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zu einem Paulus! Auch hier half das anfänglich von den bunten Kirchenfenstern getönte Dämmerlicht, welches sich dann, während des Betens langsam in tiefes Dunkel verwandelte, wohlig erleuchtet von den leicht im Lufthauch flackernden Kerzen, den mystischen Keim in mir wachsen zu lassen. Ich labte mich an dieser Atmosphäre, wie ein Opiumraucher an seiner Pfeife, wollte sie andauern lassen.

      Natürlich hatte ich nie Opium geraucht, kannte das Wort nur aus Abenteuerromanen. Hatten wir kein Geld für Tabak, dann lasen wir Kippen auf und bröselten sie in unsere Pfeifen. Oder schnitten im Wald ‚Judenstricke‘ ab und zündeten sie an, diese langen Lianen, an denen wir uns manchmal wie Tarzan durch das Unterholz hangelten, laute Schreie von uns gebend, wie Jonny Weissmüller, wenn er Jane verfolgte. Mit ihrem Rauch husteten wir uns schier die Lunge aus dem Leib. Meine Mutter, die im Krieg als Krankenschwester im Lazarett das wieder zusammenflickte, was die Produkte der Waffenfabrikanten zerstückelt hatten, erzählte mir manchmal, dass sie den Verletzten Opium oder Morphium verabreicht hatten, wenn die Schmerzen unerträglich wurden. „Du hättest sehen sollen, wie friedvoll dann ihr Gesichtsausdruck war!“ Plötzlich verstand ich den Ausspruch Karl Marx, der Religion als Opium für das Volk bezeichnete! Eine Droge, um den Weltschmerz und die Sorgen des Alltags ertragen zu können. Bevor man davon durch den Tod erlöst wurde. Nie hatte ich einen solchen süßen Rausch erlebt wie an diesen Andachts-Abenden! Alkoholrausch kannte ich schon und ich schüttelte mich allein bei dem Gedanken, wie mir danach am nächsten Morgen zumute war. Der Rausch einer Andacht aber kannte keinen Kater am nächsten Morgen, mein Geist sehnte sich erneut nach diesem Zustand. Ich konnte ohne nicht mehr sein!

      Der Mai und seine speziellen Marienandachten ging zu Ende und der Alltag mit dem üblichen abendlichen Rosenkranz um 20 Uhr trat an seine Stelle. Ich ging weiterhin abends in die Andacht, oft begleitet von meinem Freund Toni und bisweilen anderen, die wir für diese fromme Sache hatten gewinnen konnten. War das ein Anzeichen, dass ich süchtig geworden war? Waren die Rosenkränze bisher fast ausschließlich Altweibersache gewesen, so verjüngte sich jetzt das Publikum. Ich hatte bemerkt, dass eine alte Frau, die Mina, wohl ihr Leben lang Jungfer geblieben, sei es aus Hingabe zu Gott oder wegen eines zu kurzen Beines, vor den Andachten die Kerzen anzündete und sie nachher auslöschte. War sie verhindert, machte das der Pfarrer selber. Da ich ja inzwischen zu den ‚Regelmäßigen‘ gehörte und kaum eine Andacht ausließ, bot ich dem Pfarrer an, diese Tätigkeit zu übernehmen.

      Der nahm mein Angebot erfreut an, sicherlich froh über meine plötzliche Begeisterung. Er erklärte mir, wie man die langen Stangen mit dem dicken Docht oben dran beim Anzünden handhabt und wie man beim Ausmachen mit dem gegenüber angebrachten Hütchen langsam die Flamme erstickte oder mit einem anderen Gerät, das eigentlich ein langes Rohr war, an dem sich unten ein Gummiball befand und oben ein Ring, auf der Innenseite mit Löchern versehen, ausblies. Man musste nun mit ruhiger Hand das lange Rohr zur Kerze führen, langsam den Ring um die Flamme postieren und auf den Gummiball drücken, um die Kerze auszublasen. Langsam verglühten die Dochtenden und verteilten ihren speziellen, mich schier berauschenden Duft im Kirchenschiff. Und wenn dann die schlurfenden Schritte der letzten Rosenkränzler draußen verstummt waren, gehörte die Kirche mir. Mir und Gott. Der Pfarrer war schon verschwunden oder werkelte noch in der Sakristei rum. Ich genoss diese Augenblicke wie ein Derwisch seine Trance. Mir war, als hätte ich mich nie zuvor so wohl gefühlt, sogar eine Selbstbefriedigung und der Orgasmus, der folgte, war nichts im Vergleich mit meinem jetzigen euphorischen Zustand! Vielleicht trug dazu bei, dass jetzt das Damoklesschwert der Todsünde und der ewigen Verdammnis nicht mehr über mir schwebte. Was ich tat, war ja in den Augen Gottes wohlgefällig, wie es irgendwo in der Bibel steht.

      Um mich noch nützlicher zu machen und vielleicht auch um diese Atmosphäre länger andauern zu lassen, ließ ich mir vom Pfarrer zeigen, wie man die Frühmesse des nächsten Tages vorbereitet, wie man nach dem liturgischen Kalender des Bistums im Messbuch die richtigen Seiten ausfindig macht und mit Bändeln markiert, die Messgewänder in den entsprechenden Farben vorbereitet, den Wein bereitstellt oder öffnet und was sonst noch hinter den Kulissen zu tun ist, damit das Zeremoniell der heiligen Messe reibungslos abläuft. Somit wurde ich im Laufe der Wochen zum ‚Rosenkranz-Mesner‘ ernannt. Ich war irgendwie stolz darauf, obwohl mir bewusst war, dass Stolz eine der Kardinalsünden ist. Aber jetzt fühlte mich als vollwertiger Teil der Kirche und ging das erste Mal dem Gedanken nach, vielleicht eines Tages selber Priester zu werden. Ich erlegte mir selbst eine Prüfung auf: Da ja der Zölibat, also die Ehelosigkeit eine, vielleicht sogar die Hauptvoraussetzung für diesen Beruf ist, nahm ich mir vor, keusch zu leben. Würde ich das schaffen, sagte ich mir, wäre ich für diesen Weg geeignet. Wie hieß es in der Bibel? „Viele sind berufen, aber wenige nur sind auserwählt“ Und: „Wer mir nachfolgen will, nehme sein Kreuz auf sich, verleugne sich selbst und folge mir nach“. Natürlich ging ich vormittags weiterhin zur Oberschule, stand doch die mittlere Reife an, die ich unbedingt schaffen wollte. Wenn die Zeit es zuließ, ging ich sogar werktags in die Frühmesse und fuhr nachher mit dem Moped, welches ich mir heimlich von meinem in den Ferien verdienten Geld gekauft hatte, in die Schule.

      Meine evangelischen Freunde traf ich weniger, vor allem, da ich abends dermaßen beschäftigt war und keine Zeit mehr für den üblichen Unsinn hatte. Auch meine anderen Freunde sah ich jetzt etwas seltener, außer die katholischen, die vor allem am Freitag- und Samstagabend während der Rosenkranzandacht zum Beichten gingen. Dann überließ der Pfarrer das Vorbeten einer der ihm und Gott voll ergebenen Frauen und zog sich in den Beichtstuhl zurück.

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