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Gruppen nur informellen Charakter und konnten kaum lokalpolitische Grenzen überwinden (Bruckmeier 1993). Letz hebt hervor, dass, die sich von der SED distanzierenden Solidaritätsgruppen, sehr deutlich für die Entwicklungshilfe der Dritten Welt einsetzten, deutlicher als jene im Westen (1994: 50 ff). Weiter schreibt er: „Abgelehnt wurde die Reduzierung der Solidarität auf die Traditionen und Inhalte der kommunistisch geprägten Arbeiterbewegung und ihre strikte Bindung an SED und Staat.“ Die Unterordnung des Solidaritätsgedanken unter die Außenpolitik50 grenzte alle aus, die die zentralistische Auffassung nicht teilten. Zudem kritisiert er, dass die Offiziellen der DDR die eigene Gesellschaft nicht in ihren Solidaritätsgedanken aufnahmen. Der „Eiserne Vorhang“ und die offizielle Solidaritätsarbeit erschwerten die Bemühungen der oppositionellen Bewegungen erheblich, trotz, dass sie unter dem Dach der Kirche agierten.51 Konsequenzen blieben nicht aus. Die Stagnation der Arbeit empfanden nicht nur die Akteure entmutigend, sondern erschwerten auch die Mobilisierung neuer Unterstützer52 (ebd.).

      Knabe, einer der ersten bundesdeutschen Autoren, der sich mit Sozialen Bewegungen53 der DDR auseinandersetzte, kritisiert die schlechte Forschungslage. Es war nicht so, wie bei westdeutschen Forschungsarbeiten, dass auf Forschungen und Publikationen zurückgegriffen werden konnte (Knabe 1988: 553 ff). Er erläutert, dass die Bewegungen in Ost und West nahezu gleichzeitig entstanden und jeweilige Entsprechungen hatten, der Begriff der „Sozialen Bewegung“ jedoch in der DDR nicht üblich war54. Jenes gesellschaftliche Engagement wollten Kirchenvertreter als „kirchliche Friedensarbeit“ oder „Verantwortung für die Schöpfung“ verstanden wissen (ebd.). Nach Knabe bilden sich drei wesentliche Bewegungen. (Vgl. hierzu auch Bruckmeier (1993).

      Die Friedensbewegungen entstehen in vielen Universitätsstädten sowie in ländlichen Gemeinden als Friedensinitiativen, im Wesentlichen als Teil innerhalb der evangelischen Kirche. Außerhalb der Kirche wurden diese Strömungen von staatlicher Seite unterbunden, was zur Folge hatte, dass diese Sozialen Bewegungen auch immer mit religiösen Vorstellungen verbunden waren und es somit auch zu kirchlich-institutionellem Interesse kam (Knabe 1988: 554 ff).55

      Mitte der 1970er Jahre entstand auch, wiederum durch die Kirche flankiert, eine „Dritte-Welt- Bewegung“56. Hierzu zählen unter anderem Brot für die Welt (Siehe: 2.3.2.2.), die Leipziger Mission und weiterhin die Chile-, Nicaragua- und Südafrika-Solidarität im Sinne der „Hilfe zur Selbsthilfe“. Unter dem Kürzel „INKOTA“57 agieren seit Anfang der 1970er Jahre die Gruppierungen, welche sich den Themen wie Wohlstandskritik und Konsumverzicht aber auch Hunger, Frieden und Umwelt widmen (Knabe 1988: 555 ff). Zu ihren Aktivitäten zählen kirchliche Öffentlichkeitsarbeit, Sammelaktionen und Solidaritätskampagnen sowie überregionale Treffen, wie „Konkret für den Frieden“ oder „Friedenswerkstatt“ in Ostberlin (ebd.).

