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Seite der kommunistischen Bewegung weiter verstärkt.In diesem Kontext gibt es zwei wesentliche historische Wendepunkte. Der eine liegt in der Entscheidung der europäischen Arbeiter und eines Großteils ihrer Parteien, im Ersten Weltkrieg gegen ihre proletarischen Klassenbrüder und für ihre Nationen zu kämpfen. Das war der zu seinem bitteren Ende gebrachte Fehler, aus der eigenen Abhängigkeit von ein Eintreten für den Staat, in den es einen verschlagen hat, zu machen. Die kurz darauf stattfindende russische Revolution, deren bolschewistische Führer am Anfang noch fest davon ausgingen, dass ihr kommunistisches Projekt nur dann überleben könne, wenn es durch eine Welt- (mindestens aber europäische) Revolution unterstützt würde, sah sich in der Folge damit konfrontiert, dass ausgerechnet die Sozialdemokratien Westeuropas umsturzwillige Arbeiter bekämpften und für den Fortbestand kapitalistischer Staaten sorgten. Von der bürgerlichen Staatenwelt wurde das neue kommunistische Gebilde als nicht hinnehmbarer Unfall bekämpft; das Gebiet der Sowjets (Räte) wurde so behandelt, als müsse eine Art von »Schurkennation« aus der Welt geschafft werden. Ähnlich wie in heutigen Tagen griff man daher sowohl zu direkten militärischen Interventionen, überfiel die junge Sowjetunion von allen Seiten mit amerikanischen, britischen, deutschen Armeen. Und man unterstützte all jene, die wegen ihrer feudalen Stellung, ihren bourgeoisen Interessen oder ethnischen Gegensätzen bereit waren, gegen die rote Macht in den Bürgerkrieg zu ziehen. Alle Bewohner, gleichgültig wie sie zum Programm der Bolschewiki und ihren Versprechen von »Land und Frieden« standen, wurden in diesen Krieg hineingezogen. Das sorgte allerdings umgekehrt dafür, dass ein Teil der Betroffenen durchaus auch aus patriotischen Gründen zur neuen kommunistischen Regierung überlief. Auf dem Unterschied zwischen der Verteidigung ihrer Revolution und der der russischen Nation wollten die Bolschewiki in ihrer Not nicht kleinlich herumreiten; so aber wurde aus dem Opportunismus vorrevolutionärer Zeiten so etwas wie ein bewusst eingesetzter Hebel. Damit beginnt die zweite historische Wende.Lenin machte in diesem Sinne die Politik gegenüber den vom Zarismus unterdrückten Völkern zu einem konstruktiven Element der neuen Verfassung. Diese wurden als politisch autonome Einheiten in die »Union der sozialistischen Sowjetrepubliken« (UdSSR) aufgenommen. Sie erhielten damit die Gleichberechtigung und Anerkennung ihrer nationalen Besonderheit, die ihnen das alte Russland stets verweigert hatte. Ideologisch rechtfertigte Lenin das als neue Art von Klassenkampf, der bei rückständigen Völkern zunächst in ihrer nationalen Frage zu führen sei. Stalin vollendete diese zweite Wende, indem er mit seinem »Sozialismus in einem Land« dann auch offiziell Abschied nahm vom revolutionären Internationalismus. So sehr auch das ein offensichtliches Notprogramm war angesichts des Nationalismus, den die Arbeiterklassen Westeuropas an den Tag legten, so wenig wollte die sowjetische Politik diesen Tatbestand, für den sie nicht verantwortlich war, einfach eingestehen. Der von einem kommunistischen Gedanken aus auf der Hand liegende Mangel eines »Sozialismus in einem Land« wurde vielmehr umgedeutet und überhöht in die Vorstellung, in der Sowjetunion hätten die Proletarier ihr Vaterland gefunden. Das war einerseits Auftakt dazu, den Internationalismus auswärtiger Kommunisten auf harte Bewährungsproben zu stellen (vgl. dazu die nachfolgenden Ausführungen über Stalins Chinapolitik, S. 49f.). Andererseits hat gerade die Außenpolitik der sich konstituierenden Sowjetunion in der kommunistischen Weltbewegung Kategorien wie die vom Selbstbestimmungsrecht der Völker, das als eine Art Klassenkampf unter imperialistischen Bedingungen aufzufassen sei, üblich und salonfähig gemacht. Auf den Gedanken, dass sich sozialistische bzw. kommunistische Gesellschaften zusammenschließen, dass vorgefundene Staatsgrenzen zwischen ihnen jedenfalls nichts zu suchen haben, ist nach dem Zweiten Weltkrieg kein führender Kommunist mehr verfallen – auch nicht in der Sowjetunion selbst. Die UdSSR hat sich einen Sicherheitskordon mit befreundeten sozialistischen Staaten geschaffen und die beiden kommunistischen Parteiführer, die sich aus eigener Kraft in ihren Ländern durchgesetzt haben – Tito und Mao – haben einen Anschluss an das Vaterland aller Werktätigen nach allem, was von ihnen bekannt ist, nicht eine Sekunde lang erwogen.4. Auch bei der chinesischen KP bezeugt der Widerspruch, sich gleichzeitig als kommunistische Revolutionäre und chinesische Nationalisten aufzustellen, dass diese Partei sich sowohl ihren Kommunismus wie ihren Nationalismus umgedeutet und so vereinbar gemacht hat. Den kommunistischen Teil ihres Programms, die Beseitigung von Armut und Elend, denken sich