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des Milliardärs weit unter dieser Armutsschwelle liegen und als bitterarm gelten müssen.

      Die neue Partei fordert eine gerechtere Verteilung des Geldes und gewinnt fünf neue Mitglieder.

      Als Nächstes prangern die Kritiker die Tatsache an, wie der Bürgermeister der Haushälterin den lukrativen Job bei dem Milliardär verschafft habe. Anstatt die Stelle öffentlich auszuschreiben, so dass jeder sich hätte bewerben können, habe der Bürgermeister eine Frau empfohlen, die früher seine Schulfreundin gewesen sei, eine unerträgliche Kungelei und Vetternwirtschaft, man forderte den Rücktritt des Bürgermeisters.

      Schließlich prangerte man noch an, dass ausdrücklich eine Frau angefragt war; damit sei das Gebot der Geschlechtergerechtigkeit verletzt worden, da Männer von vornherein ausgeschlossen gewesen waren. Alle Männer, so forderte man, müssen eine Entschädigung gezahlt bekommen.

      Die Partei bekam Auftrieb und stellte fest, dass der Milliardär mehrfach in der Türkei und in anderen islamischen Ländern Urlaub gemacht habe. Dazu passte es, dass man bemerkte, dass in dem Medienzentrum auch ein Koran zu finden war. Vergeblich wies der Pastor darauf hin, dass es dort auch drei Bibeln, das Kapital von Marx und ein Buch über Zarathustra gebe. Viele Bürger bekamen Angst, dass der Milliardär heimlich eine islamische Unterwanderung des Ortes plane, und so geschah es, dass die BfuD die Wahl gewann und den neuen Bürgermeister stellte.

      Dem Milliardär gefiel das nicht. Er verlegte seinen Hauptwohnsitz nach Monaco, entließ die Haushälterin und stellte seine Spenden ein. Damit verdienten alle Bürger wieder dasselbe wie früher. Sie hatten zwar in den vergangenen Monaten ihren Besitz durch viele Anschaffungen vergrößern können und verfügten nun über neue Boote, Fernseher usw., aber viele hatten sich an das viele Geld und das großzügige Ausgeben gewöhnt und oft auch auf Kredit größere Anschaffungen gemacht und hatten nun Schwierigkeiten, wieder mit der Hälfte des Einkommens auszukommen.

      Die PfuD konnte hingegen nach einem Jahr eine positive Bilanz ihrer Arbeit veröffentlichen: „Armut in unserem Dorf bereits um 80% gesunken. Nur noch 20% liegen unterhalb der Armutsgrenze.“

      Diese Geschichte ist sicherlich ein drastisches und daher satirisch anmutendes Beispiel, aber es wirft ein bezeichnendes Licht darauf, wie irreführend solche Statistiken sein können, wenn bestimmte Leute sie für ihre Zwecke benutzen, und wie unsinnig manche Methoden zur Berechnung der Armut sind. So kann es nach solchen Berechnungen in einem reichen württembergischen Dorf, in dem die Menschen zwischen 5000 und 20.000 Euro verdienen, mehr Arme geben als in einem abgelegenen armen pommerschen oder brandenburger Dorf, in dem die Menschen 1500 bis 2500 Euro verdienen.

      Welches ist der Bezugsraum zur Berechnung der Armutsstatistik?

      Ohnehin müsste als erstes definiert werden, welches der Bezugsbereich bei der Berechnung der Armut und der 60% sein soll. In der Geschichte von dem Hotelier und den zwanzig Eingeborenen war es eine Insel. Wenn die Insel abgelegen und abgeschieden ist, ist das ja eigentlich sinnvoll. Würde man stattdessen den gesamten Staat als Bezugsbereich zur Ermittlung der 60% vom Durchschnittseinkommen betrachten, hätten wir eine weitere absurde Situation für die Inselbewohner: Liegt sie in der Karibik und gehört zu Haiti oder Kuba, wären die Bewohner mit 100 oder 200 Euro monatlich keineswegs arm. Gehörte sie jedoch zu Frankreich oder England als kleiner Rest aus dem ehemaligen Kolonialreich, müsste man die Bewohner als bitterarm ansehen, obgleich sie genauso leben würden wie als Haitianer oder Kubaner. Sollten England oder Frankreich die Insel eines Tages an ein nahebei gelegenes Land übergeben, wie es mit Honkong geschehen ist, würden alle Bewohner plötzlich reich sein, obwohl sich de facto das Leben für sie keineswegs verbessert hätte. Würde Argentinien die Falklandinseln erobern, wie sie es bereits im Falklandkrieg gegen England versucht haben, könnten sich die Bewohner ebenfalls glücklich schätzen, denn sie wären zunächst einmal alle reich, da sie mehr verdienen als die Argentinier. Also ist es viel zu pauschal, den ganzen Staat zum Vergleich heranzuziehen.