      Massive Umweltschäden, wie hohe Luft- und Wasserverschmutzung, Chemikalienbelastung, Waldsterben und wilde Mülldeponien, waren Auslöser für die Entstehung von Ökologiebewegungen (Langsdorf/Hofmann 2014). Sie entstanden Anfang der 1980er Jahre inhaltlich vergleichbar mit westdeutschen Umweltgruppen. Gemeinschaftsaktionen, wie Baumpflanzungen und Müllsammlungen zählen zu den Aktivitäten, welche jedoch durch staatliche Restriktionen nur eingeschränkt öffentlichkeitswirksam beworben werden können. Sie werden hauptsächlich über Kirchenzeitungen oder Umwelt-Gottesdienste bekannt gegeben. Die politische Situation erlaubt nur in wenigen Fällen auf umweltschädliche Prozesse Einfluss zu nehmen (Knabe 1988: 555 ff). Auf die beispielhafte Initiative „Eine Mark für Espenhain“ wird später eingegangen (Siehe: 2.3.2.3.). Knabe führt fort, dass die Gruppen auf „niedriger Aktivitätsstufe“ mit Eingaben, kirchlichen Ausstellungen und der Mitarbeit in offiziellen Institutionen Einfluss nahmen (ebd.). Beleites teilt die Entwicklung der Umweltbewegungen in vier Phasen ein: „(1) die Phase der global-ethischen Debatten (1979-1984), (2) die Phase der ökologisch motivierten Proteste mit regionalem Bezug (1984-1986), (3) die Phase des politisch motivierten Aufbruchs (1986-1989) und (4) die Phase der Abnabelung von der Kirche (1989-1990)“. (ebd. 305).

      „Obwohl es umfängliche Spendenaktivitäten in der DDR gegeben hatte, die seinerzeit eine breite propagandistische Würdigung der Spendenbeteiligung und der dabei erreichten Be- träge in den Medien erfuhren, fand die Spendenthematik in den politischen und wissenschaftlichen Diskursen in der DDR kaum Beachtung; sie wurde nicht hinterfragt und mehr oder weniger als Normalität58 und Selbstverständlichkeit behandelt.“ (Priller 2018: 61).

      So zogen auch schon die Jüngsten59 los. Unter dem Motto „Großfahndung – Millionen für die Republik“ sammelten sie Altrohstoffe und brachten diese in die Altstoffhandlungen60. Im Jahr 1978 kamen so mehr als sechs Millionen Mark der DDR zusammen. Ein Großteil des Erlöses wurde auf das Solidaritätskonto eingezahlt (UNICEF 1979: 35). „Ausdruck der gewachsenen und gefestigten internationalistischen Haltung unserer Jungen Pioniere sind die vielen Solidaritätsaktionen, die schon den Alltag in unserer Republik mitbestimmen.“ So ist auch in der Zuarbeit durch das UNICEF-Nationalkomitee der DDR in der Publikation zu lesen, dass Millionen „Rosengrüße“ durch Pioniere per Postkarten halfen, Angela Davis aus dem Kerker der amerikanischen Klassenjustiz zu befreien (ebd. 37).

      Es lassen sich zwei Engagement-Strömungen erkennen. Die vom SED-Staat initiierte anti- imperialistische Solidarität (Siehe Abbildung 4) und die sozialen oder auch oppositionellen Bewegungen (Siehe Abbildung 5) unter dem Dach der Kirche.

      Abbildung 4: Solidaritätsplakate

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      1976

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      1979

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      1980

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      1982

      Quelle: Antiimperialistische Solidarität in der Deutschen Demokratischen Republik (o.J.)

      Abbildung 5: Faltblatt „Eine Mark für Espenhain“img11.png

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      Quelle: https://www.nach-gedacht.net/reiseberichte/espenhain/espenhain-orginal- faltblatt.pdf (Stand: 11.08.2020)

      1.3.2.1 Solidaritätskomitee und Massenorganisationen

      Die Literaturlage erweist sich im wissenschaftlichen Bereich als sehr dünn. Daher wird in diesem Kapitel auch auf die „historische Zusammenfassung“ von Achim Reichardt, dem letzten Generalsekretär des Solidaritätskomitees, zurückgegriffen. Verschiedene Solidaritätsausschüsse61,62 führten 1973 letztlich zur Bildung des Solidaritätskomitees auf Basis der Massenorganisationen63. Anfangs gingen die Spenden-Aktivitäten vom FDGB und dem DFD aus, später kam als verwaltungstechnische und organisatorische Einheit der Nationalrat der Nationalen Front64 hinzu, so Reichardt. Nicht allein das Solidaritätskomitee ist als Spendenorganisation in der DDR anzusehen, es gab auch, jedoch nicht so medial unterstützt, gesellschaftliche Organisationen und Religionsgemeinschaften (Reichardt 2006: 33 ff).

      Mihr bezeichnet die Massenorganisationen als Bindeglied zwischen SED-Führung und DDR-Bevölkerung, nicht zuletzt, um in allen Gesellschaftsbereichen gesellschaftspolitische Themen zu organisieren und zu kontrollieren. (ebd. 30 f).

      Achim Reichardt betont mehrfach, dass das Solidaritätskomitee eine nichtstaatliche Organisation, also eine NRO65, war (et al. 2006: 34). „Dieser Fakt muss deshalb

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