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Hauptstadt des Landes, das er jetzt nicht nur ökonomisch, sondern auch politisch beherrscht.

      So bildete die ökonomische Entwicklung den modernen Staat, den Nationalstaat mit einer einheitlichen Sprache, einer zentralisierten Verwaltung, einer Hauptstadt.

      Dieser Entwicklungsgang ist vielfach heute noch nicht abgeschlossen; er wurde mehrfach durchkreuzt, aber seine Richtung ist bereits am Ende des fünfzehnten und Anfang des sechzehnten Jahrhunderts in den Staaten Westeuropas deutlich zu erkennen, und vielleicht gerade deswegen um so deutlicher, weil der Feudalismus damals noch das ökonomische Leben und, kraft der Tradition, in noch größerem Maße die Formen des geistigen Lebens stark beeinflußte. Was sich einige Menschenalter später von selbst verstand, hatte damals noch sein »Recht auf Existenz« zu erweisen und ebenso die Hinfälligkeit des Alten, das es vorfand. Die neue ökonomische, politische und geistige Richtung mußte sich Bahn brechen durch das Bestehende, sie hatte polemisch aufzutreten und deutete daher vielfach ihr Ziel schärfer an als im folgenden Jahrhundert.

      Es ist einleuchtend, daß der eben geschilderte Entwicklungsprozeß dem Königtum, oder besser gesagt, der Gewalt des Landesherrn überhaupt förderlich sein mußte überall dort, wo diese noch einen Rest von Kraft bewahrt hatte. Es war natürlich, daß die neue politische Zentralgewalt sich um die Person des Landesherrn kristallisierte, daß er die Spitze der zentralisierten Verwaltung und Armee bildete. Seine Interessen und die Interessen des Handels waren die gleichen. Dieser brauchte einen zuverlässigen Feldherrn und eine starke Armee, die entsprechend dem Charakter der ökonomischen Macht, deren Interessen sie diente, für Geld gemietet war – ein Söldnerheer gegenüber den Gefolgschaften und Aufgeboten des feudalen Grundbesitzes. Der Handel bedurfte der Armee zur Wahrung seiner Interessen nach außen wie nach innen: zur Niederwerfung von konkurrierenden Nationen, zur Eroberung von Märkten, zur Sprengung der Schranken, welche die kleinen Gemeinwesen innerhalb des Staates dem freien Handel entgegensetzten, zur Handhabung der Straßenpolizei gegenüber den großen und kleinen Feudalherren, die dem Eigentumsrecht, das der Handel proklamierte, eine kecke Leugnung, und nicht bloß eine theoretische, entgegensetzten.

      Mit dem internationalen Verkehr wuchsen auch die Anlässe zu Reibungen zwischen den verschiedenen Nationen. Die Handelskriege wurden immer häufiger und heftiger. Jeder Krieg aber vermehrte die Gewalt des Landesfürsten und machte sie immer absoluter.

      Wo es an einem legitimen, das heißt herkömmlichen Fürstentum fehlte, dem diese Entwicklung hätte zugute kommen können, führte sie oft zum Absolutismus der Führer der Söldnerscharen, deren die Staaten bedurften. So in verschiedenen Republiken Norditaliens.

      Aber das neue Staatswesen bedurfte des Fürsten nicht nur als obersten Kriegsherrn. Es bedurfte seiner auch als des Herrn der Staatsverwaltung. Der feudale, partikularistische Verwaltungsapparat war im Zusammenbrechen, aber der neue, zentralistische Verwaltungsmechanismus, die Bureaukratie, war erst in den Anfängen. Der politische Zentralismus, der für die Warenproduktion mit entwickeltem Handel an der Schwelle der kapitalistischen Produktionsweise eine ökonomische Notwendigkeit war, um die ökonomische Zentralisation zu fördern, wie er umgekehrt durch diese bedingt und gefördert wurde, dieser Zentralismus bedurfte in seinen Anfängen einer persönlichen Spitze, die kräftig genug war, um die Einheit der Verwaltung gegenüber den auseinanderstrebenden Elementen, namentlich des Adels, aufrecht zu halten. Diese Kraft besaß nur der Herr der Armee. Die Vereinigung aller Machtmittel des militärischen und administrativen Apparats in einer Hand, mit anderen Worten, der fürstliche Absolutismus war eine ökonomische Notwendigkeit für das Zeitalter der Reformation und noch weit darüber hinaus. Es kann dies hier nicht stark genug hervorgehoben werden, da manche von Mores Handlungen und Schriften uns völlig unverständlich, ja vom modernen Standpunkt aus widersinnig erscheinen müssen, wenn wir diesen Punkt außer acht lassen.

      Es erschien damals, und in den meisten Fällen war es auch, hoffnungslos, ohne oder gar gegen den Fürsten etwas im Staate unternehmen zu wollen. Was immer im Staate geschehen sollte, mußte die Sanktion des Landesherrn erhalten haben.

