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etwa vor? Mir ist wenig daran gelegen; seid Ihr ein Esel, so gebe ich Euch die Peitsche, seid Ihr ein Starmatz, so rupfe ich Euch.«

      »Mein Herr,« sagte Eustache, »es ist mein Stiefsohn; ich bitte Euch, behandelt ihn besser aus Rücksicht für mich.«

      »Ah! so verteidigt Ihr mich, Stiefvater,« rief Militor außer sich; »da werde ich mich besser allein verteidigen.«

      »In die Schule mit diesen Kindern, in die Schule!« sagte Ernauton.

      »In die Schule?« rief Militor, mit aufgehobener Faust gegen Herrn von Carmainges vorrückend, »ich bin siebzehn Jahre alt, versteht Ihr wohl, mein Herr?«

      »Und ich bin fünfundzwanzig,« entgegnete Ernauton, »und deshalb will ich Euch, wie Ihr es verdient, zurechtweisen.«

      Und er packte ihn beim Kragen und am Gürtel, hob ihn von der Erde auf und warf ihn wie einen Ballen zum Fenster des Erdgeschosses hinaus auf die Straße, während Lardille ein Geschrei ausstieß, daß die Wände hätten einfallen sollen.

      »Nun mache ich aus Stiefvater, Stiefmutter, Stiefsohn und allen Stieffamilien der Welt Fleisch zu Pasteten, wenn man mich noch einmal stört,« fügte Ernauton ruhig bei.

      »Wahrhaftig, ich finde, er hat recht,« sagte Miradoux, »warum diesen Edelmann reizen?«

      »Ah! Feiger, der seinen Sohn schlagen läßt,« rief Lardille, auf Eustache zurückend und ihre zerstreuten Haare schüttelnd. »Nun, nun, nun,« sagte Eustache, »das bildet seinen Charakter.«

      »Ah! ah! sagt doch, man wirft also hier die Leute aus dem Fenster?« rief ein Offizier, der eben eintrat; »was Teufels, wenn man solche Späße treibt, sollte man wenigstens ›Aufgepaßt da unten!‹ rufen.«

      »Herr von Loignac!« riefen zwanzig Stimmen.

      »Herr von Loignac!« wiederholten die Fünfundvierzig.

      Und bei diesem in der ganzen Gaskogne bekannten Namen standen alle auf und schwiegen.

      Herr von Loignac.

      Hinter Herrn von Loignac trat Militor, wie gemahlen durch seinen Sturz und purpurrot vor Zorn, ein.

      »Ich grüße Euch, meine Herren,« sagte Loignac; »mir scheint, es geht etwas stürmisch zu. Ah! ah! Meister Militor hat wieder den Zänker gemacht, und darunter muß seine Nase leiden.«

      »Man wird mir meine Schläge bezahlen,« brummte Militor, Carmainges die Faust weisend.

      »Tragt auf, Meister Fournichon,« rief Loignac, »und jeder sei freundlich gegen seinen Nachbarn. Von diesem Augenblick an sollt Ihr Euch lieben wie Brüder.«

      »Hm!« machte Sainte-Maline.

      »Die Nächstenliebe ist selten,« sagte Chalabre, während er über seinem eisengrauen Wams seine Serviette so ausbreitete, daß ihm kein Unfall begegnen konnte, wie groß auch der Überfluß an Brühen sein mochte.

      »Und sich so von nahem lieben ist schwierig,« fügte Ernauton hinzu, »allerdings sind wir nicht auf lange Zeit beisammen.«

      »Seht,« rief Pincorney, der Malines Spöttereien noch auf dem Herzen hatte, »man verhöhnt mich, weil mir mein Hut abhanden gekommen ist, und man sagt nichts über Herrn von Montcrabeau, der mit einem Panzer aus der Zeit des Kaisers Pertinax, von dem er aller Wahrscheinlichkeit nach abstammt, zu Mittag speisen will.... Das ist Defensive.«

      Montcrabeau erhob sich gereizt und sagte mit einer Falsettstimme: »Meine Herren, ich nehme ihn ab, dies zur Kunde für die, die mich lieber mit Angriffswaffen als mit Verteidigungswaffen sehen.«

      Und er band majestätisch seinen Panzer los und befahl seinem Lakaien, einem Graukopf von fünfzig Jahren, zu ihm zu kommen.

      »Friede, Friede!« rief Herr von Loignac, »setzen wir uns zu Tische!«

      »Befreit mich von diesem Panzer, ich bitte Euch,« sagte Pertinax zu seinem Lakaien.

