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deutete mit dem Kopf zur Tür. »Er ist im Wohnzimmer und sieht sich einen Polit-Talk an.«

      Diese Antwort erschreckte Robert ein wenig. Zum einen, weil dieser Klon jetzt in seine Wohnung eingezogen war. Zum anderen, weil er offensichtlich genau das tat, was Robert am Samstagmorgen zum Frühstück auch immer getan hatte: den Polit-Talk schauen.

      »Kann ich ihn sehen? Kann ich mit ihm sprechen?«

      »Na sicher, warum denn nicht? Nur ein paar wichtige Hinweise möchte ich Ihnen vorher noch mitgeben.«

      Robert stieg aus dem Bett und betrachtete sein Spiegelbild am Wandschrank. Er sah furchtbar aus. Als ob er drei Nächte nicht geschlafen hätte. »Dann schießen Sie mal los. Hoffentlich kann ich mir alles merken; mein Kopf fühlt sich an wie Blei.«

      »Das vergeht spätestens nach ein paar Stunden wieder. Sie haben alles bestens überstanden.

      Ihr Klon besitzt nun Ihr Gedächtnis, Herr Mester. Er könnte sich sogar an Dinge aus Ihrer frühesten Kindheit erinnern, die Sie längst vergessen haben - wenn wir ihn so programmiert hätten. Er wird sich von nun an genau so verhalten wie Sie. Er wird so sprechen wie Sie, er wird zur selben Uhrzeit schlafen gehen wie Sie. Er hat dieselben Vorlieben und Abneigungen. Dieselben Vorurteile, Schwächen und Stärken - es ist alles gleich.

      Ich musste das nochmal sagen, weil viele unserer Kunden darauf verunsichert reagieren. Es ist aber alles so, wie es sein soll. Es ist alles in Ordnung.«

      Robert nickte. »Hoffentlich. Das muss ja auch so sein. Wenn er zu meiner Betriebspsychologin geschickt werden sollte, wird er nicht auffallen, nehme ich an?«

      »Nein, er wird sich genauso verhalten wie Sie. Er wird nervös sein, schwitzen, um seinen Job bangen und sich letztlich von der ihm übergeordneten Autorität einschüchtern lassen, genau wie Sie.«

      Robert hob eine Augenbraue.

      Hendrik zuckte entschuldigend die Achseln. »Nichts für ungut. Er wird sich einfach wie ein normaler Mensch verhalten. Das wollte ich damit sagen.«

      »Schon klar. Aber, was ich mich die ganze Zeit über frage: Wie wird er sich mir gegenüber verhalten?«

      »Um es kurz zu sagen: neutral. Er weiß, dass Sie - der originale Robert - existieren. Er ist aber darauf programmiert, nie mit jemand anderem darüber zu sprechen, ja nicht einmal zu denken. Damit würde er sogar Neurohackings überstehen. Sobald sie beide in einem Raum sind, werden Sie für ihn so etwas sein wie sein Meister. Er wird gehorchen, was immer Sie ihm sagen. Er wird nichts, was Sie äußern, infrage stellen, oder darüber weiter nachdenken. Im Übrigen werden Sie und er ja nur ein paar Tage, höchstens ein paar Wochen zusammen leben, nur mit dem Unterschied, dass er zur Arbeit gehen und Freunde und Bekannte treffen wird, und Sie nicht. Sie werden zuhause bleiben und auf Ihren Ersatzchip mit der falschen Identität warten, den wir Ihnen implantieren werden.«

      Robert zog sich um und hielt kurz inne. »Dann wird er sich auch mit meiner Freundin Nicole zum Essen treffen?« Er hätte gar nicht aufzählen können, was ihm an diesem Gedanken alles nicht gefiel.

      »Selbstverständlich. Robert2 soll in keinster Weise irgendwie auffällig werden. Er wird all das tun, was Sie auch getan haben.« Hendrik schien zu ahnen, worauf sein Kunde hinauswollte. »Sie hatten doch keine... wie soll ich es sagen? Keine engere Beziehung zu dieser Nicole, oder?«

      »Nein. Hatte ich nicht.« Die Enttäuschung, die in dieser Antwort mitklang, war kaum zu überhören.

      »Dann wird es mit Robert2 auch dabei bleiben. Er wird nie eine Liebesbeziehung mit jemandem eingehen. Er wird daher auch nie Kinder und Familie haben wollen. Das habe ich Ihnen ja schon erklärt. Er wird so programmiert, dass er ein ganz normales, unauffälliges Leben führen wird. Er wird sich nie politisch engagieren, nie höhere Ziele anstreben. Und wenn er gekündigt werden sollte, dann wird er sich um einen neuen Job bemühen und denjenigen annehmen, der ihm angeboten wird, ohne sich zu beschweren. Er wird ein kleines Rädchen bleiben, das sich immer fleißig weiterdreht. Er wird alt werden und sterben. Ganz unauffällig.«

      Robert lachte innerlich verächtlich auf: Genau wie ich. Aber damit wird ab sofort Schluss sein - jedenfalls für mich.

