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wir in der Seemannsschule gelernt. Ein Dieselmotor treibt einen Generator an, dieser dann einen Elektromotor, der über eine Welle mit der Schraube verbunden ist. Diese Antriebsart ermöglicht ein schnelles Umstellen von Vorwärts- auf Rückwärtsfahrt und ein stufenloses Regeln der Geschwindigkeit. Dahingegen haben Schlepper, wie der, der uns ganz knapp kreuzt, einen Voith-Schneider-Antrieb. Das ist eine Art von senkrecht hängenden Messern, die in einem Kreis drehen. Die Ausrichtung dieser messerartigen Platten bewirkt, dass ein Schlepper sich in alle Richtungen bewegen kann.

      Zigarettenrauch legt sich in Schichten in den Fahrgastraum. Das Schiff zittert stark im Rhythmus der Schraube und der anschlagenden Wellen. Alle Fenster und Türen sind zu. Der Festmacher klönt mit dem Kapitän. „Lotsen Höft!“, ruft er dann aus, „umsteigen nach Waltershöft!“ und gibt mir ein Zeichen. Aus der dümpelnden Fähre steige ich mit einem großen Schritt auf den nassen Ponton. Kalter, feuchter Wind schneidet mein Gesicht. Ich wuchte den Seesack hinüber und schon ist die Fähre mit lautem Rattern verschwunden. Ein paar Möwen schweben im Wind, mich mit einem Auge beobachtend, während andere versuchen, den rostigen Pfählen, die den Ponton festhalten, einen weißen Schutzanstrich zu verpassen. Ich ziehe den Reißverschluss meiner Jacke bis ganz oben, hauche in meine klammen Hände. Das Shanty „Rolling Home“ kommt mir in den Sinn, und ich denke an meine Mutter. Gestern erst ist es gewesen. Wir hatten den Bus genommen, um zum Bahnhof zu gelangen. Mein Vater hatte zwar ein Auto, „aber nicht um den Herrn Junior zum Bahnhof zu fahren. Der soll selber sehen, wie er klarkommt!“ Mich wunderte, dass er meiner Mutter nicht verboten hatte, mich zu begleiten. „Raus!“, hatte er gebrüllt, „Komm mir ja nicht mehr ins Haus. Nur die Beine unter den gemachten Tisch strecken!“. Ich war gerade 17 geworden. Wut kommt in mir hoch. Hoffentlich wird meine Mutter jetzt weniger zusammengeschissen, wo ich weg bin. Jetzt ist sie der einzige Blitzableiter für diesen Tyrannen von Vater! Regentropfen peitschen mir ins Gesicht und rinnen herab. Oder sind es Tränen?

      Eine herantuckernde Barkasse reißt mich aus meinem Grübeln. Hinter der kleinen Scheibe, nur wenig geschützt, der Steuermann, wahrscheinlich zugleich Kapitän und Eigner des Schiffes. Wenige Leute sind an Bord. Die Hände in den Taschen vergraben, wiegen sie stehend im Rhythmus der Wellen. Anders als auf der Fähre, wo man sich auf derselben Höhe bewegt wie der Anlege-Ponton, steigt man in eine Barkasse hinunter. Die Füße befinden sich ungefähr in Höhe der Wasserlinie. Und es gibt keine Aufbauten. Nur das kleine Führerhäuschen bietet minimalen Schutz gegen die bisweilen überspritzenden Wellen. Hier ist die Elbe breiter, die Hafenbecken weitläufiger. Zwei Anleger weiter ruft der Steuermann mir zu, dass wir angekommen sind.

      Der Ponton liegt glücklicherweise in einem windstillen Eck. Das macht es einfacher, den unhandlichen Seesack aus der Barkasse auf den Ponton zu hieven. Was für ein unpraktisches Ding, so ein Seesack! Ich wuchte ihn auf meine linke Schulter, versuche, ihn mit dem Griff am Boden im Gleichgewicht zu halten, schnappe mit der anderen Hand meine Reisetasche und torkele, krumm wie ein Fragezeichen, den Steg hinauf ans feste Land. Oben angekommen, blicke ich in die Runde. Wo entlang? Überall türmen sich Halden von dicken Tropenholzstämmen, manche bis zu 2 Meter dick. In der Ferne recken ein paar Kräne ihre Hälse in den jetzt etwas helleren Himmel. Und ja, richtig, dahinter, besser gesagt, darunter, liegen Schiffe! Ich erkenne nur die Aufbauten und die Masten, es muss Niedrigwasser sein. Die Schiffe liegen tiefer als die Kaimauer. Welches wird meines sein, die Natal? Aufgeregt gehe ich näher. Vom Seesack kriege ich einen Krampf in der Schulter. Ich halte an, gehe leicht in die Knie und wuchte das blöde Teil auf die andere Schulter. Hätte er wenigstens zwei Träger, dann könnte man ihn auf dem Rücken tragen... Zum Glück habe ich meine Seekiste nicht dabei, die ich mir, als ich so 12 Jahre war, aus Fußbodenbretterresten zusammengenagelt hatte. Mit Griffen und Beschlägen aus Eisen dran, das ganze grün und braun angemalt, auf dem Deckel mein Name in Messingbuchstaben. „Was willst du denn damit?“, hatte sich meine Mutter gewundert. „Nur so“, hatte ich geantwortet. Hatte sie damals schon eine Vorahnung?