      Je stärker der fürstliche Absolutismus im Staate wurde, desto mehr wurde er den Interessen des Kapitals dienstbar, damals vor allem dem Handel und der hohen Finanz. Nicht nur wurden die Interessen von Kapital und Fürstentum bis zu einem gewissen Grade immer mehr identisch, dieses wurde auch immer abhängiger von jenem. Die Macht der Fürsten hörte in demselben Maße immer mehr auf, auf ihrem Grundbesitz zu beruhen, in dem der Welthandel wuchs. Immer mehr wurde das Geld die Grundlage ihrer Macht. Ihre Größe beruhte wesentlich auf ihrer Armee und ihrer Hofhaltung. Beide kosteten Geld, viel Geld. An Stelle der feudalen Kriegführung trat eine neue, dieser überlegene, welche die reichen Städte entwickelt hatten. Diese setzten dem zuchtlosen Ritterheer nicht nur eine strammdisziplinierte Infanterie entgegen, sie nahmen auch die Errungenschaften der neuen Technik in ihren Dienst und wurden dem Rittertum furchtbar durch ihre Artillerie.

      Damit wurde der Krieg eine Sache des Geldes. Nur derjenige konnte sich den Luxus eines Krieges erlauben, der Geld genug besaß, um Fußknechte und Schützen anzuwerben und große Waffenvorräte zu halten.

      Dazu kam die Kostspieligkeit der Hofhaltungen. Die Interessen des Handels wie des Fürstentums erforderten es, daß der Trotz des Feudaladels gebrochen werde, sie forderten jedoch nicht seine Vernichtung, sondern nur seine Anpassung an die neuen Verhältnisse. Der Adel sollte nicht länger auf seinen Burgen hausen, ein zahlreiches Gefolge ernährend, unnütz, ja gefährlich für Königtum und Handel.

      Der Adel sollte an den Hof des Fürsten, unter dessen Aufsicht, in seinen Dienst; statt seine Einnahmen zur Haltung von eigenen Armeen zu verwenden, sollte er sie am Hofe im Luxus verprassen, er sollte sie zum Ankauf gerade derjenigen Waren verwenden, auf deren Verkauf der Welthandel, die Profite des Kaufmanns beruhten. Eine englische Parlamentsakte von 1512, die die Formalitäten der Verzollung von Gold- und Silberstoff, Goldbrokat, Samt, Damast, Atlas, Taft und anderen aus Seide und Gold gewirkten Stoffen regelte, erwähnt unter anderem, daß oft in einem Schiffe 3000 bis 4000 Stück solcher Gewebe nach England kamen. (G.L. Craik, The history of british commerce. 1. Band, S. 217.)

      Der höfische Luxus des Adels förderte ja Handel und Königtum in gleicher Weise: er vermehrte die Profite und schwächte den Adel finanziell, machte ihn von Geldbewilligungen des Königs und dem Kredit der Kaufleute abhängig und beiden dienstbar.

      Mit allen möglichen Mitteln förderten damals Kaufmannschaft und Königtum die Verbreitung des Luxus, vor allem durch ihr eigenes Beispiel. Mit allen möglichen Mitteln wurde der Adel aus seinen Burgen an den Hof gezogen; wenn's sein mußte, mit Gewalt; womöglich durch Ehrenbezeugungen und die Anlockungen, die eine raffinierte Üppigkeit gegenüber einfacher Roheit bot.

      Aber wenn auf der einen Seite das Königtum den Adel zur Entfaltung von Luxus durch sein eigenes Beispiel anspornte, so andererseits wieder der Adel das Königtum.

      Im Anfang des sechzehnten Jahrhunderts konnte man nicht so wie heute sein Vermögen in Staatspapieren oder Aktien anlegen. Die müßigen Reichen, die nicht als Kaufleute, Pächter oder Manufakturisten tätig sein wollten, vor allem also der hohe Adel, legten daher ihre akkumulierten Reichtümer gern in edlen Metallen und Edelsteinen an, Gegenständen, die stets ihren Wert behielten und überall einen Käufer fanden. Sollten sie aber diese Schätze in ihren Truhen verschließen? Gold und Edelsteine waren damals eine Macht, wie sie früher ein zahlreiches Gefolge gewesen. Diese Macht wollte man nicht nur besitzen, man wollte sie auch zur Schau stellen: das beste Mittel, um Einfluß zu gewinnen, die einen zur Ehrerbietung und Unterwürfigkeit, die anderen zu Entgegenkommen und Rücksichtnahme zu bewegen. So wie im Mittelalter die Grundherren ihre Einkommen zur Haltung zahlreicher Gefolgschaften verwendeten, so jetzt zur Erwerbung von Kostbarkeiten, und so wie sie ehedem bei festlichen Gelegenheiten mit ihrem ganzen Gefolge erschienen, um zu imponieren, so jetzt mit allen ihren Kostbarkeiten beladen.

      Daß gar mancher durch das Bestreben, zu glänzen, bewogen wurde, einen Reichtum zur Schau zu tragen, der bloß erborgt war, ist naheliegend.

      Der König durfte hinter seinen Höflingen nicht zurückbleiben; er mußte die Überlegenheit seiner Macht auch durch die Überlegenheit seines Glanzes dartun. Adel und Königtum trieben sich so gegenseitig zu immer größerem Prunk.

      Eine

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