      Der Graukopf nahm ihn aus seinen Händen und fragte leise: »Und ich, werde ich nicht auch zu Mittag essen? Laß mir doch etwas geben, Pertinax, ich sterbe vor Hunger.«

      Diese Aufforderung, so seltsam vertraulich sie auch sein mochte, erregte durchaus nicht das Erstaunen dessen, an den sie gerichtet war.

      »Ich werde tun, was mir möglich ist,« antwortete er, »doch zu größerer Sicherheit seht Euch selbst danach um!«

      »Hm!« machte der Lakai mit verdrießlichem Ton, »das ist durchaus nicht beruhigend.«

      »Habt Ihr denn gar nichts mehr?« fragte Pertinax.

      »Wir haben unsern letzten Taler in Sens verzehrt.«

      »Nun, so sucht irgend etwas zu Geld zu machen.«

      Kaum hatte er dies gesprochen, als man auf der Straße und dann auf der Schwelle des Wirtshauses rufen hörte: »Alteisenhändler! wer verkauft Eisen?«

      Bei diesem Rufe lief Frau Fournichon nach der Tür, während Fournichon majestätisch die ersten Platten auftrug. Nach dem Empfang, der ihm zuteil wurde, war Fournichons Küche ausgezeichnet.

      Fournichon wollte seine Frau an den Komplimenten teilnehmen lassen. Diese war aber dem Rufe des Alteisenhändlers gefolgt und hatte ihm, wie sie selbst, bald zurückkehrend, sehr zum Ärger ihres kriegerischen Gatten erzählte, einen alten Panzer und eine Sturmhaube für zehn Taler verkauft. Diese Nachricht regte die Anwesenden nicht wenig auf. Loignac rief:

      »Angenommen, diese alten Waffen haben zusammen zwanzig Pfund gewogen, so ist das ein halber Taler für das Pfund. Parfandious! wie einer von meinen Bekannten sagt, darunter steckt ein Geheimnis.«

      »Oh! daß ich diesen braven Handelsmann in meinem Schlosse hätte,« sagte Chalabre, dessen Augen sich entzündeten, »ich würde dreißig Zentner Armschienen, Beinschienen und Panzer an ihn verkaufen.«

      »Wie? Ihr würdet die Rüstungen Eurer Ahnen verkaufen?« sagte Sainte-Maline mit spöttischem Tone.

      »Ah! mein Herr, Ihr hättet unrecht,« rief Eustache von Miradoux; »das sind heilige Reliquien.«

      »Bah!« versetzte Chalabre, »zu dieser Stunde sind meine Ahnen selbst Reliquien und bedürfen nur noch der Messen.«

      Man erhitzte sich immer mehr beim Mittagessen durch den Burgunderwein; dessen Verbrauch Fournichons Gewürze beschleunigten.

      Die Stimmen wurden lauter, die Teller klangen, die Gehirne füllten sich mit Dünsten, durch die jeder Gaskogner alles rosenfarbig sah, ... mit Ausnahme von Militor, der an seinen Sturz, und von Carmainges, der an seinen Pagen dachte.

      »Das sind viele lustige Leute,« sagte Loignac zu seinem Nachbarn, der gerade Ernauton war, »und sie wissen nicht warum.«

      »Ich weiß es auch nicht,« erwiderte Carmainges; »allerdings mache ich meinesteils eine Ausnahme, denn ich bin nicht im mindesten freudig gestimmt.«

      »Ihr habt Eurerseits unrecht,« sagte Loignac, »denn Ihr seid einer von denen, für die Paris eine Goldmine, ein Ehrenparadies, eine Welt der Glückseligkeit ist.«

      Ernauton schüttelte den Kopf.

      »Nun, was sagt Ihr?« – »Spottet meiner nicht, Herr von Loignac, Ihr, der Ihr alle Fäden in der Hand zu haben scheint, welche die Mehrzahl von uns in Bewegung setzen, habt wenigstens die Gnade, den Vicomte Ernauton von Carmainges nicht wie einen hölzernen Komödianten zu behandeln.«

      »Ich werde Euch noch ganz andere Gnaden erweisen, Herr Vicomte,« erwiderte Loignac, sich höflich verbeugend; »ich habe Euch mit dem ersten Blick unter allen bemerkt, Euch, dessen Auge sanft und stolz, und jenen andern jungen Mann dort, dessen Auge verdrießlich und düster ist.« – »Ihr nennt ihn?«

      »Von Sainte-Maline.« – »Und was ist die Ursache dieser Unterscheidung, wenn Ihr meine Frage nicht für eine zu große Neugier von meiner Seite anseht?«

      »Weil

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