Скачать книгу

durch Tatsachen bewiesen werden. Mit Sicherheit hatte die Marquise niemals im Sinn, den König oder Mademoiselle de Fontanges zu vergiften, doch das bedeutet nicht, dass sie vollkommen unschuldig war. „Es besteht kein Zweifel“, schreibt Jean-Christian Petitfils im Resümee seiner Untersuchungen, „dass Madame de Montespan Beziehungen zur Voisin, zu Lesage, Mariette und ihren Komplizen unterhielt, und zwar seit Ende 1667 oder seit dem Beginn des Jahres 1668. Um die Gunst des Königs zu erlangen und die Verbannung (vielleicht auch den Tod) ihrer Rivalin zu erreichen, bediente sie sich magischer, blasphemischer Rituale und nahm an symbolischen Taufen von Tauben teil. Später ließ sie sich von Zauberern, Scharlatanen, Astrologen und anderen Betrügern helfen, um die Liebe des Königs lebendig zu halten. Sie kaufte bei ihnen aphrodisische Pulver und verlangte von ihnen >Hexereien<, vielleicht um das Auftauchen gelegentlicher Rivalinnen zu verhindern (...) Bleiben die schwarzen Messen (...) Diese abscheulichen Verbrechen sind nicht ganz unwahrscheinlich. Der Prior, die Filastre und die Tochter der Monvoisin haben diesbezüglich sehr klare, übereinstimmende Aussagen gemacht. Doch angesichts derartiger Gräuel bleibt man unschlüssig.“

      Auch wenn er an seiner Überzeugung festhalten wollte, dass Madame de Montespan mit der ganzen Geschichte nicht das Geringste zu tun hatte, konnte der König sich nicht verhehlen, dass die Ereignisse der „Giftaffäre“ nur mit Unterstützung einer zutiefst amoralischen Gesellschaft möglich gewesen waren. Zumindest was die Hemmungslosigkeit in sexuellen Dingen betraf, war er selbst ein Vorbild für seine Untertanen gewesen. Er musste so schnell wie möglich auf Abhilfe sinnen.

      Mit vierzig Jahren änderte Ludwig XIV. sein Leben. In Madame de Maintenon fand er eine tugendhafte Geliebte, die ihm half, sich mit Gott zu versöhnen. Und während der Widerruf des Edikts von Nantes und die Wiederaufnahme der Hugenottenverfolgungen von der Unbeugsamkeit des Allerchristlichsten Königs in Fragen des rechten Glaubens zeugten, hüllte Versailles sich, den Wünschen seines Herrschers treu ergeben, in Schwarz und wurde zum Bild der

      Keuschheit und Frömmigkeit. Fünfunddreißig Jahre sollte es dauern, bis mit der Regentschaft des Herzogs von Orleans, eines Libertins und begeisterten Alchimisten, in Frankreich wieder Zauberer, Wahrsager, Handleser und Kuppler einer Gesellschaft ihre Dienste anboten, die im Licht einer neuen Sonne wieder einem leichtsinnigen Leben frönte.

      Nicolas de la Reynie bleibt noch 15 Jahre lang Polizeichef. Als er 1709 stirbt, denkt er ein letztes Mal an das Wohl der Pariser. In seinem Testament verfügt er, dass er auf dem Friedhof und nicht in der Kirche beerdigt wird, doch „um nicht mit der Verwesung meines Körpers zur Fäulnis und Infektion der Luft beizutragen“.

      Nach La Reynies Tod lässt sich Ludwig die Dokumente seines ehemaligen Polizeileutnants nach Versailles kommen. Dann verbrennt er sorgfältig alle Schriftstücke, die Madame de Montespan betreffen. Die Besuche seiner Mätresse in der Rue Beauregard werden für weitere 150 Jahre geheim bleiben.

      Erst im 19. Jahrhundert werden Historiker ihren Namen in den Archiven der Bastille entdecken: Der sorgfältige La Reynie hatte von seinen Ermittlungen Abschriften gemacht.

      Die Nachdenklichkeit des Nicolas de la Reynie

      Nicolas de la Reynie kehrt stets nachdenklich von seinen Besuchen in Versailles zurück. Er spürt, dass der König unliebsame Beweise unterdrücken möchte - einer ehemaligen Geliebten hat Ludwig bereits zur Flucht verholfen.

      Gleichzeitig glaubt La Reynie, so notiert der Polizeileutnant in einem Bericht, dass es noch furchtbarere Geheimnisse zu entdecken gibt.

      Dieser ruhige, melancholische Mann, mit wenig Fantasie begabt, trifft in seinen Verhören auf Menschen ganz anderer Art - Menschen, die ihr Geld damit verdienen, zu lügen, zu betrügen und stets das zu sagen, was ihr Gegenüber hören möchte. Und La Reynie glaubt den fantastischen Anschuldigungen seiner Informanten - oder hält sie zumindest für möglich. Zu seiner zweiten Hauptzeugin wird nach La Voisin ausgerechnet eine verstörte, hoch nervöse und impulsive junge Frau mit einer lebhaften Vorstellungskraft: Marie-Marguerite Montvoisin, die 21-jährige Tochter der Giftmischerin.

