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weitermachen, wo er vor knapp drei Wochen begonnen hatte. Er überprüfte zum wiederholten Male seine Walther P88 neun Millimeter mit fünfzehn Schuss im Magazin. Die Waffe hatte er erst am späten Nachmittag gereinigt und geölt. Der Abzug ließ sich ohne Probleme betätigen. Das Magazin war komplett gefüllt. Wieder warf er einen kurzen Blick auf seine Armbanduhr. Dreiundzwanzig Uhr achtundvierzig. Eigentlich hätte Mathias Bender schon längst hier sein müssen.

       Plötzlich hörte er Schritte, die sich dem Wagen näherten. Ein kurzer Blick genügte, um sich davon zu überzeugen, dass es sich um Mathias Bender handelte. Der Krankenpfleger hatte endlich Dienstschluss. Er hörte, wie der Wagen mit der Fernbedienung entriegelt, die Tür geöffnet wurde und Bender einstieg. Bevor er den Schlüssel in das Zündschloss steckte, um das Auto zu starten, hielt Bender plötzlich kurz inne und machte stattdessen erst einmal das Autoradio an. Aus den Lautsprechern dröhnte James Brown´s »I feel good«. Sofort stimmte Bender in den Song ein. Jetzt startete Bender endlich den Wagen und fuhr los. Der Krankenpfleger verließ singend den Parkplatz des Krankenhauses und steuerte in Richtung Aachener Innenstadt.

       Das war der Moment, auf den er gewartet hatte. Er richtete sich auf und drückte seinem Opfer den Lauf seiner Pistole in den Nacken. Mathias Bender erschreckte sich in diesem Moment so sehr, dass er fast das Steuer des Wagens verriss.

       »Ganz ruhig, dann wird dir nichts passieren. Hast du das verstanden?«

       »Ja«, erwiderte Bender mit belegter Stimme und nickte zur Bestätigung.

       »Gut, sehr gut. Dann fahren wir jetzt zum Sportpark Soers.«

       »Was wollen Sie von mir?«

       »Das wirst du schon früh genug erfahren.«

       Mittlerweile hatte es angefangen zu regnen, genau wie der Wetterbericht es vorhergesagt hatte. Vom Rücksitz aus konnte er beobachten, wie Bender zum wiederholten Mal einen verängstigten Blick in den Rückspiegel warf.

       »Sie werden mich töten, oder?«

       »Das kommt ganz darauf an«, erwiderte er ruhig, obwohl das gelogen war. Er würde Bender auf jeden Fall töten.

       »Ich will nicht sterben«, flüsterte der Krankenpfleger. Tränen liefen ihm übers Gesicht.

       Das Fahrzeug bog in die Krefelder Straße ein. Nicht mehr lange und sie hatten den Sportpark Soers erreicht. Bender blieb nicht mehr viel Zeit, um sich etwas einfallen zu lassen, wie er sich aus dieser misslichen Situation befreien konnte. Aber was sollte ihm schon einfallen? Wahrscheinlich konnte er vor lauter Angst keinen klaren Gedanken mehr fassen. Schließlich hatten sie den Sportpark erreicht.

       »Da vorne in den Eulersweg abbiegen«, sagte er, während er nach wie vor die Waffe auf den Kopf des Krankenpflegers richtete. Der folgte der Anweisung. Sichtlich angespannt. Ein Schweißtropfen rann ihm die Schläfe hinab.

       »Hier halten! Ab hier gehen wir zu Fuß!«

       Der Regen wurde stärker, als sie den Wagen verließen.

       »Ich will nicht sterben«, sagte Bender wieder. »Bitte, was auch immer Sie von mir wollen, ich werde es tun.«

       »Da bin ich mir ganz sicher«, erwiderte er mit ruhiger Stimme. »Was habe ich Ihnen denn getan?«, schrie Bender jetzt fast schon hysterisch.

       Keine Menschenseele war auf der Straße. Aber das war ja auch nicht zu erwarten gewesen. Schließlich wählte er seine Tatorte sorgfältig aus. Fehler in der Vorbereitung waren unverzeihlich, denn seine Aufgabe war längst noch nicht erledigt.

       »Da lang, Richtung Autobahn«, sagte er, wobei er den vorgesehenen Weg mit der Waffe andeutete.

       Bender stolperte in der Dunkelheit voran. Er fiel immer wieder hin, rappelte sich auf und ging weiter.

