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Adolf - Alles, was Recht(s) ist. Rhyfan Stahl
Читать онлайн.Название Adolf - Alles, was Recht(s) ist
Год выпуска 0
isbn 9783754929896
Автор произведения Rhyfan Stahl
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Kevin dagegen gibt ein „Scheiße, Mann!“ von sich. Soeben ist es ihm gelungen, das Ende meiner Leine vom Boden aufzuheben. Noch während er sich aufrichtet, reißt ihn mein plötzlicher Ruck nach vorne. Diesmal lässt er nicht wieder los - zu seinem Pech. Die urgewaltige Kraft meines liebestollen Sprungs holt ihn nämlich umgehend von den Beinen, er schlittert der Länge nach hinter mir her und kommt genau vor dem Frauchen meiner großen Liebe zum Liegen. Diese hatte mein spontanes Liebesgeständnis irrigerweise als Attacke gedeutet und verzweifelt versucht, ihre vierbeinige Partnerin beiseite und aus meiner Reichweite zu zerren.
Das gelingt ihr freilich nur teilweise, nicht zuletzt deshalb, weil sie mit einem unverständlichen Fluch auf den Lippen über mein Herrchen stolpert. Gerade noch so vermeidet sie einen Sturz, sie knickt jedoch mit ihrem rechten Hinterlauf um, schreit spitz auf – und das betroffene Bein scheint mit einem Schlag mindestens zehn Zentimeter kürzer geworden zu sein!
Ach du Scheiße! Ich bin mir sicher, dass sich kein liebendes Wesen auf der Welt so chaotisch sein „erstes Mal“ vorstellt. Meine Süße jedenfalls nicht, das merke ich ihr sofort an. Sie legt den Rückwärtsgang ein, drängt sich vor ihr Frauchen, die dadurch nicht wesentlich schneller zu ihrem Gleichgewicht zurückfindet, und knurrt mich an.
Wer kann es ihr verdenken, noch weniger romantisch geht wohl kaum! Aber sorry mal, wer hat denn meine überschäumende Reaktion als Mann mit seinem divenhaften „Aber-hallo-ich-schaue-doch-nicht-jedem-Straßenköter-hinterher“-Getue provoziert! Doch Schuldzuweisungen können mich jetzt nicht weiterbringen.
Das versuche ich ihr durch zärtliches Winseln klarzumachen. Vielleicht hätte ich damit nicht nur ihr Ohr, sondern sogar ihr Herz erreicht, wenn sich unsere Zweibeiner jetzt nicht extrem ins Fell kriegen würden.
„Sie blödder Trottel, sind Sie betrunken?“, kreischt sie.
Er: „Spinnst du, blöde Tusse!“
Sie: „Was chaben Sie gesagt zu mich? Blödde Tusse? Ich gäbbe Ihnen gleich blödde Tusse, die Ihnen wird reichen für näxte Jarre!“
Er: „Nehm’se lieba ihre Töle weg, die macht meinen Adolf janz wuschig!“
Sie: „Tsü-Pfff, Adolf, so sähhen Sie auch aus!“
Er: „Jawoll, jenauso isset, oda hamse da wat jejen, Sie uffjetackelte Poll…“
Der Rest der Bemerkung, mit der er ihre vermutete Nationalität herausstreichen wollte, bleibt ihm angesichts eines eisigen Blickes durch ihre stylische Brille im Hals stecken. Zornesblitze scheinen aus ihren Augen zu schießen und Kevin krümmt sich sofort ein wenig, so als hätte ihn einer dieser Blitze in seine Weichteile getroffen.
„Ja, ja, nur zu, was Sie wollten saggen? Redden Sie ruhik weiterr!“
Ich vermute, angesichts ihres scharfen Blickes fällt ihm nicht mehr ein, was er soeben sagen wollte. Ich könnte ihm auf die Sprünge helfen: „’Pollackenpute’ wolltest du sie nennen“, doch er versteht mich ja sowieso nicht. Wie immer.
Also suche ich lieber den Blickkontakt zu meiner Schönen. Sie blinzelt mir leicht zu und meint mit bereits ein wenig Verständnis in ihrer Stimme: „Naja, für sein Herrchen kann man eben nichts. Du heißt also Adolf? Hm, was für ein schöööner Name!“
Den Schluss betont sie für meinen Geschmack etwas zu deutlich, um diese Aussage für ein echtes Kompliment nehmen zu können. Doch ich will es mir nicht gleich wieder mit der verderben, der ich so lange hinterher schmachten musste. Zumal ich noch etwas gut zu machen habe nach meinem kleinen temperamentgeschuldeten Missgeschick.
„Und du, wie heißt du so?“, will ich von ihr wissen.