      In der letzten Geschichte war der Bezugsraum dagegen das Dorf. Der Bürgermeister hätte die Kritik des BfuD leicht durch Anwendung eines anderen Bezugsraumes kontern können, indem er z.B. das durchschnittliche Einkommen in Schleswig-Holstein zur Grundlage genommen hätte. Im Landesvergleich hätten dann die Bewohner seines Dorfes alle recht gut abgeschnitten. Das Gleiche gälte, wenn man den Bereich für die Statistik der Armut auf ganz Deutschland ausgeweitet hätte.

      Noch besser hätte das Dorf abgeschnitten, wenn man als Bezug die Europäische Union oder gar die ganze Welt zugrunde gelegt hätte. Im letzteren Falle würden alle Dörfler zu den reichsten 10% der Weltbevölkerung zählen, also zu den Superreichen.

      Welches ist dann aber eine angemessene Bezugsgröße zur Berechnung der Armut?

      Was ist die angemessene Bezugsgröße zur Berechnung der Armut?

      In unserer Geschichte im vorigen Kapitel wurde als Bezugsgröße das Dorf gewählt. Häufig liegen arme Dörfer aber direkt neben reichen Dörfern oder Städten. Wenn jemand als angestellter Lehrer 3000 Euro verdient, aber in so einem reichen Ort wohnt, dass er statistisch als arm gilt, bräuchte er nur in einen armen Nachbarort ziehen, und schon wäre er wie durch Zauberhand reich.

      Nimmt man hingegen radikal die ganze Welt als Bezug, wären alle Deutschen steinreich, selbst wenn sie mit 500 Euro im Monat auskommen müssten.

      Man muss aber dann natürlich sehen, dass die Lebenshaltungskosten in Deutschland hoch sind, so dass man mit 500 Euro nicht weit kommen kann, während etwa in Kuba viele Dinge billig sind und jemand mit 500 Euro im Monat Rente dort als reicher Ausländer leben könnte.

      Sollte man dann als Kompromiss das Land zur Bezugsgröße wählen? Zunächst einmal wäre die Frage: Was ist das Land? Das Bundesland oder der Staat?

      Innerhalb eines Staates und sogar eines Bundeslandes kann das Einkommen aber sehr variieren. In Brasilien, zum Beispiel, gibt es sehr arme Gegenden, in denen man mit 300 Euro Monatseinkommen bequem leben kann. Auf der anderen Seite gibt es die Hauptstadt Brasilia, in der alle Gehälter vielfach höher als anderswo sind, aber auch die Mieten an europäische Großstädte erinnern, so dass man selbst mit 1000 Euro nicht weit kommt. Würde man das ganze Land Brasilien zur Bemessungsgröße machen, wären fast alle Einwohner Brasilias reich, selbst wenn manche kaum über die Runden kommen. Wer in Brasilia arm ist, könnte in den anderen Landesteilen als reich gelten, sofern er dort dasselbe Einkommen erzielen würde.

      Solche Unterschiede gibt es sogar auch innerhalb einer einzigen Stadt. Viele Städte haben luxuriöse Viertel für Reiche und Slums für Arme. Selbst in Deutschland gibt es arme und reiche Stadtviertel.

      So kann ein junger Rechtsanwalt während der Ausbildung und am Anfang seiner Karriere vielleicht nur in einer Sozialwohnung in einer preisgünstigen Wohngegend seiner Stadt wohnen. Mit der Zeit verbessert sich sein Einkommen, und er gehört bald zu den Reichen in seinem Stadtteil. Eines Tages sterben seine Eltern, angesehene Richter, und der Mann erbt die elterliche Villa in einer vornehmen Wohngegend. Wie groß ist aber seine Enttäuschung, als er feststellen muss, dass die Villen in seiner Straße und Gegend fast alle von Unternehmern bewohnt werden, die weitaus mehr verdienen als er, so dass er sich nun wohl als arm ansehen muss.

      Ohnehin müsste man auch definieren, ob die Meldeadresse oder der tatsächliche Aufenthalt zur Berechnung der Armut gelten soll. Wenn jemand in einem relativ armen brandenburger Dorf gemeldet ist, aber zwecks Studiums in Berlin wohnt und 2000 Euro monatlich zur Verfügung hat, ist er dann arm oder reich oder beides zugleich?

      Man sieht, egal ob man eine Straße, ein Stadtviertel, eine Stadt, das Bundesland, den Staat oder die ganze Welt zur Bemessungsgrundlage macht, immer kann es zu Ergebnissen kommen, die der wahren Situation nicht entsprechen und Armut oder Reichtum nur vortäuschen.

      Das Beispiel Monaco

      Wenn man an Monaco denkt, denkt man an reiche und schöne Leute, an Luxus usw. Wer aber dächte, dass die Armut in Monaco nach den Berechnungen gewisser

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