offensichtlich auch diese Kommunisten staatsidealistisch; sie verstehen darunter weniger die Beseitigung von Herrschaft als die Begründung eines sozial(istisch)en Staatswesens, das sich endlich wirklich seinem Volk verpflichtet weiß statt für die Bereicherung der herrschenden Klasse zu sorgen. Ein solches alternatives Staatsprogramm setzt voraus, dass China von den auswärtigen Imperialisten befreit wird. Das begründet aus Sicht der KP ihren anti-imperialistischen Kampf um die Wiederherstellung nationaler Einheit und Souveränität. Auch diesen nationalen Teil ihres Programms denken die Kommunisten idealistisch. Die Nation, um die sie kämpfen, stellen sie sich nicht als das vor, was Nation gemeinhin ist: der beschönigende Titel einer Klassengesellschaft, in der der Staat mit seiner Gewalt dem Eigentum Geltung verschafft und in der Gemeinwohl nichts anderes bedeutet als der dauerhaft gesicherte Vorteil der Eigentümer auf Kosten des Rests der Gesellschaft. Die neue, von auswärtigem Einfluss befreite Nation, das sozialistische China, das sie erst schaffen wollen, soll vielmehr Bedingung und Garant dafür sein, dass alle gesellschaftlichen Kräfte vereint die Produktivkräfte in dem rückständigen Land entwickeln und so einen für alle nützlichen Staat zustande bringen. Insofern füllen die chinesischen Kommunisten die dunstige Floskel von Nation mit einem neuen, fortschrittlichen Inhalt – anders gesagt: Sie wollen Ernst machen mit der Ideologie der Gemeinschaftlichkeit, die in Nation enthalten ist. Sie gehen davon aus, dass auch Grundeigentümer und Fabrikbesitzer als chinesische Patrioten an Modernisierung und Fortschritt des Landes interessiert sein müssten und wollen diese praktisch verpflichten auf ihre volksfreundliche Interpretation. Während die ideologische Wirkung des nationalen Gedankens also normalerweise darin besteht, die Geschädigten einer Klassengesellschaft auf Opfer für den Erfolg des großen Ganzen festzulegen, dessen Wahrheit im Nutzen der herrschenden Klasse und ihres Staats besteht, dreht die chinesische KP dieses Verhältnis um. Sie meint einen für die Mehrheit nützlichen Staat, tritt damit gegen die Nutznießer der bisherigen Ordnung an und will diese als chinesische Patrioten für ihre neue Gesellschaft gewinnen.Die chinesischen Kommunisten nehmen also kein taktisches Verhältnis zur nationalen Frage ihres Landes ein. Ganz im Gegenteil glaubt diese Partei ernsthaft an ihre historische Sendung, vor der die bürgerliche Regierung ihrer Ansicht nach auf breiter Front versagt. Weil die Guomindang darauf setzt, Finanzprobleme mit ausländischen Anleihen zu regeln und deshalb keinen Bruch mit dem Ausland riskieren will; weil ihre Führungskräfte aus der Klasse reicher Chinesen stammen, sie die nationale Reichtumsproduktion also nicht strikt in den Dienst einer nationalen und sozialen Entwicklung des Landes stellen, sondern für private Bereicherung »miss«brauchen; weil die Verflechtung der GMD mit der Klasse der Großgrundbesitzer auch eine Landreform in weite Ferne rückt, sind die Kommunisten nach eigener Einschätzung die einzigen, die wirklich die nationale Befreiung erkämpfen wollen und können – und auf dieser Basis dann die fällige soziale Revolution.
175. In diesem Sinne kämpft die chinesische KP also tatsächlich und ernsthaft für das Projekt eines nationalen Kommunismus oder einer kommunistischen Nation. Für sie ist das kein praktizierter Widerspruch, sondern eine für beide Seiten – Nation wie Kommunismus – ebenso notwendige wie nützliche Verknüpfung. Die Gleichsetzung, zu der sich die sowjetischen Kommunisten seit der Oktoberrevolution mehr oder weniger mühsam hingearbeitet haben, ist bei den chinesischen Kommunisten also der Ausgangspunkt ihrer Politik. In den knapp 30 Jahren der sozialistischen Volksrepublik macht sich der Widerspruch dieser Idee allerdings praktisch immer mehr geltend. Am Ende führt er dazu, dass »das Nationale« über »das Kommunistische« des ursprünglichen Programms siegt. Nation beinhaltet notwendig ein Verhältnis der Abgrenzung und damit auch der Konkurrenz nach außen – sonst hätte die Nation als Besonderheit kein Existenzrecht. Wie Nation selbst kann auch diese Konkurrenz idealistisch-volksfreundlich gedacht werden, etwa in dem Sinne, dass sozialistische Staaten nicht mit Profitbilanzen, sondern mit der Versorgung ihrer Menschen und tollen Alphabetisierungsraten glänzen – und eben das haben die chinesischen Kommunisten auch zunächst getan. Nichtsdestotrotz ist damit das Anliegen in der Welt, als Nation teilzuhaben an einem Wettbewerb um Anerkennung und Positionen – in der gesamten Staatenwelt, im sozialistischen Verband der Bruderländer, unter den Entwicklungsländern usw. Maos neues China hat sich der Welt von Anfang an als anspruchsvolle Nation präsentiert, die mit ihrer neuen sozialistischen Gesellschaft die Jahre ihrer
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