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Tage nach der Hinrichtung Kattes wurde der scharfe Arrest für den Kronprinzen aufgehoben. Friedrich Wilhelm verfügte, dass ihm „die ganze Stadt zum Arrest" werde. Gleichzeitig ergingen genaueste Vorschriften für die Lebensführung Friedrichs und der Befehl, ihn in der Kriegs- und Domänenkammer, der Provinzialverwaltung, zu beschäftigen.

      Friedrich scheint zu dieser Zeit psychisch außerordentlich labil gewesen zu sein. Kammerdirektor Christoph Werner Hille, ein Beamter bürgerlicher Herkunft und mit bürgerlichem Selbstbewusstsein, der sich des Kronprinzen annahm, berichtete regelmäßig an Minister von Grumbkow über dessen Befinden. Während er am 18. Dezember 1730 melden musste, dass der Kronprinz zwei Tage lang sehr misslaunig gestimmt gewesen war, weil alle Unterwerfung bisher zu nichts geführt habe, schrieb er im gleichen Brief in einer Nachbemerkung: „Seine Königliche Hoheit sind lustig wie ein Buchfink", und er fügte hinzu: „Wüsste er alles, so würde ihm diese schöne gute Laune rasch vergehen; denn sie entspringt nur der Hoffnung auf ein baldiges gelinderes Los." Am 23. Dezember hieß es in einem anderen Brief wieder, dass Friedrich sehr misslaunig sei und bittere Klage darüber führe, dass er trotz aller Unterwerfung noch nicht die geringste Freiheit erhalten habe. Am 27. schließlich - Friedrich litt damals unter Fieberanfällen - teilte Hille mit: „Er (Friedrich) hat sich vorgenommen, alles ohne Klage zu leiden und sich wacker zu halten. Ich glaube, seine Absicht dabei ist mehr, den König ins Unrecht zu setzen, als sonst etwas." Von Hoffnung bis zur Verzweiflung und dem Bemühen um Standhaftigkeit schwankte damals die Gemütslage des jungen Mannes.

      Die Unterwerfung hatte der König auch hinsichtlich der Prädestinationslehre verlangt. Den hingerichteten Freund noch vor seinem Fenster, musste Feldprediger Müller mit dem Kronprinzen über die Prädestination diskutieren. Dass Friedrich unter diesen Umständen formal abschwor und Besinnung zur Schau stellte, darf nicht verwundern. In Wirklichkeit war er nach wie vor von der Richtigkeit dieser Idee überzeugt. Am 18. Dezember schrieb Hille an Grumbkow, dass der Kronprinz mit dem Fatalismus eines Türken an sie glaube. Friedrich Wilhelm war dies schon vorher zu Ohren gekommen. Er hatte Anweisung gegeben, auf den Prinzen einzuwirken, und gleichzeitig von diesem verlangt, die Personen zu nennen, die ihm diesen „Irrglauben" beigebracht hätten. Der Prinz nannte Bücher, aber keine Namen. Als sich Friedrich Wilhelm damit nicht zufriedengab, bot Friedrich am 27. Dezember noch einmal seine Unterwerfung an und erklärte den Streit über die Prädestination zu einer rein philosophischen und spekulativen Sache. Da er einsehen musste, dass gegen den König nicht aufzukommen war, fügte er sich in der gleichen Frage zum zweiten Male, ohne von den Argumenten seiner Kontrahenten überzeugt zu sein. Der Zwang zur Subordination veranlasste ihn zur Heuchelei. Von nun an tat er auch in anderen Fragen dem Vater scheinbar Genüge, schrieb Briefe voller Devotion und Liebe, während er tatsächlich gegen die väterlichen Absichten intrigierte und zur Unterwerfung nicht bereit war.

      So verhielt er sich beispielsweise auch in der Frage seiner Vermählung. Die preußische Königin hatte ihre Pläne noch immer nicht begraben. Aber der Wind wehte endgültig aus südwestlicher Richtung. Friedrich Wilhelm I. hegte die feste Absicht, das Band mit den Habsburgern durch entsprechende Heiraten seiner beiden ältesten Kinder fester zu knüpfen. Im November 1731 ging Wilhelmine mit dem Erbprinzen von Bayreuth die Ehe ein. Man hatte sie ebenso unter Druck gesetzt, wie das wenig später mit dem Kronprinzen geschah. Diesem schlug Friedrich Wilhelm die Prinzessin Elisabeth Christine von Beiern, eine Nichte der Kaiserin, als Heiratskandidatin vor. Der inzwischen Zwanzigjährige sträubte sich. Er schrieb teils verzweifelte, teils frivole Briefe an Grumbkow. „Was die Prinzessin von Bevern betrifft", so ließ er am 26. Januar 1732 verlauten, „so kann man auf eins rechnen: Wenn ich gezwungen werde, sie zu heiraten, werde ich sie verstoßen, sobald ich der Herr bin, und ich glaube, die Kaiserin wäre darüber nicht sehr erbaut. Ich will keine Gans zur Frau haben." Immer noch voller Ablehnung schrieb er am 11. Februar: „Lieber wäre mir die größte H . .. von Berlin als eine Frömmlerin, der ein halbes Dutzend Mucker an den Röcken hängen." Und am 18. fasste er seine Verzweiflung in den Worten zusammen: „Kurz, lieber will ich sterben als wider Willen heiraten." Aber Friedrich starb nicht. Stattdessen verfasste er einen Tag später zwei Briefe. Der eine war an seinen Vater gerichtet. In ihm hieß es: „...und ist es mir lieb, dass mein allergnädigster Vater von der Prinzessin zufrieden ist. Sie mag sein, wie sie will, so werde jederzeit meines allergnädigsten Vaters Befehle nachleben; und mir nichts Lieberes geschehen kann, als wenn ich Gelegenheit habe, meinem allergnädigsten Vater meinen blinden Gehorsam zu bezeigen." Der andere Brief ging an Grumbkow. Er teilte diesem mit: „Es mag kommen, was da wolle, ich nehme sie nie!" Friedrich beschwor den Minister, dem König die Prinzessin von Bevern mies zu machen. Damit wandte er sich ausgerechnet an den Mann, der der eifrigste Befürworter dieses Plans war. Das sprach für die Unerfahrenheit des Kronprinzen. Grumbkow reagierte ablehnend. Gleichzeitig sprach er sich gegenüber Hille über Friedrich aus: „Je mehr ich über den Charakter des Kronprinzen nachdenke, um so gefährlicher finde ich ihn. Ich habe nie einen so glatt zusagenden Brief gesehen, wie den, den man dem König geschrieben hat.. . Mir aber schreibt er genau das Gegenteil und macht mir tausend ausschweifende Vorschläge, ohne eine Silbe von dem Briefe zu sagen, den er an den König gerichtet hat." Der Versuch, auf Umwegen zum Ziel zu gelangen, brachte dem Kronprinzen nicht mehr als den Ruf ein, ein verschlagener, gefährlicher Charakter zu sein. Der König nahm die von Friedrich gegebene Zusage als bindend. Sie verschaffte ihm die langersehnte Erlösung aus dem Küstriner „Gefängnis".

