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Kind des Lichtes. Kerstin Wandtke
Читать онлайн.Название Kind des Lichtes
Год выпуска 0
isbn 9783742779953
Автор произведения Kerstin Wandtke
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Ihre Schwangerschaft dauerte nur kurz, bei ihrem Volk völlig normal, und sie war immer noch in einem der verzauberten Wälder des Nordens, als sie sich hinhockte und ein kleines, weißes Mädchen gebar. Da dieses nicht ihre erste Geburt war, ging alles entsprechend schnell und problemlos. Sie hatte zudem keine Hemmungen, den Säugling dort zu belassen, wo er aus ihr herausgeglitten war. Mit Hass dachte sie an Harold, der sich an ihr vergnügt hatte, sie gezwungen hatte, ihm zu Willen zu sein, und sie betrachtete das kleine, weiße Mädchen kalt und mit Verachtung. Sie peinigte die Kleine ein wenig mit einem Stöckchen, wurde dessen aber bald überdrüssig, und setzte unbeirrt ihre Reise nach Süden fort. Dem Säugling würdigte sie keinen Gedanken mehr.
Danach wurde ihr jedoch auch kein langes Leben mehr vergönnt. Sie hatte ihr Ziel fast erreicht, als Jäger sie in den Wäldern unter einem Baum schlafend vorfanden, sie einfingen, fesselten und in deren Lager brachten. Dort vergingen sie sich viele Nächte an ihr. Sie waren schon lange von ihren Frauen getrennt, und es bereitete ihnen Vergnügen dieses stolze, harte und schöne Wesen zu demütigen. Doch als sie schließlich ihrer überdrüssig wurden, beendeten sie rasch ihr Leben und vergruben sie unter einer alten Eiche.
Begegnungen
Er erhob sich, lauschend des fernen Geheuls und wandte sich dem Eingang der kleinen Höhle zu. Die fortschreitende Dämmerung ließ draußen alles wie im Zwielicht erscheinen. Er gehörte dem Volk der geflügelten Prinzen an, groß und kraftvoll. Er hatte langes, schwarzes Haar, eine sonnengebräunte, glatte Haut und dieses schöne Gesicht, das allen seines Volkes zuteil war.
Auf diesem lag nun der goldene Schein des kleinen Feuers, das die Höhle sanft erhellte.
Trotz des harten Winters bestand seine Kleidung aus eher dünnem, schwarzem Leder und er hielt seine ledernden, braunen Flügel halbgeöffnet vom Körper ab. Er trug nur wenige Felle und Taschen mit sich, obwohl seine Reise schon lange Jahre andauerte und noch lange nicht beendet war.
Draußen, vor der Höhle, tobte über dem Tal ein fürchterlicher Schneesturm und Raven verspürte nicht die geringste Lust diese zu verlassen, auch wenn ein Rudel Wölfe vielleicht eine warme Mahlzeit versprach.
„Nein, meine Brüder, heute abend ohne mich,“ flüsterte er in den Wind, der in die warme Höhle wehte und ihm Schneeflocken ins Gesicht trieb. Im Umdrehen hörte er wieder ihr Heulen, voller Hunger, aber auch voller Furcht. Ihre Rufe hallten in seiner Seele noch lange nach und er fühlte sich ihnen in ihrer Einsamkeit sehr verbunden. Hatte er doch als junger Mann seine Heimat verlassen, von einer tiefen Sehnsucht getrieben und reiste seitdem durch die Welt, immer auf der Suche nach etwas, dass er nie gefunden hatte. Nun kehrte er Heim von einer jahredauernden Suche und verspürte einen Schmerz, der so tief, so fest in seinem Innern saß, das ihn manchmal Angst vor seiner Zukunft beschlich. Angst vor einer einsamen, vor einer stillen Zeit und ihm wurde klar, dass sie derselbe Hunger nach Liebe und Vertrauen trieb. Nun, dachte er, das Wild ist fort, schon vor dem Winter in tiefere Täler gezogen, also entweder ein schlaftunkender Bär oder ein sehr, sehr dummer Mensch. Ein Bär hatte von ein paar klapprigen Wölfen nichts zu befürchten und ein Mensch? Sei es drum. Raven, Sohn seines Volkes, verachtete die Menschen ebenso sehr wie diese ihn und er würde nie einem Feind helfen. Dennoch, etwas ließ ihn einhalten. Es war ein sonderbares Gefühl, ein starker Drang, der Sache auf den Grund gehen zu müssen. Er trat in die schneedurchtoste Dunkelheit auf das Plateau vor der Höhle, und schwang sich, Kontrolle über seine Flügel suchend, in den Wind empor.
Der Schneesturm war dicht und die Sicht sehr schlecht. Der Wind heulte so sehr, dass er das andere Heulen darüber kaum vernehmen konnte. Nachdem er seinen Flug stabilisiert hatte, war es nicht mehr schwer das halbverhungerte Rudel auf einer großen Lichtung im Tal zu finden. Die Wölfe umschlossen in engeerwerdenden Kreisen einen kleinen Fellberg. Also, doch ein Bär, dachte Raven. Ein Jungtier, dem in seinem Bau wohl zu kalt geworden ist. Armer kleiner Kerl, dachte er mit Bedauern, aber ich werde dir nicht helfen können, das ist etwas, womit du allein mit fertig werden musst. Er beschloss zur warmen Höhle zurück zu kehren, doch etwas hielt ihn hier fest, zog ihn wie magisch zum Bündel, das bewegungslos auf dem Schnee lag.
