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Schwingungswelten. Melinde Manner
Читать онлайн.Название Schwingungswelten
Год выпуска 0
isbn 9783754181461
Автор произведения Melinde Manner
Жанр Сделай Сам
Издательство Bookwire
Eines gelang ihm stets mühelos: Vom eigentlichen Problem abzulenken. Das war Valentin bewusst. Irgendetwas vorzuschieben, nur um nicht die Wahrheit sagen zu müssen und um sich nicht dafür zu schämen, wer er wirklich war.
"Sie haben Zweifel. Aber Sie scheinen sich sicher zu sein, dass Sie dort, wo und als was Sie gearbeitet haben, nicht mehr zurückwollen. Oder?"
"Das ist allerdings wahr."
"Nun, was wollen Sie denn stattdessen? Wo und als was wollen Sie arbeiten?"
"Das hier will ich. Genau das hier. Ich will Physiotherapeut werden und Menschen helfen".
Er ist über sich selbst überrascht. So klar hatte er sein Vorhaben nie vor Augen. Etwas verunsichert schaut er zu Silvio, der seinen Blick erwidert und eine immense Ruhe ausstrahlt. Sie erfasst auch Valentin. Er atmet befreit auf und lächelt.
"Es kommt gleich noch etwas Wichtiges, das Sie hinzufügen wollen, oder?", fragt er den Lehrer schmunzelnd.
"Richtig!", antwortet Silvio lachend. "Das ist die einzige Entscheidung, die Sie wirklich treffen müssen.
Gründe, etwas doch nicht zu tun, werden Sie mehr als genug finden. Sie werden sehen. Sie werden sich noch viele Geschichten erzählen, warum Sie das nicht machen sollten oder könnten. Ganz viele, glauben Sie mir."
"Möchten Sie mir auch Ihren Namen verraten?", fügt Silvio an.
"Entschuldigung, mein Name ist Valentin."
"Also Valentin, bei mir fängt der Unterricht gleich wieder an. Wenn Sie glauben, dass ich Ihnen bei Ihrer Entscheidung weiterhelfen kann, zögern Sie nicht, mich zu kontaktieren. Hinterlassen Sie Ihre Telefonnummer oder E-Mail-Adresse hier bei der Sekretärin und ich melde mich bei Ihnen. Dann unterhalten wir uns weiter. Bis Ende März haben Sie ja Zeit. Bleiben wir dabei?"
"Ja, gern. Danke."
Silvio wartet einen kurzen Augenblick, bevor er aufsteht, gibt ihm die Hand zum Abschied und macht sich auf den Weg zur Volkshochschule.
Valentin bleibt zurück und versucht erfolglos, seine Gedanken zu ordnen. Er schafft es nicht. Und wie immer in solchen Situationen, fällt ihm nur eines ein: Joggen und den Kopf freibekommen.
Schwierige Entscheidung
Valentin läuft seine Lieblingsstrecke entlang. Sie führt zu einem nahegelegenen Park, weiter zu einem Wald und anschließend zu einem kleinen Badesee. Er liebt es, zu joggen und vor allem das Hochgefühl währenddessen und danach. Es befreit ihn. Völlig egal, was auf ihm lastet, das Laufen wirkt jedes Mal Wunder.
Wenn dieses Gefühl doch nur etwas Bleibendes wäre, wünscht sich Valentin.
Er erinnert sich an Zeiten, als er verletzt war, nicht joggen konnte und dadurch sein ganzes Innenleben aus dem Gleichgewicht geriet.
Klar kannte er Endorphine, die natürlichen Opiate des Körpers, die beim Sport ausgeschüttet werden und sich so angenehm anfühlen. Und er verstand sehr gut, dass manche danach süchtig waren. Aber zu diesem Personenkreis zählte er sich nicht. Er wusste, dass sich die Ausschüttung nicht erzwingen lässt und das Hinterherjagen deshalb sinnlos ist. Ja, es war möglich, günstige Voraussetzungen dafür schaffen, sie zu fördern, das ja, aber mehr nicht.
Während Valentin immer weiterläuft, fühlt er eine immense Verbundenheit mit der Natur. Seinen Körper nimmt er nicht mehr wahr. Lediglich seine Atmung, auf die er sich konzentriert, um effektiv zu laufen. Er ist Teil von allem, was diese Welt auszumachen scheint.
Wie gewöhnlich steigen Bilder in ihm auf. Jetzt sind sie wesentlich intensiver als sonst und verändern etwas in ihm. Er sieht sich in der neuen Schule. Entspannt und voller Freude über den Unterricht. Dann als Physiotherapeut, umgeben von Sportlern, die er auf einen Wettkampf vorbereitet, ihre Beinmuskulatur massiert, lockert und aufwärmt. Und er sieht sich, wie begeistert er seine Arbeit macht. Er ist in der Lage, alles zu erfühlen - als sei er mitten im Geschehen - und nimmt diese Freude beim Laufen intensiv in sich wahr.
