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Crawford war alt, schlank und ziemlich hager. Seine Glieder waren nicht mehr so geschmeidig aber doch kräftig. Er konnte das Gewicht seiner Rüstung noch immer so gut tragen, wie der jüngste Mann in seinem Gefolge. Seine Gesichtszüge waren etwas grob, mit Narben bedeckt und von der Sonne stark gebräunt. Sein Blick, der dem Tod in dreißig großen Schlachten ins Angesicht gesehen hatte, drückte mehr gutmütige Verachtung der Gefahr als den wilden Söldnermut aus. Seine hochaufgerichtete Gestalt war in einen weiten Hausmantel gehüllt, den ein büffellederner Gürtel umschloss. An ihm hing ein mit kostbarem Griff versehener Dolch. Um den Hals trug er die Kette und das Zeichen des St. Michaels-Ordens. Er saß auf einer Art von Kanapee, das mit einer Wildhaut bedeckt war, und las, mit einer neuartigen Brille auf der Nase mit Anstrengung ein großes Manuskript, „le Rosier de la guerre“ genannt, ein Gesetzbuch für militärische und bürgerliche Polizei, das Ludwig zum Besten seines Sohnes, des Dauphins, hatte zusammentragen lassen und worüber er die Meinung des erfahrenen schottischen Kriegers zu hören wünschte.

      Lord Crawford legte sein Buch etwas verdrießlich beiseite, als der unerwartete Besuch eintrat, und fragte in seinem breiten Dialekt: „Was in Teufels Namen wollt Ihr?“

      Balafré schilderte umständlich die Lage, in der sich sein Neffe befand, und bat demütig um Schutz für ihn. Crawford hörte aufmerksam zu und konnte nicht umhin, über die Einfalt zu lächeln, womit der Jüngling sich des Verbrechers angenommen hatte; allein er schüttelte den Kopf bei dem Bericht über den Streit zwischen den schottischen Bogenschützen und der Wache des Generalprofos.

      „Wie oft“, sagte er, „werdet Ihr mir noch solche Knäuel zum Entwirren bringen? Wie oft soll ich's Euch wiederholen, Ludwig Lesley und Archie Cunningham, dass sich Schotten bescheiden und anständig benehmen sollen gegen die Einwohner des Landes, sofern sie nicht alle Hunde der Stadt an ihren Fersen haben wollen? Immerhin ist mir es lieber, dass Ihr mit dem Profos, als jemand anders in Streit geraten seid. Es ist verständlich, Eurem Verwandten beizustehen, denn der einfältige Bursche konnte in arge Verlegenheit geraten. Langt mir die Musterrolle der Kompagnie von dem Gesims; wir wollen seinen Namen gleich auf die Liste setzen.“

      „Wenn Eure Herrlichkeit erlauben ...“, begann Durward.

      „Ist der Bursche toll?“, rief sein Onkel. „Will er etwa mit seiner Lordschaft sprechen, ohne dass er gefragt wurde?“

      „Geduld, Ludwig!“, sagte Lord Crawford; „wir wollen doch hören, was der Bursche zu sagen hat.“

      „Mit Eurer Herrlichkeit Erlaubnis“, versetzte Quentin, „ich habe sagte meinem Onkel, ich hätte einige Bedenken, in diesen Dienst zu treten. Jetzt aber kann ich sagen, dass sie vorbei sind, seit ich den edlen und erfahrenen Befehlshaber gesehen habe, unter dem ich dienen soll. In Euren Blicken, liegt Ehrfurchtgebietendes.“

      „Wohl gesprochen, Bursche“, antwortete der alte Lord geschmeichelt. „Gott hat uns einige Erfahrung verliehen, und wir lassen es uns angelegen sein, sie zum Besten unseres Königs auszunützen und zu mehren. Ihr steht also nun unter unserem würdigen Korps der schottischen Leibgarde, als Knappe Eures Onkel und unter seiner Lanze dienend. Ich denke, Ihr sollt es gut haben; denn Ihr müsst ein tüchtiger Kämpfer werden, da Ihr aus einem edlen Stamme entsprossen seid. Ludwig, sorge dafür, dass bei den Waffenübungen hart trainiert; denn wir werden wohl, denk' ich, in diesen Tagen ein Lanzenstechen haben.“

      „Das freut mich, bei meinem Degenknopf, denn der faule Friede macht uns alle zu feigen Memmen.“

      „Ich hab ein Vöglein pfeifen hören“, sagte Lord Crawford, „dass das alte Banner wieder im Felde flattern werde.“

      „Nun, bei dem Ton“, sagte Balafré, „tu ich schon heute Abend einen herzhaften Schluck!“

      „Das tust Du ja immer“, entgegnete Lord Crawford; „ich fürchte, Ludwig, Du wirst einmal einen bitteren Schluck von Deinem eignen Gebräu trinken.“

      Lesley, ein wenig beschämt, erwiderte, dass er seit Tagen sehr genügsam gelebt habe. Seine Herrlichkeit kenne ja die Sitte der Kompagnie: dem neuen Kameraden zu Ehren, ein Gelage zu halten und auf sein Wohlsein anzustoßen.