      »Die perfekte Tarnung für ihn und für mich also«, sagte er und wollte ins Wohnzimmer gehen.

      »Eines noch, Herr Mester. Für den Fall, dass etwas schiefgeht, haben wir noch eine spezielle Funktion in den Klon programmiert.«

      Robert zuckte innerlich zusammen, als er 'schiefgeht' hörte. »Was sollte denn schiefgehen? Sie haben doch gesagt, Sie hätten das schon mehrfach gemacht und immer erfolgreich.«

      »Davon gehen wir auch bei Ihrem Fall aus. Aber Sie wissen so gut wie ich, dass immer etwas fehlschlagen kann. Es können Umstände eintreten, die wir nicht vorausahnen können. Das gilt insbesondere für die Zeit, in der Sie zusammen mit dem Klon unter einem Dach wohnen werden.«

      »Ja, ja. Schon gut, ich weiß auch, dass es Probleme geben kann. Von meiner Seite aus werden diese jedoch nicht entstehen. Ich will hier raus. So schnell wie möglich. Was ist das also für eine Funktion, von der Sie gesprochen haben?«

      »Es ist eine Terminierungseinrichtung für den Klon. Nur Sie, Herr Mester, sind befähigt, sie auszulösen.«

      »Sie meinen, ich soll im Notfall den Klon... töten?«

      Hendrik deutete ein Nicken an.

      Robert schluckte trocken. Auf so etwas hatte er sich gedanklich überhaupt nicht vorbereitet. Den Worst Case. Plötzlich schossen ihm lauter Dinge durch den Kopf, die schiefgehen konnten. Seine Flucht könnte auffliegen, sein Klon als eben solcher enttarnt werden. Hendriks Organisation könnte hochgenommen werden. Es könnte eine undichte Stelle darin geben, die alles ausplauderte. Er schüttelte diese Gedanken ab. Er konnte nicht mehr zurück. Er musste jetzt nach vorn blicken. Das war doch dasselbe wie die angsteinflößenden Nebenwirkungen auf dem Beipackzettel eines Medikaments. Sie konnten theoretisch auftreten, taten es aber bei den meisten Menschen dann nicht. Hier war es genauso: Unzählige Risiken standen ihm bevor, doch ihre Eintrittswahrscheinlichkeit war verschwindend gering.

      »Und wie funktioniert diese Terminierung?«

      »Ganz einfach. Es ist ein Satz, den Sie in Gegenwart des Klons zweimal hintereinander sagen müssen. Nur Ihre Stimme kann die Terminierung auslösen. Würde jemand anderes die Worte sprechen, blieben sie wirkungslos. Dies ist aber wirklich nur für den absoluten Notfall vorgesehen. Es kann auch sein, dass ich Ihnen sagen werde, dass wir den Klon eliminieren müssen. Wir werden das jedoch nicht tun können, sondern nur Sie mit Ihrer Stimme.«

      »Welche Worte töten den Klon?«

      »Es ist ein Satz: mens agitat molem.«

      »Verstand siegt über Materie« Roberts Latein war stark eingerostet, und er war sich ziemlich sicher, dass es sich um ein Zitat des Dichters Vergil aus der römischen Antike handelte.

      »Wenn Sie Robert2 diese drei Worte zweimal hintereinander sagen, dann wird eine Überlastung in seinem Gehirnimplantat ausgelöst, die auf der Stelle zum Tod führen wird. Sollte man ihn untersuchen, wird man feststellen, dass er an einem plötzlichen Hirnschlag gestorben ist. Es würde sogar funktionieren, wenn Sie ihm die Worte übers Telefon oder Videochat vom anderen Ende der Welt aus sagen würden. Noch einmal: Nur Ihre Stimme kann die Überlastung des Implantats auslösen.«

      Robert runzelte die Stirn. »Wenn meine Stimme es auslösen kann, dann könnte es auch seine Stimme tun, oder? Er hat doch dieselbe Stimme wie ich.«

      »Er könnte, aber er kann nicht. Er kennt die Worte. Sie sind in seinem Chip gespeichert, aber er wird sie aus einem programmierten Selbsterhaltungstrieb nicht aussprechen.«

      »Und wieso können Sie ihn nicht einfach abschalten, wenn es erforderlich ist?«

      »Wir sind nur so lange an der Angelegenheit beteiligt, wie wir Zeit benötigen, Sie zu Ihrem Ziel zu bringen. Danach werden sich unsere Wege nicht mehr kreuzen. Sollte unsere Organisation - aus welchen Gründen auch immer - nicht mehr existieren oder durch die Behörden infiltriert

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