      Im Näherkommen unterscheide ich hinter dem Gewirr von Masten und Kränen einen riesigen schwarzen Schornstein mit weißen, grünen und einem blauen Ring darauf. Das muss sie sein! In der Reederei hatte ich ein Schiffsmodell gesehen, dass die gleichen Schornsteinfarben trug. Ich merke, dass der Nieselregen aufgehört hat. Sogar etwas blauer Himmel wagt sich heraus. Ich laufe auf der Kaimauer weiter. Sie ist die einzige Stelle, wo nichts im Weg liegt, weil hier auf Schienen die Kräne fahren. Sonst überall Holzstämme, Rindenstücke, braune Pfützen, in denen sich der Himmel spiegelt. Ich stehe oberhalb des Hecks des tiefliegenden Schiffes. Festmacherleinen, mir zu Füssen über den dicken Poller gehängt, führen zum Schiff. Große Blechscheiben, Rattenteller genannt, sind um die Trossen befestigt, wohl um zu verhindern, dass Ratten an Bord kommen. Am Heck, am Flaggenstock, hängt etwas müde die deutsche Flagge. Und darunter, von hier oben schlecht sichtbar, in blauen Lettern der Name NATAL und darunter HAMBURG. Meine neue Adresse.

      chapter7Image2.jpegeErste Begegnung

      Ich laufe auf der Kaimauer weiter. Von hier oben kann ich gut auf das Deck schauen. Rindenstücke, Ketten, Seile und Festmacherleinen bilden ein ziemliches Durcheinander. Mittschiffs. Ich schaue auf das Bootsdeck. Stehe vor dem in Klinkerbauweise (die Rumpfbretter überdecken sich an den Rändern) konstruierten hölzernen Rettungsboot. Das soll 50 Personen aufnehmen können? Besser ist wohl, wir brauchen es nicht! Ein leichter Küchengeruch überdeckt den fauligen Holzgestank des Schiffes. Es muss also irgendwo Leben geben! Vor mir, in einer Einbuchtung der Aufbauten befestigt, eine rote Laterne mit geriffeltem Glas (Fresnelsche Linse). Ich befinde mich also an Backbord (links) des Schiffes. Auf dem Vorschiff ist etwas Aktivität. Dort hievt ein Kran einen riesigen Stamm aus einer Luke (Öffnung des Laderaumes, bezeichnet auch den Laderaum selber). Er hängt schräg, sonst würde er gar nicht durch die Lukenöffnung gehen. Dort ist auch die Gangway. Sie führt steil vom Kai hinab auf Deck. Sie ist gut verzurrt, bewegt sich aber leicht im Rhythmus des Schiffes. „Unbefugten Zutritt verboten“ steht auf einem am Geländer festgebundenen Schild. Bin ich - bin ich nicht? Ich frage einen der Arbeiter an Land, die die Stämme vom Haken des Kranes abhängen. „Es muss schon jemand an Bord sein. Die meisten sind allerdings auf Landgang...“

      Unsicher taste ich mich auf der steilen Gangway hinunter. Und ich hatte immer gedacht, dass man zu einem Schiff hinaufsteigen muss... Irgendwer hat mich bemerkt. Wohl die Gangway-Wache, die sich irgendwo ins Warme verzogen hatte. „Hallo! Ich bin Schmidchen, du bist wohl der Neue?“ „Grüß dich! Wolfgang heiße ich!“ „So wirst du wohl nicht lange heißen“, sagt er „die werden schnell einen Spitznamen für dich finden.“ Er ist etwas dick, hat rote Haare, Bürstenschnitt. Er nimmt mir die Reisetasche ab und wuselt vor mir her übers Deck. „Die Decksmannschaft wohnt achtern (hinten)“, teilt er mir mit. „Seitdem die Natal Kadettendampfer ist und keine Passagiere mehr mitnimmt, wohnt die Maschinencrew mittschiffs.“ Wir kommen zu einem Deckshaus, das sich auf dem Achterschiff erhebt. Über ein erhöhtes Türsüll treten wir in den engen Gang und hangeln uns an den Handläufen (Geländer) nach unten. Der Fußboden ist, wie auch das Deck, leicht gewölbt. Es riecht schwach nach Reinigungsmittel, Öl und Socken.

      Er öffnet eine Tür. „Dies ist meine Bude,“ meint er. „Mein Zimmerkollege hat gestern abgemustert (gekündigt). Du kannst erst mal bei mir wohnen. Ich habe die untere Koje (Bett), du kannst die obere nehmen. Jetzt leg erst mal dein ganzes Zeug ab! Hast du schon etwas gegessen?“ Ich sage, dass ich keinen Hunger habe und bis zum Abend warten kann. „Mit dir sind wir jetzt 5 Junggrade. Es soll noch ein anderer kommen.“ „Hans-Dieter, er war mit mir auf der Seemannsschule!“, sage ich. „Auf welcher bist du denn gewesen?“, will er wissen. „Bremervörde. Weit weg vom Meer“. „Wir waren alle in Finkenwerder." Ich schaue mich in dem Zimmer um: Bedingt durch die Bauweise des Schiffes gehen die Wände nach oben hin auseinander. Genau umgekehrt, wie in einer Mansardenwohnung. Zum Glück befindet sich das Stockbett an der geraden Wandseite. Vorne ist jede Schlaffläche mit einem hohen Brett, das in der Mitte eine runde Vertiefung zum einfacheren Einsteigen aufweist, abgesichert. „Damit man nicht hinausfällt, wenn's mal etwas schaukelt.“ Die Matratzen sind

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