      Die eineinhalb Jahre in Küstrin blieben für die Entwicklung Friedrichs nicht ohne Bedeutung. Sein Mentor Hille führte ihn in die Verwaltungspraxis einer Provinz ein. Hille war ein Mann, der, von den ökonomischen Lehren der englischen Merkantilisten beeinflusst, weitreichende Pläne für eine wirtschaftliche Expansion Preußens entwickelte, die er allerdings nicht durchsetzen konnte. Zwischen ihm und dem Kronprinzen entstand ein von Spannungen nicht freies Lehrer-Schüler-Verhältnis.

      Auf Befehl Friedrich Wilhelms hatte Friedrich die Pachtanschläge der staatlichen Domänen zu überprüfen, ein für ihn langweiliges Geschäft, das er ohne Begeisterung, doch gehorsam verrichtete. Bald konnte Hille an Grumbkow berichten, dass der Kronprinz im Finanzwesen gute Fortschritte mache. Zwar glaubte er, dass sich Friedrich als König mit solcherlei Geschäften nie befassen werde - worin der sonst scharfsinnige Mann gründlich irrte -; dafür erkannte er damals bereits, dass dieser die Arbeit nie hassen, sondern Mittel und Wege finden werde, um Vergnügen mit Arbeitseifer zu verbinden. Bald entwarf Friedrich erste selbständige wirtschaftliche Projekte. So verfasste er einen Plan zur „Hebung der Leinenindustrie", der gar nicht gnädig aufgenommen wurde, nach Hilles Urteil aber erste Ansätze politischen Denkens enthielt. Der König wollte kein selbständiges „Räsonnieren" seines Sohnes. Der sollte in die finanziellen Details einer Gutswirtschaft oder einer Glashütte eindringen, diese verwalten lernen, aber nicht mehr. Genau das aber lernte Friedrich entgegen Hilles Bemühen nicht. Schon nicht mehr in Küstrin, sondern in Ruppin, wandte er sich im Oktober 1732 mit der dringenden Bitte an Grumbkow, ihm ja jemanden zu schicken, der ihm einen Pachtanschlag für die Domäne in Ruppin ausarbeite. Der König hatte einen solchen verlangt, und Friedrich musste bekennen, dass er mit dieser Aufgabe allein nicht fertig würde.

      Hille stand in einem durchaus kritischen Verhältnis zum Kronprinzen. Er versuchte, ihm die französische Schöngeisterei auszutreiben, und machte sich über seine dichterischen Versuche lustig. Über die anlässlich des Heiratsprojekts vom Kronprinzen geäußerten frivolen Ergüsse urteilte er mit dem Stolz und Puritanismus eines Bürgers. Er fand, dass sie weniger von einem starken Geist, als von einem Gecken zeugten.

      Friedrich entwickelte in seiner Küstriner Zeit Züge, die für den späteren König kennzeichnend blieben: die durchaus nicht bei allen absoluten Herrschern dieser Zeit vorhandene Bereitschaft und Lust zur Arbeit, den Hang zur „Projektmacherei" und Adelsstolz. Hille berichtete von der Verachtung Friedrichs für die Bürgerlichen. Eines Tages hatte der Kronprinz ihm gegenüber seinen Unwillen darüber geäußert, dass ein adliger Landrat dem bürgerlichen Hille Rechenschaft über seine Tätigkeit abzulegen habe. Der Bürger Hille konterte nicht ohne Selbstbewusstsein. Die Welt sei eine verkehrte, so erklärte er. Das sähe man am schlagendsten angesichts der Erscheinung, „dass Fürsten, die nicht recht klug wären oder sich nur mit Tand abgäben, trotzdem vernünftigen Leuten Befehle zu erteilen hätten." Hille schloss die Beschreibung dieser Szene mit der Genugtuung darüber, dem Prinzen eine Wahrheit gesagt zu

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