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Wir denken an..... Heinrich Jordis-Lohausen
Читать онлайн.Название Wir denken an....
Год выпуска 0
isbn 9783753190594
Автор произведения Heinrich Jordis-Lohausen
Жанр Документальная литература
Серия Wir denken an ....
Издательство Bookwire
Das bäurisch-knorrige oder tiefsinnig- vergrübelte – wie manchmal etwa bei seinem Landsmann Egger-Lienz – sucht man vergebens bei ihm. Eher haftet seinen Darstellungen etwas still Beglückendes an. (Man denke an seine „Erste Pfeife“ oder „Der erste Unterricht“).
Manchmal wieder sind sie voll leisen Humors wie das, nicht ohne eine gewisse Ironie des Schicksals, ausgerechnet in die Berliner Nationalgalerie gelangte Gemälde der „Salontiroler“.
Es sind Volkszenen – meist größere Gruppen von einem guten Dutzend Personen – die Defregger neben seinen historischen Darstellungen bei seinen Zeitgenossen bekannt und beliebt gemacht haben. Trotzdem – und trotz seiner unzweifelhaften Könnerschaft auf dem Gebiete der Gruppendarstellung – will es uns scheinen, als habe Defregger sein Größtes nicht hier erreicht (und überhaupt nicht in der Wiedergabe der menschlichen Gestalt) – sondern in einem weniger volkstümlichen und auch weniger auffallenden Bereich, in welchem er seine Meister und Lehrer Piloty weithin übertraf.
Es scheint, dass der kindhaft fromme Defregger seinen Gott am liebsten in einsamer Kammer suchte, und ihn dort zuweilen die große Andacht befiel, die ehrfürchtig jeden Lichtstrahl umfängt, der – Gleichnis einer innigeren und tieferen Welt – die armseligen Gegenstände einer im Halbdunkel verdämmernden Knechtstube umspielt.
Manchmal – so in dieser „Ölstudie“ – war auch Defregger ein Maler des Stillen und als solcher – ausnahmsweise – auch ein Großer und Begnadeter.
Albin Egger-Lienz.
„Was die andern können, das kann ich auch, aber ich habe mehr Inhalt.“
Ein bedeutsames Wort, denn Eggers Können bekam Inhalt erst, als er seiner – der Münchner – Schule entwuchs und aus dem bloß malerischen vorstieß ins Dichterische. Und aus seinen Werken Aussagen wurden. Denn einem Gemälde genügt es vielleicht, bloß gekonnt zu sein. Von einer Aussage verlangt man mehr. Die kann nur geben, wer etwas zu sagen hat. Er war (wie Leonardo) Sohn eines Bauernmädchens, wie es hieß, der Schönsten der Gegend. „Ihr Antlitz glich dem einer Madonna, ihr Gang war von königlichem Stolz“.
Es hat seine Mutterschaft in ungewöhnlicher Selbstüberwindung durch Jahre hindurch vor dem eigenen Kinde verborgen, denn Albin Ingenuin wuchs (wieder wie Leonardo) bei seinem Vater auf und bekam später auch dessen Namen.
So hielt er lange Zeit seine Stiefmutter für die eigene und wusste nicht, wer die junge Frau eigentlich war, zu der er manchmal auf ihr nahegelegenes Dorf zu Besuch kam.
Aber ihre Haltung und Art war die Seine und vielleicht war ihr Erbteil das „Staunen des Künstlers“ vor dem ewigen Wunder: die großen offenen Augen vor der Stille der Welt.
Bis zu seinem 13. Jahre ging Egger in seiner Heimatstadt Lienz bei den Franziskanern zur Schule. Dann vergingen erst drei weitere Jahre, bis es sich allmählich entschied, dass Albin wirklich Maler werden sollte.
Schon der Vater – Egger nannte ihn seinen besten Freund – war es in seiner Jugend gewesen (der Großvater in Ober- drauburg immerhin Bildhauer und Holzschnitzer) und wollte nun, da er sein Talent an zahlreichen Proben erkannte, seinem Sohn die Ausbildung geben, die ihm einst verwehrt worden war. So kam es, dass Egger im Oktober des Jahres 1886 den Weg nach München antreten konnte.
Seine ersten dortigen Bilder, noch auf der Akademie gemalt, zeigen ihn auf den Spuren Defreggers. Nach einigen Bauernszenen im Stil seines Landsmannes, verlockt ihn dessen Meisterwerk „Das letzte Aufgebot“ zu einem ähnlich empfundenen „Ave nach der Schlacht am Bergisel“.
Schon deutet sich in Einzelheiten die künftige Eigenart an, aber noch bedarf es mehrerer Jahre und zuletzt des Anstoßes einer neuen Umgebung, um sie endgültig zum Durchbruch zu führen.