      Sie ist kurz vor der Hinrichtung ihrer Mutter verhaftet worden und berichtet freimütig von der Kindheit in der Rue Beauregard. Wie es aus dem Beratungszimmer nach Schwefel stank, wie sie einmal eine weiße Taube kaufen musste, der die Kehle durchgeschnitten wurde, wie sie sich fast an einer Suppe vergiftet hätte, die für ihren Vater bestimmt war.

      Aus anderen Verhören glaubt der Polizeileutnant zu wissen, dass La Voisin damit gerechnet hatte, demnächst gut 100 000 Ecus einzunehmen (was mehr als 2000 Kilogramm reinen Silbers entsprochen hätte). Und dass sie dem König eine Petition überreichen wollte. Warum? Und wofür könnte ihr die gewaltige Belohnung versprochen worden sein? Marie weiß nichts darüber.

      Doch bis zur nächsten Vernehmung hat sie drei Monate Zeit, um nachzudenken. Dann packt sie aus: Das Papier, auf dem die Petition verfasst gewesen war, sei vergiftet gewesen - La Voisin habe versucht, Ludwig XIV. zu ermorden.

      Auch die Auftraggeberin kennt Marie angeblich: Madame de Montespan. Die langjährige Mätresse des Königs.

      Ludwig XIV. hat sich stets mit vielen Liebhaberinnen vergnügt: „Er benutzt diese Art Frauen wie Postpferde, die man einmal besteigt und nie wieder sieht“, schreibt ein Höfling. Doch Francoise-Athenai's de Rochechouart, Marquise de Montespan, ist – wie wir zwischenzeitlich wissen - mehr. Blond, blauäugig, üppig geformt - ihre Zeitgenossen preisen die Schönheit der Adeligen.

      Als La Voisin stirbt, teilt Madame de Montespan allerdings schon nicht mehr Ludwigs Bett. Sie ist fett geworden nach den vielen Schwangerschaften, der König hat sie vor einem Jahr durch eine Jüngere ersetzt.

      All dies passt beunruhigend genau zu Maries Geschichte: Die Mätresse des Königs sei fünf oder sechs Jahre lang zu ihrer Mutter gekommen. La Voisin habe ihr Liebespulver geliefert, um die Gefühle des Königs zu stärken. Als Ludwig sich einer anderen zuwandte, habe sie ihn bestrafen wollen: mit dem Tod.

      Mit jedem Verhör werden Maries Aussagen fantastischer: Auf Madame de Montespans Bauch seien schwarze Messen abgehalten worden. Ein ebenfalls inhaftierter Priester, der angebliche Komplize, liefert bereitwillig die Details. Viermal im Laufe der Jahre habe er über der nackten Dame die Dämonen Astaroth und Asmodäus angerufen und jedes Mal ein Kind geopfert, damit der König sie weiter liebe. Er habe den zuvor gekauften Säugling geschlachtet, aus dem Herz und Eingeweiden seien Pulver hergestellt worden, die Montespan dem König verabreicht habe.

      La Reynie weiß nicht, wie viel er glauben soll. Aber er hält den König über alle Aussagen auf dem Laufenden.

      Ludwig bereist im Sommer 1680 Nordfrankreich, gefolgt von seinem Hof. Er muss lesen, dass seine langjährige Geliebte ihre Beziehung mit widerlichen Methoden zu stärken versucht hat, ja vielleicht sogar seinen Tod plante. Und auch die merkwürdigen Dämpfe und quälenden Kopfschmerzen, die seine Ärzte jahrelang mit Abführmitteln behandelten, könnten plötzlich eine Erklärung finden.

      Die Höflinge beobachten, wie selten Madame de Montespan den König auf dieser Reise sieht. Sie deuten dies als weiteres Zeichen für ihren Abstieg. Niemand ahnt jedoch den wahren Grund.

      Alle Kriege - die Ludwig führte - zu behandeln, scheint unmöglich. Das würde ein eigenes Buch füllen. Beschränken wir uns auf das Wesentliche.

      Die Religionskriege

      Im 16. Jh. verbreitete sich der Protestantismus in Frankreich. In den ersten Jahren wurde er als Ketzerei angesehen und als solche bekämpft. Bereits unter Franz I. fanden einzelne Verurteilungen von Protestanten statt. Die systematische Verfolgung begann jedoch unter seinem Nachfolger Heinrich II. Der wachsende Widerstand der Protestanten führte zu den Religionskriegen, die durch das Massaker von Wassy ausgelöst wurden.

      1. Religionskrieg (1562-1563)

      Am 1. März 1562 ermordeten der Herzog von Guise und seine Gefolgsleute 32 Protestanten, die ihren Gottesdienst in einer Scheune feierten. Der protestantische Fürst von

Скачать книгу