      „Du hast recht“, sagte der alte Befehlshaber, „ich hatte das vergessen. Ich will Euch zu Eurem Schmause ein paar Maß Wein schicken, aber mit Sonnenuntergang soll das Fest zu Ende sein. Im Vertrauen gesagt, seht zu, dass die Soldaten, die den Dienst haben, sorgfältig ausgewählt werden, und dass keiner von ihnen an dem Gelage teilnimmt.“

      „Der Befehl soll pünktlich befolgt werden“, sagte Ludwig; „wir werden dabei auf Eure Gesundheit trinken.“

      „Es kann sein, dass ich selbst auf ein paar Minuten zu Eurem Fest erscheine“, versetzte Lord Crawford, „und wär's auch nur, um mich zu überzeugen, dass alles maßvoll zugeht.“

      Jetzt kam es darauf an, den Durward so schnell wie möglich in die Uniform der Leibwache zu stecken und zu bewaffnen. Später beim Bankett ging es lustig zu, und die Gäste ließen ihrer Neigung freien Lauf. Es wurden alte schottische Lieder gesungen, alte Geschichten aus der Heldenzeit Schottlands erzählt. Die stolzen Taten der Ahnen kehrten in ihre Erinnerung zurück. Eine Zeitlang wurde die Ebene von Touraine zum öden Hochland Schottlands. Als die Begeisterung auf den Höhepunkt gelangte, erschien Lord Crawford. Dieser hatte schon lange bei dem Mahl des Königs, dessen Gast er wie immer war, wie auf heißen Kohlen gesessen. Er verabschiedete sich etwas hastig, um sich dem kleinen Fest seiner Leibgarde anzuschließen. Am oberen Ende der Tafel war eine Art Ehrenplatz für ihn hergerichtet worden. Gemäß der inneren Verfassung des Bogenschützen-Korps war es dem Kapitän erlaubt, an ein und demselben Tisch mit seinen Untergebenen zu sitzen und sich an festlichen Gelagen in ihrer Mitte zu beteiligen. Auch Lord Crawford in seiner Kapitänswürde nahm dieses Recht in Anspruch. Allerdings lehnte er es heute ab, sich auf seinen Ehrenplatz zu setzen. Er richtete ein paar freundliche Begrüßungsworte an die versammelten Bogenschützen, bat sie, sich in ihrem Vergnügen nicht stören zu lassen, und wohnte stehend dem weiteren Verlauf bei. Auf seinem Gesicht zeigte sich unverkennbar die Freude, die er an seinem Bogenschützenkorps hatte. Er trank auf das Wohl des neu eingestellten Kameraden, was einen Jubel hervorrief. Sodann machte er dem Korps Mitteilung, dass der König, infolge Fürsprache des Meisters Oliver, dem Generalprofossen Befehl erteilt habe, jegliches Verfahren gegen Quentin Durward einzustellen und die Privilegien der schottischen Leibgarde, wie in jedem andern, so besonders auch in diesem Fall nicht anzutasten.

      Wieder erklang lautes Jubelgeschrei aus allen Kehlen, die Becher kreisten von neuem. Balafré stieß auf Lord Crawfords und König Ludwigs Gesundheit an. Lord Crawford zog den jungen Quentin ins Gespräch und ließ sich von ihm über die alte Heimat und die unter den dortigen Geschlechtern bestehenden Verhältnisse berichten. Er betonte, dass die Liebe zu Geselligkeit und für Tafelfreuden nicht die schlechteste unter den Bräuchen der Schotten sei, dass aber junge Leute nichtsdestoweniger gut täten, beides mit einem gewissen Grad an Vorsicht walten zu lassen. Zu leicht könnte man in ein bedenkliches Übermaß an Alkohol verfallen. Allerdings hinderten den edlen Lord diese weisen Worte nicht, jeden Satz durch einen kräftigen Schluck zu bekräftigen und bei jedem Becher, den er leerte, den jungen Schotten zum „Nachkommen“ zu animieren. Allmählich wurde ihm dann die Zunge zu schwer. Als dies Cunningham und Balafré bemerkten, hielten sie den rechten Augenblick für gekommen, die Versammlung zum Jubeltoast auf die Oriflamme, das königliche Banner von Frankreich, und auf ihre baldige Entfaltung aufzufordern.

      „In burgundischer Luft, wohlverstanden!“, ergänzte Lindesay den Toast der beiden Kameraden, und Lord Crawford nahm das Wort zu folgender Ansprache:

      „Mit ganzer Seele und aller Geisteskraft, über die dieser morsch gewordene Leib noch gebietet, stimme ich in den Spruch der Kameraden ein, und hoffe, so alt ich nun auch bin, die Oriflamme Frankreichs noch einmal flattern zu sehen. Kameraden und treue Diener der Krone Frankreichs! Warum sollte ich Euch vorenthalten, dass gestern vom Herzog Karl eine Gesandtschaft hier eingetroffen ist, die eine höchst schlimme Botschaft überbracht hat?“

      Einer von den Bogenschützen, Gutherie, sprang auf.

      „Unten im Gasthof bei der Maulbeerhecke halten die Rosse des Grafen von Crevecoeur, der Graf selbst mit Gefolge soll

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