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Heloise“ heißt.“

      Gilbert Keith Chesterton

      Ein Pfeil vom Himmel - Pater Brown

      Hunderte von amerikanischen Detektivgeschichten fangen damit an, dass ein amerikanischer Millionär ermordet wird; aus dunklen Gründen betrachtet man ein solches Ereignis als Unglück. Auch die vorliegende Geschichte beginnt erfreulicherweise mit einem ermordeten Millionär. Ja, in gewissem Sinn sogar mit dreien, was manche ohne Zweifel als ein Zuviel des Guten empfinden werden. Aber gerade durch diese Häufung von verbrecherischen Anschlägen zeichnete sich dieser Fall vor anderen Kriminalfällen aus, wurde er zu einem so absonderlichen Rätsel.

      Allgemein hieß, sie seien einer Vendetta oder einem Fluche zum Opfer gefallen, der sich an den Besitz einer geschichtlich wie geldlich gleich wertvollen Reliquie heftete – eine Art Kelch, der mit kostbaren Steinen eingelegt und in Kennerkreisen als „Koptenpokal“ bekannt war. Sein Ursprung war zweifelhaft, der Zweck vermutlich kirchlich. Manche führten das Schicksal, das seine Besitzer zu ereilen pflegte, auf den Fanatismus irgendeines orientalischen Christen zurück, der sich darüber entsetzte, dass der heilige Gegenstand durch so weltliche Hände ging. Der geheimnisvolle Mörder hatte bereits, ob Fanatiker oder nicht, in der Welt der Presse und des Klatsches eine brennende und sensationelle Neugier erweckt. Der Namenlose war mit einem Namen – besser gesagt einem Spitznamen, versehen. Wir aber beschäftigen uns nur mit der Geschichte des dritten Opfers. Denn nur in diesem Falle hatte ein gewisser Pater Brown, der Held dieser Skizzen, Gelegenheit, seine Anwesenheit zur Geltung zu bringen. Sobald Pater Brown den Ozeandampfer verließ und den Fuß auf amerikanischen Boden setzte, mußte er die Entdeckung machen – wie schon andere Engländer vor ihm – dass er eine über Erwarten wichtige Persönlichkeit sei. Seine untersetzte Gestalt, sein Gesicht mit den kurzsichtigen und einfachen Zügen, seine etwas abgenutzte schwarze geistliche Kleidung wären bei ihm zu Hause niemals aufgefallen – höchstens als besonders unauffällig. Amerika aber hat eine geniale Art, den Ruhm zu züchten. Sein Mitwirken bei ein oder zwei merkwürdigen kriminellen Fällen und seine lange Bekanntschaft mit dem früheren Verbrecher und jetzigem Detektiv Flambeau hatten in Amerika aus einem bloßen Gerücht, wie es in England verbreitet war, ihm einen Ruf geschaffen. Sein rundes Gesicht war starr vor Staunen, als ihm eine Gruppe Journalisten am Kai auflauerte wie eine Räuberbande und ihm eine Reihe von Fragen stellte, für die er sich am allerwenigsten maßgebend vorkam – wie zum Beispiel die Frauenmode oder die Verbrecherstatistik des Landes, das er in diesem Augenblick zum erstenmal erblickte. Vielleicht fiel ihm gerade im Gegensatz zu der Einmütigkeit dieser schwarzen Gruppe eine andere Gestalt ins Auge, die sich ebenfalls gegen das zu dieser Zeit und an diesem Orte blendend weiße Tageslicht schwarz abhob, aber ganz einsam dastand: ein langer, gelblicher Mann mit großer Brille, der ihn, als die Journalisten fertig waren, mit einer Bewegung aufhielt und fragte: „Verzeihen Sie, aber vielleicht suchen Sie Hauptmann Wain?“

      Zu Pater Browns Entschuldigung – denn er selbst hätte sich gewiß aufrichtig entschuldigt – muß man anführen, dass er Amerika zum erstenmal sah – besonders aber diese besondere Sorte Hornbrille, die damals noch nicht in England Mode war wie heute. Er hatte im ersten Augenblick die Empfindung, ein Meerungeheuer mit riesigen, hervorstehenden Augen zu erblicken, das eine entfernte Ähnlichkeit mit einem Taucher hatte. Der Herr war im übrigen höchst geschmackvoll gekleidet, und dem naiven Pater schien die Hornbrille den eleganten Menschen förmlich zu entstellen, als hätte sich ein Geck als letzten Schick ein Holzbein zugelegt. Auch die Frage setzte ihn in Verlegenheit. Ein amerikanischer Flieger namens Wain, ein Freund seiner französischen Freunde, stand allerdings auf der langen Liste von Personen, die er während seines Besuches in Amerika besuchen wollte, aber er hatte nie erwartet, ihn so bald zu treffen.