Damals, im Jahre 1899, zog Egger nach 15-jährigem Aufenthalt an der Isar seiner jungen Gattin zuliebe nach Wien.
Die Wende brachte „Das Kreuz“ – wieder eine Darstellung aus den Tiroler Freiheitskämpfen. Schon schien es, als dränge die Ausdruckskraft Eggers zur eigentümlichen Dämonie eines Alfred Kubin.
Denn weit entfernt von der wohlgesetzten Würde der ausziehenden Alten in Defreggers „Aufgebot“, gemahnen Eggers nachtschattenhaft verzerrten Bauerngesichter unter den spukhaften Hüten mehr an ein Traumgeschehen, als an ein historisch-verbürgtes Erlebnis.
Doch brachte Egger dasselbe Thema 10 Jahre später abermals – nun unter dem Titel „Haspinger“ – und wieder in Form wie Ausdruck vom letzten völlig verschieden.
Was dort noch seltsam zwiespältig erschien, ist hier handfest und klar und alles Gespenstische unterdrückt, zugunsten eines rein dynamischen Prinzips – der mitreißenden Bewegung der sich im Gleichtritt bergab stürmenden Bauern.
Um deren Wirkung weiter zu verstärken, schneidet Egger die rückwärtigen Reihen unbedenklich durch den oberen Bildrand an Hals oder Schulter ab und unterstreicht damit gleichzeitig durch die Anonymität ihrer Körper den Eindruck des Unpersönlichen und Massenhaften. Nicht Köpfe oder Gesichter beherrschen das Bild wie im „Kreuz“, sondern Arme und Beine und alles Geistige wird bewusst zurückgedrängt zugunsten einer äußersten Steigerung von Rhythmus und Blut.
Stärker noch, weil tiefer gegründet, berührt Eggers gleichzeitiger „Totentanz“. Koboldhafte Klobigkeit erinnert an frühgotische Holzschnitzereien.
Er zeigt vier Bauern, zeitlos in ihrer Kleidung (wie die des „Haspinger“ auch), aber mit den Waffen der Bauernkriege – Morgenstern, Knüppel und schwere Büchse – auf ihrem Gang in den Krieg.
Kein Strich an ihren verschlossenen Gesichtern, keine Linie ihrer sich schwer über die Erde schleppenden Körper ist zu viel. Auch ohne den begleitenden Gevatter Tod scheint ihr Schicksal und das, das sie bringen, unwiderruflich. Das ganze Bild wie ein Bibelwort: „Wer das Schwert nimmt, wird auch durch das Schwert umkommen“.
Schon hier hat Egger wie überall da, wo dem menschlichen Antlitz tiefere Bedeutung zukam, streng nach der Natur gearbeitet und keine Mühe gescheut, die jeweils voll entsprechenden Modelle zu finden.
Er mied dabei jene ebenmäßig gefälligen Köpfe, denen Defregger seine Vorbilder entnahm. Er suchte vielmehr das Unebenmäßige, der Erde und dem Leben auf ihr in seiner ganzen Härte Verhaftete, in den Zügen seiner Bauern – und das Schwere und Ungeschlachte an ihnen, fern aller spielerischen Leichtigkeit.
Und wo immer er ausnahmsweise versuchte, ein Bild der Anmut zu zeichnen, versagte er, wie vor dem Bildnis seiner Tochter Lorli.
Seine Lieblingsmodelle waren die Bauern und Hirten der innersten Täler. Sie besuchte er Jahr für Jahr in der Einöde ihrer Höfe und galt ihnen als einer der Ihren. Diese Jahre vor dem ersten Weltkrieg waren für Egger Jahre vollreifen Gelingens. In keinem der späteren vollbrachte er ähnlich Ausgewogenes, Vollendetes, wie damals auf der stillen Höhe seines Lebens. Neben zeichnerisch betonten Entwürfen, wie dem „Haspinger“ stehen ausgesprochen malerisch empfundene wie die „Bergmänner“ oder die beiden ersten Fassungen des „Mittagsbrotes“. Dabei griff Egger mit Vorliebe auf schon einmal behandelte Motive zurück und gestaltete sie, immer wieder bewegt vom ewigen Gleichschlag bäuerlichen Lebens, immer wieder neu. Eine seiner größten Schöpfungen allerdings blieb unwiederholt. Sie heißt „Die ruhenden Hirten“ und gehört zu den größten Schöpfungen der deutschen Malerei überhaupt. Nichts als die massigen Umrisse zweier vor den Horizont gekauerten Gestalten. Über unkenntlichen Gesichtern die dunklen Schlagschatten formloser Hüte – wie sie von Hirten nirgendwo in der Welt getragen werden könnten – vielleicht heute, vielleicht morgen, vielleicht vor tausend, vielleicht in tausend Jahren.
Alles landschaftlich oder