wissen als um eine Person ging, die mir mit ihren Hackerkünsten behilflich sein könnte. Mit der Zeit brachte ich ihm den Vorschlag näher, dass er selbst derjenige sein könnte, der mir als Leumund im Darknet die entsprechenden Kanäle öffnete. Oder dass er sogar selbst diese wichtige Forschungsarbeit übernehmen könnte. Dies wäre für mich das Preisgünstigste und er hätte einmal etwas Abwechslung. Anfangs skeptisch beruhigte ihn meine begeisterte und ausschweifende Rede von den Schätzen der Türkei, wo ich endlich Spuren des Wolfstempels samt Kaninchenrelikten gefunden haben wollte. Ich hatte im Völkerkundemuseum und im Ägyptischen genug Fotos gemacht, um ihn auch die Früchte meiner Arbeit nach gelungener Manipulation mit einem Bildbearbeitungsprogramm sehen zu lassen. Dies, so seufzte ich verloren und hilflos, seien nur die Bruchstücke der Wunder, die zu erwarten wären, falls ich endlich an die Informationen herankäme, die mir den Eingang zu dem einmaligen Tempel öffnen würden. Informationen, die auf geheimen Servern lagen, zu denen mir ein Superhacker Zugang verschaffen sollte.
Neben meiner finanziellen Bedürftigkeit und der wissenschaftlichen Notwendigkeit faszinierten Manfred bald die Möglichkeiten innerhalb seines Unternehmens. Begeistert berichtete er mir eines Tages, dass BRILLE ja selbst Datenbanken für Privatpersonen, Unternehmen und Regierungen hostete. Es gab ganze Hallen voller Server, auf denen sich seltene und gefährliche Informationen befanden. Vor kurzem erst hatte der außenpolitische Ausschuss der EU auf die internationale Krisenstimmung hingewiesen. Um auf alle Eventualitäten gefasst zu sein, hatte die Firma die Produktion von Viren und Trojanern vehement vorangetrieben, und die Server, die hierfür von BRILLE bereitgestellt wurden, liefen auf Hochtouren. Dies berichtete Manfred mir telefonisch, während ich gerade mit einem FUCKING-BIER-INTERNATIONAL in der Badewanne lag und es mir gut gehen ließ. Die Verstrickung seiner Firma in internationale Machenschaften, faszinierte ihn - und mich nicht weniger.
Tatsächlich gäbe es auch einen eigenen Türkei-Server auf der Rechnerfarm, auf dem sicherlich alle Information zu diesem ominösen Wolfstempel zu finden seien. Manfred glaubte nun schon seine Arbeit beendet, da ich ja bei der entsprechenden Stelle eine Genehmigung einholen könnte, während er als Firmenangehöriger den Datenabgleich vor Ort koordinieren würde. Hätte er von mir irgendetwas Offizielles in den Händen gehabt, wären von seiner Seite schon entsprechende Anträge erstellt worden. Mein FUCKING-BIER-INTERNATIONAL war mir bei dieser Ankündigung in das Badewasser gefallen, beinahe hätte ich das Handy ins Wasser fallen lassen. So hatte ich das nicht geplant. Ich brauchte einen Top-Hacker und keinen Zugriff auf einen bescheuerten Server. Aber jetzt war ich meinem eigenen Lügenmärchen gefangen.
»Hör mal Manfred. Dieser Türkei-Server ist hundertpro eine Sackgasse. Die Informationen, die ich suche, werden von Geheimdiensten versteckt. Es geht um so etwas wie das Roswell der Archäologie.«
»Sonst wüsste ich aber nicht, wie ich dir helfen kann, Wolf.«
»Wir sprachen doch schon einmal von der Möglichkeit, dass du mir Zugang zum Darknet verschaffst. Oder mir selbst einen Code schreibst, den ich direkt einsetzen kann.«
»Möglichkeit A kommt nicht in Betracht, ich habe einen Ruf zu verlieren. Und Möglichkeit B wäre sehr aufwendig, weil ich dazu privat sehr viel Zeit investieren müsste.«
»Für was arbeitest du eigentlich bei diesem Internetgiganten? Du könntest doch nach Dienstschluss weiterarbeiten und dies als Überstunden deklarieren.«
»Das würde ich sehr ungern tun.«
»Mein ganzes Projekt könnte an deiner Sturheit scheitern, Manfred. Der Wolfstempel aus dem 1. Jahrtausend vor Christi! Meine jugendliche Obsession ist mir zum Greifen nahe. Ich brauche dich!«
Ich drückte ziemlich auf die Tränendrüse, erzählte von den immer mehr schrumpfenden Etats, von den Dummköpfen der offiziellen Institutionen, die die Gewichtigkeit dieses Unternehmens nicht nachvollziehen konnten. Aber Manfred blieb hart.
»Manfred, sieh das doch mal so. Vielleicht