      „Verzeihen Sie“, fragte er zögernd, „sind Sie Hauptmann Wain? Oder – oder kennen Sie ihn?“

      „Dass ich nicht Hauptmann Wain bin, steht für mich so ziemlich fest“, antwortete der Bebrillte mit unbeweglichem Gesicht. „Das war mir klar, als ich ihn da drüben im Auto auf Sie warten sah. Aber die zweite Frage ist nicht so einfach zu beantworten. Ich glaube Wain und seinen Onkel und den alten Merton zu kennen – ich kenne den alten Merton, aber der alte Merton kennt mich nicht. Verstehen Sie?“

      Pater Brown verstand nicht ganz. Er blinzelte die glänzende Seelandschaft und die Türme der Stadt an, und dann auch den Bebrillten. Nicht nur die Maske auf den Augen ließ sein Gesicht undurchdringlich erscheinen. Etwas in seinem gelben Gesicht sah asiatisch, ja sogar chinesisch aus – seine Sprache schien aus verschiedenen Lagen Ironie zu bestehen. Er gehörte zum Typ des rätselhaften Amerikaners, der sich mitten in der offenherzigen und geselligen Bevölkerung manchmal findet.

      „Ich heiße Drage“, sagte er, „Norman Drage, und bin amerikanischer Bürger, was vieles erklärt. Jedenfalls vermute ich, dass ihr Freund Wain ihnen so manches mitteilen möchte – also gedulden wir uns noch etwas.“

      Pater Brown wurde in benommenem Zustand zum Auto geschleppt, das in einiger Entfernung wartete. Ein junger Mensch mit Büscheln von zerzaustem blondem Haar und etwas gequältem und abgespanntem Gesichtsausdruck rief ihn von weitem an und stellte sich als Peter Wain vor. Bevor Pater Brown zur Besinnung kam, saß er schon fest im Wagen und fuhr mit beträchtlicher Geschwindigkeit durch die Stadt und darüber hinaus. Er war das heftige amerikanische Zugreifen nicht gewohnt und fühlte sich so verwirrt, als hätte ihn ein mit Drachen bespannter Wagen ins Märchenland entführt. Unter so beunruhigenden Umständen hörte er zum ersten Male in langen Monologen von Wain und in kurzen Sätzen von Drage die Geschichte des Koptenpokals und der beiden Verbrechen, die damit zusammenhingen.

      Wain hatte, wie es schien, einen Onkel namens Crake und dieser einen Kompagnon namens Merton. Dieser Merton war der dritte Besitzer des Pokals, wie die ersten beiden ein reicher Geschäftsmann. Der erste, der bekannte Kupferkönig Titus P. Trant, hatte von einem Unbekannten, der sich Daniel Boon nannte, Drohbriefe erhalten. Der Name war vermutlich ein Pseudonym, vertrat aber nun bereits eine sehr bekannte, wenn nicht volkstümliche Figur. Denn soviel stand bald fest: der Schreiber der Drohbriefe beschränkte sich nicht auf Drohungen. Jedenfalls wurde der alte Trant eines Morgens tot aufgefunden. Sein Kopf lag in seinem eigenen Zierteich, und vom Täter fehlte jede Spur. Glücklicherweise wurde der Pokal auf der Bank aufbewahrt. Er ging mit dem übrigen Vermögen an Trants Vetter Brian Horder über, der ebenfalls schwer reich war und von dem namenlosen Feinde bedroht wurde. Man fand ihn tot am Fuße eines Felsens in der Nähe seiner Strandvilla, in der ein Einbruch – diesmal großen Stils – stattgefunden hatte. Denn obwohl der Pokal wieder heil davonkam, wurden so viele Aktien und Pfandbriefe gestohlen, dass Horders Angelegenheiten in die größte Verwirrung gerieten.

      „Brian Horders Witwe mußte alle Wertgegenstände verkaufen, glaube ich“, erklärte Wain, „und wahrscheinlich hat Brander Merton damals den Pokal erworben, denn als ich ihn kennenlernte, war er bereits glücklicher Besitzer. Aber Sie werden sich selbst sagen, dass es nicht gerade bequem ist, ihn zu haben.“

      „Hat Herr Merton auch Drohbriefe bekommen?“ fragte Pater Brown nach einer Pause. „Ich glaube schon“, sagte Herr Drage, und ein Etwas in seiner Stimme ließ den Priester neugierig aufblicken, bis er bemerkte, dass der Bebrillte leise lachte, und zwar auf eine so sonderbare Weise, dass es dem Neuangekommenen kalt über den Rücken lief.

      „Ich bin ziemlich davon überzeugt“, sagte Wain mit Stirnrunzeln. „Ich habe die Briefe nicht gesehen. Er zeigt seine Briefe überhaupt nur seinem Sekretär, denn er ist in solchen Dingen sehr verschlossen, ganz begreiflich bei einem so großen Geschäftsmann. Aber ich war dabei, wie er sich über Briefe wirklich aufregte und bedrückt fühlte; und gerade diese Briefe zerriß er, bevor sein Sekretär sie zu Gesicht bekam. Jetzt ist sogar der Sekretär schon nervös geworden, er behauptet, dass irgend jemand dem Alten auflauert. Kurz und gut, wir wären Ihnen für ihren Rat sehr dankbar. Man kennt ihren Ruf, Pater Brown, und deshalb hat mich der Sekretär gebeten, Sie gleich in Mertons Haus hinüberzubitten.“

      „Jetzt verstehe ich“, sagte Pater Brown, dem endlich der Zweck der Entführung aufging. „Aber ich sehe wirklich nicht ein, was ich noch dabei soll. Sie sind doch an Ort und Stelle und müssen über hundertmal mehr Einzelheiten verfügen, aus denen Sie Schlüsse ziehen können, als ein zufälliger Besuch.“

      „Jawohl“,

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