Stimmt, bemerkte er, wie konnte ich das übersehen.
Er schallt sich einen Narren. Ein Bär, egal ob klein oder groß, würde toben, angesichts des hungrigen Rudels und auch ein Mensch würde versuchen sich zu wehren. Und noch etwas war Merkwürdig, denn, obwohl das Fellbündel völlig bewegungslos dalag, hatten die Wölfe große Angst davor und wohl nur ihr rasender Hunger ließ sie langsam näher rücken. Jetzt war seine Neugier geweckt und er beschloss, das Fellbündel samt Inhalt mit zur Höhle zu nehmen. Sollte der Inhalt sich doch als feindlich erweisen, konnte er es immer noch dem hungrigen Rudel überlassen oder gar mit denen teilen. Im Sturzflug, trotz schlechter Sicht, ergriff er das Bündel recht zielsicher und stellte überrascht fest, wie ungewöhnlich leicht es war. Die Wölfe, vorher schon verängstigt, suchten jetzt ihr Heil in der Flucht und rannten jaulend zurück in die dunklen, verschneiten Wälder.
Raven war verwirrt.
Nach dem er zur Höhle zurückgekehrt war, legte er das kleine, leichte Bündel nahe ans wärmende Feuer und nahm gegenüber Platz. Er war sehr neugierig auf das, was die Wölfe so eingeschüchtert hatte, doch es dauerte noch lange, bis die Felle sich zu rühren begannen. Er lehnte sich erwartungsvoll nach vorn, als eine kleine, weiße Hand langsam und tastend zum Vorschein kam.
Ein Kind! Dachte er mehr als überrascht.
Bei den alten Göttern, was suchte ein Kind mitten im Winter allein in den Bergen und warum hatten die Wölfe solche Scheu davor? Dann wich er verblüfft zurück, als der kleine Kopf zum Vorschein kam. Ihr kleines, elfenhaftes Gesicht wurde nur von ihrem langen, weißen Haar eingerahmt und er sah in die ungewöhnlichsten Augen, die er je erblicken sollte. Ihr blaugrüner Blick war verwirrt und unsicher und sie wich scheu, das Bärenfell mit sich zerrend, zur Höhlenwand zurück.
Er bemerkte, dass sie außer dem alten Bärenfell keine Kleidung oder Taschen trug.
„Auf was, bei den alten Göttern, bin ich hier gestoßen?“ Sprach er leise mehr zu sich, spürte er doch ihre Unsicherheit und wollte ihr etwas Zeit lassen. Von den Frauen der Völker wusste er, das diese irgendwann zu Reden begannen, egal wie tief der anfängliche Schock auch immer saß, und das konnte ihm manchmal recht lästig werden. Doch, obwohl er lange Zeit wartete, schien sie irgendwie anders zu sein. Er sah in ihre großen, leuchtenden Augen und beherrschte seine Aufregung nur schlecht.
„Sag, was treibst du hier allein in den Bergen,“ er sah sie neugierig an, „wo sind deine Leute, woher kommst du?“ Sie blickte langsam zum Höhleneingang, gab ihm aber keine Antwort. Ihr Blick war traurig und sehnsüchtig auf die Ferne gerichtet, so als warte sie auf etwas, auf jemanden, den sie sehr vermisste.
„Gut, du redest nicht mit jedem,“ meinte er resigniert, „das kann ich verstehen, ich mache das auch nicht, aber verrate mir doch wenigstens deinen Namen.“
Sie sah in verunsichert aber nicht unfreundlich und mit leicht schrägehaltendem Kopf an, blieb aber auch weiterhin stumm. Er betrachtete sie. Sah in ihr schönes, kleines Gesicht, bekämpfte dabei seine wilde Neugier und zuckte dann schließlich nur mit seinen Schultern.
„Nun denn, belassen wir es vorerst dabei, vielleicht reden wir später.“
Die Abenddämmerung wich langsam der Nacht und es wurde kälter in der kleinen Höhle, so das beide dichter ans Feuer rückten um sich zu wärmen. Raven besaß als Proviant Dörrfleisch und einige der kleinen, harten Äpfel, die im Norden wild wuchsen. Beim gemeinsamen Mahl betrachtete er sie etwas eingehender. Sie war ungewöhnlich, etwas wie sie war ihm noch nie zu Gesicht gekommen und er war schon weit gereist und hatte viel gesehen. Irgendwie war sie halb Mensch, halb Elf. Dennoch hatte sie auch etwas Fremdes an sich, ihre sonderbar leuchtenden Augen, wie aus einer anderen Welt. Sie steckte für ihn voller Rätsel, denn zwischen Menschen und Elfen gab es seines Wissens nach keine Verbindungen, die ein Wesen wie sie wachsen ließen. Zudem lebte das Elfenvolk viel weiter südlich, an den warmen Küsten des großen Meeres. Dennoch ähnelte sie