Valentin ist berauscht und erinnert sich an Silvios Worte, dass er nur diese einzige Entscheidung zu treffen hat: sich verändern zu wollen. Jetzt ist er sich dessen sicher: Er ist bereit, sein Leben in andere Bahnen zu lenken.
Als Valentin zwei Stunden später zu Hause ankommt, duscht und sich mit einer Flasche Mineralwasser auf die Couch setzt, ist er immer noch in Hochstimmung.
Er füllt das Anmeldeformular aus, um es am nächsten Vormittag abzugeben und genießt den restlichen Tag mit Musik, Lesen und vor dem Fernseher.
Am Abend geht er zufrieden mit sich und diesem Tag ins Bett. Er fühlt sich entspannt, liest noch ein bisschen, bis er müde wird, und schaltet dann das Licht aus.
Er ist schon in einem Dämmerzustand, als ihn ein Schwall voller Gedanken hochschrecken lässt:
Was ist, wenn ihn seine Mitschüler nicht mögen? Was ist, wenn sie ihn mobben? So, wie er es mit seinen Kollegen erlebt hat. Dann muss er die Schule abbrechen. All das Geld, das er bis dahin investiert hat ... Und er müsste sich wieder einen neuen Job suchen.
Wäre es nicht besser, doch in der Werkstatt zu bleiben? Gekündigt hat er ja nicht. Die Art und Weise, wie ihn seine Kollegen bisher behandelt haben, kennt er schon. Vielleicht wäre es leichter, das auszuhalten als zu erleben, wie er von anderen abgelehnt wird. Ja, bestimmt. Wie dumm, sich etwas vorzumachen. Warum sollte plötzlich alles besser sein? Warum sollten ihn die Menschen auf einmal akzeptieren?
Völlig entmutigt steht Valentin auf, legt sich auf die Couch und schaltet den Fernseher ein. Er braucht Ablenkung.
Jeder weitere Gedanke strengt ihn an und macht ihm Angst. Er weiß, wohin sie führen können. Wenn der Versuch, seinem Leben ein Ende zu setzen, wieder schiefläuft, wird er nicht die Kraft haben, das, was danach unvermeidlich folgen würde, nochmal durchzustehen. Man würde ihn erneut einsperren, ihm seine Freiheit nehmen und über ihn bestimmen wie über ein kleines Kind. Nein, das wäre zu viel. Ihm wird klar, dass die Angst davor stärker ist als der Mut, einen weiteren Selbstmordversuch zu unternehmen.
Das lässt seine Situation noch hoffnungsloser erscheinen und alles, was seine Tränen bisher zurückgehalten hat, verliert in diesem Augenblick jegliche Macht, sie weiter im Zaum zu halten. Es erfasst Valentin ein hemmungsloses Schluchzen und Weinen, bis er völlig entkräftet in einen traumlosen Schlaf fällt.
Am nächsten Tag fühlt er sich wie gerädert und kann gar nicht fassen, in welch erschreckende Tiefe ihn seine Gedanken heruntergezogen haben.
Mit aller Gewalt schiebt Valentin jede Erinnerung an den vergangenen Abend von sich und lenkt seine Aufmerksamkeit auf die Begegnung mit Silvio.
Hat er nicht so etwas vorausgesagt? Waren das die Geschichten, von denen er gesprochen hat? Vielleicht wäre es doch besser, Kontakt mit ihm aufzunehmen.
Valentin macht sich notdürftig ausgehfertig und schleppt sich schweren Schrittes zur Physioschule. Beim Betreten des Büros merkt er sofort, dass die Sekretärin ihn wiedererkennt.
"Wie kann ich Ihnen helfen?", fragt sie lächelnd.
"Ich würde gern noch einmal mit Silvio sprechen. Er hat gesagt, ich könnte meine Nummer bei Ihnen hinterlassen."
"Ja, stimmt. Ich schreibe sie mir auf und er meldet sich bei Ihnen."
"Wissen Sie, ob das noch heute sein wird?"
"Ich kann zwar nicht für ihn sprechen, aber ich denke, ja. So, wie ich ihn kenne, wird er sich noch heute Zeit dafür nehmen. Das wäre Ihnen wichtig, oder?"
Valentin nickt der Sekretärin wortlos zu, schreibt seine Nummer auf und macht sich auf den Weg nach Hause.
Auf einmal steigt wieder etwas Hoffnung in ihm auf, und im gleichen Augenblick wird er sich dessen bewusst, dass die Sonne scheint und am Himmel keine einzige Wolke zu sehen ist. Nun