„Darinka vom Schreckenstein“, antwortet sie mit ganz schlecht verhohlenem Dünkel.
„Brrr, waff, vom Schreckenstein?“, quieke ich lauthals los. „Das klingt ja fast wie Schreckschrau-“
Gerade noch rechtzeitig kriege ich mich wieder ein. Dejà vú – ich glaube, ein ähnliches Erlebnis habe ich vor nicht einmal zwanzig Sekunden bei meinem Herrchen beobachtet. Au Backe! Das hätte jetzt echt schief gehen können.
„Ja, ähm“, hebe ich erneut zu sprechen an, „vom Schreckenstein also. Ist der hier irgendwo in der Nähe?“
„Pff“, macht sie und wirft den Kopf ein Stück zurück. „Der Zwinger vom Schreckenstein befindet sich in der Nähe der gleichnamigen Burg in der Wojwodschaft Poznan. Dort werden schon seit Generationen und, wie ich hinzufügen darf, sehr erfolgreich Afghanische Windhunde gezüchtet. Einfacher ausgedrückt“, fügt sie mit einem Seitenblick auf mich hinzu, „Afghanen. Meine Vorfahren stammen aus England.“
„Äh, ja, Potsnan, alles klar.“
„In Polen.“
„Polen!“ Ich springe auf vor Begeisterung darüber, endlich ein gemeinsames Gesprächsthema gefunden zu haben. „Polen, das kenne ich! Du wirst es nicht glauben: Ich stamme auch aus Polen!“
„Ein Deutscher Schäferhund namens Adolf mit einem verblödeten Skinhead als Herrchen stammt aus Polen. Soll ich dir mal was sagen: Ich glaube es dir tatsächlich nicht!“
„Doch, ehrlich, ich bin eben nur schon als Welpe nach Deutschland gekommen. Mein ursprünglicher Name lautet Cecyl. Adolf, naja, das ist eben so üblich, mit polnischen Namen tun sich die Zweibeiner hierzulande etwas schwer, hat nichts weiter zu bedeuten.“
„Cecyl also. Cecyl.“
Wie sie den Namen vor sich her sagt, sinnlich mit der Zunge über die Lefzen streichend, den nachdenklichen Blick ihrer braunen Augen romantisch in die Ferne gerichtet! Jetzt hat es auch bei ihr gefunkt, da bin ich mir sicher. Aber hundert Pro!
„Cecyl“, sagt sie noch einmal gedehnt. „Das bedeutet der Sechstgeborene. Stolzer Wurf, immerhin. Ich glaube, der Hauptgang mit allem wesentlichen war wohl schon durch, als du hinterher kamst!“
Wie sie das wohl gemeint haben mag? Wir kommen nicht mehr dazu, diese Frage auszudiskutieren, denn unsere beiden Herrchen bzw. Frauchen nehmen erneut unsere ganze Aufmerksamkeit in Anspruch.
„Absatz ist abgebrochen durch Ihre Tölpelhaftigkeit. Sie werrden mir bezahlen kaputte Schuh. Benetton, das war nicht billik. Sie hörren von meine Anwalt.“
Während sie das sagt, hat sie den kaputten Schuh aufgehoben, hält ihn vor ihr Smartphone und drückt ein paar Mal den Auslöser. Dann schwenkt sie das schwarze Viereck in ihrer Hand demonstrativ zu Kevin herum und drückt erneut ab. Er grinst halb irritiert, halb verunsichert, unternimmt jedoch nichts gegen das spontane Fotoshooting. Für einen Augenblick stelle ich mir vor, dass sie einen Revolver in der Hand hält, und mir schaudert ein wenig. Die hätte garantiert keine Skrupel, damit genauso eiskalt abzudrücken, wenn es um ihren Benetton geht.
„Ja, und ich – wat bei mir kaputt is wollnse wohl janich wissen oda wie?“
„Was bei Innen kaputt ist scheint völlik klar. Kann ich mir denken. Ihre Treter aus Schuh-Discount jeddenfalls nix.“
Bevor Herrchen sich dazu entschließen kann, erneut wütend zu werden, registriert er einen neuerlichen eisigen Blick. Ich spüre, dass diese Frau – diese Dame eher – etwas an sich oder auch in sich hat, was Kevin deutlich zu verunsichern scheint. Mir dämmert, dass jetzt vermutlich nicht der geeignete Zeitpunkt ist, um ihm Darinka vorzustellen.
„Hier, schau mal, das ist Darinka, sie kommt aus Polen – genau wie ich ursprünglich, und wie die Pollackenpute, mit der du gerade streitest und hoffnungslos zu unterliegen drohst.“
Nein,