       »Hinknien«, sagte der Mann hinter ihm plötzlich.

       »Nein, bitte nicht! Ich will nicht sterben«, flehte Bender um sein Leben.

       »Nein, natürlich willst du das nicht. Hinknien habe ich gesagt!«

       Bender folgte seiner Anweisung schließlich. Der Krankenpfleger weinte jetzt hemmungslos.

       »Du hättest eine faire Chance haben können, wenn du zur Polizei gegangen wärst«, sagte er plötzlich.

       »Aber das kann ich doch immer noch tun«, erwiderte der Todgeweihte, obwohl ihm da wohl längst klar gewesen sein musste, dass es für ihn keine Hoffnung mehr gab.

       »Nein, das kannst du jetzt nicht mehr. Du hattest deine Chance«, antwortete er und drückte ab. Zwei Mal. Der Krankenpfleger Mathias Bender war tot. Damit war sein Auftrag erfüllt. Jetzt stand nur noch ein Name auf der Liste. Die Vorbereitungen für seinen letzten Auftrag hatten schon längst begonnen.

      Kapitel 2

       Kriminalhauptkommissar Karl Hansen war siebenundvierzig Jahre alt und arbeitete bereits seit über zwanzig Jahren für die Polizei in Aachen, davon alleine zehn Jahre in der Mordkommission. Vor knapp zwei Jahren war ihm die Leitung der Abteilung für Tötungsdelikte übertragen worden. Er galt als ruhiger Stratege, der sich auch schon einmal gerne von seiner Intuition leiten ließ. Gelegentlich neigte er aber auch gerne zu impulsiven Gefühlsausbrüchen, was seine Kollegen aber mit der nötigen Gelassenheit hinnahmen. Trotz des leichten Bauchansatzes, den er mittlerweile nicht mehr kaschieren konnte, hatte er eine sportliche Figur. Obwohl er selbst keinerlei sportlicher Betätigung nachging. Er war eher der gemütliche Typ. Er liebte gutes Essen und trank gerne schon einmal einen über den Durst. Abgesehen davon hatte er ein Faible für Geschichte. Wann immer es seine Zeit zuließ, las er in irgendeinem Geschichtsbuch.

       Als das Telefon gegen drei Uhr in dieser Nacht klingelte, hatte die Nachtruhe des Kommissars wieder einmal abrupt geendet. Wenigstens hatte der Anrufer sich kurzgefasst. Seine Frau Christine hatte nichts von dem Anruf mitbekommen. Er beneidete sie darum, weiterschlafen zu können, während für ihn die Nacht beendet war. Hansen nahm seine Kleidung, die er am Vorabend auf dem Stuhl neben dem Bett abgelegt hatte, und schlich nahezu geräuschlos aus dem Schlafzimmer. Darin hatte er mittlerweile reichlich Routine. Er stapfte ins Badezimmer, wusch sich sein Gesicht, brachte seine zu allen Seiten abstehenden braunen Haare wieder in Form und putze sich die Zähne. Knapp zehn Minuten nach dem Telefonat verließ er seine Wohnung und fuhr zum Tatort, der sich in der Nähe des Sportparks Soers befinden musste. Die Soers, die unter anderem Heimstätte des Fußballklubs Alemannia Aachen war, umfasste eine große Anlage. Die Angaben zum Tatort, die er vom Kollegen des KDD erhalten hatte, waren zwar nicht sehr präzise gewesen, aber er kannte sich gut dort aus.

       Als er an der Rückseite des Reitstadions vorbeifuhr, konnte der Kommissar bereits das Blaulicht eines Einsatzwagens erkennen. Er steuerte geradewegs darauf zu. Zu seiner Überraschung war außer den beiden Kollegen der Schutzpolizei, sonst niemand zu sehen. Hansen stoppte direkt links neben dem Streifenwagen und ließ das elektrische Fenster der Beifahrertür hinunterfahren.

       »Sind Sie Hauptkommissar Hansen?«, fragte der junge Polizist, den Hansen noch nie zuvor gesehen hatte.

       »Ja, bin ich.«

       »Man hat uns gebeten, hier auf Sie zu warten. Der Zeuge, der den Leichenfund gemeldet hatte, konnte nämlich der Leitstelle vor lauter Aufregung nicht den genauen Fundort nennen. Deshalb

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