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Reise durch die Sonnenwelt. Jules Verne
Читать онлайн.Название Reise durch die Sonnenwelt
Год выпуска 0
isbn 9783754183410
Автор произведения Jules Verne
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
5 Endlich die Richtung der Bewegung des Kometen. Diese Bewegung: erwies sich gegenüber den Planeten als eine retrograde, d.h. er bewegte sich von Osten nach Westen zu.
Nach Kenntnißnahme dieser fünf Elemente berechnete Palmyrin Rosette das Datum, an welchem der Komet durch sein Perihel gehen würde. Als er dann zu seiner größten Freude constatiren konnte, daß er einen bisher unbekannten Kometen vor sich habe, taufte er ihn auf den Namen »Gallia«, nachdem er vorher ein wenig zwischen den Benennungen »Palmyra« und »Rosette« geschwankt hatte, und ging nun an's Werk, über den Neuling Bericht zu erstatten.
Man kommt nun auf die Frage, ob der Professor auch die Möglichkeit eines Zusammenstoßes zwischen Erde und Gallia vorausgesehen habe.
Sicherlich; und nicht nur die Möglichkeit, sondern die Gewißheit eines solchen.
Wenn man ihn nur »entzückt« genannt hätte über diese Aussicht, so bliebe dieser Ausdruck noch weit hinter der Wahrheit zurück. Der Gelehrte verfiel in ein wirkliches astronomisches Delirium darüber, daß die Erde in der Nacht vom 31. December zum 1. Januar einen Stoß erleiden und der Anprall um so heftiger sein werde, weil die beiden Himmelskörper in entgegengesetzter Richtung auf einander zueilten.
Jeder Andere würde Formentera voller Entsetzen verlassen haben. Er blieb ruhig auf seinem Posten. Er verließ seine Insel nicht nur nicht, sondern enthielt sich auch jeder Veröffentlichung seiner Entdeckung. Aus den Tagesblättern wußte er, daß auf beiden Continenten jede Beobachtung durch dichte Nebelmassen unmöglich war, sowie daß keine andere Sternwarte die Annäherung dieses Kometen erwähnt hatte – Grund genug für ihn, zu glauben, daß er bis jetzt allein jenen Haarstern im Weltraume aufgefunden habe.
So verhielt es sich in der That, und dieser Umstand ersparte der übrigen Erde den entsetzlichen Schrecken, der sich ihrer Bewohner bei der Kenntniß jener drohenden Gefahr bemächtigt haben würde.
Palmyrin Rosette war und blieb also der Einzige, der es wußte, daß bald ein Zusammenstoß stattfinden müsse zwischen der Erde und jenem Kometen, den ihn der heitere Himmel der Balearen sehen ließ, während er sich im Uebrigen den Blicken der Astronomen verbarg.
Der Professor harrte also auf Formentera aus, und das mit um so größerer Hartnäckigkeit, als der Haarstern die Erde seinen Berechnungen nach im Süden von Algier treffen mußte. Diesem Ereigniß wollte er beiwohnen, denn bei dem harten Kerne des Kometen »mußte es dabei sehr merkwürdig zugehen«.
Der Stoß erfolgte in der uns schon bekannten Art und Weise. Für Palmyrin Rosette hatte er zunächst die Folge, ihn urplötzlich von seinem Diener Joseph zu trennen. Als er aus langer Betäubung wieder erwachte, sah er sich allein auf einem Eiland, dem einzigen Ueberbleibsel vom Archipel der Balearen.
So lautete die Geschichte des Professors, die er mit vielen Ausrufungen spickte und mit so drohendem Runzeln der Augenbrauen begleitete, wie es der Kreis seiner wohlwollenden Zuhörer schwerlich verdiente Er schloß, wie folgt:
»Hochwichtige Veränderungen waren eingetreten, wie die Ortsveränderung der Cardinalpunkte des Himmels und die Verminderung der Schwerkraft. Ich, meine Herren, lebte dabei nur nicht wie Sie in der Täuschung, mich noch auf dem Erdsphäroïd zu befinden. Nein! die Erde gravitirte durch den Weltraum weiter in Begleitung des ihr immer treu gebliebenen Mondes und folgte ihrer früheren Bahn, welche durch den Stoß keine Veränderung erlitt. Der Komet hatte sie ja so zu sagen nur gestreift und ihr die wenigen, verhältnißmäßig unbedeutenden Theile ihrer Oberfläche entrissen, welche Sie nach und nach wieder gefunden haben. Es ist demnach Alles sehr glücklich abgegangen und wir haben keinerlei Ursache zu klagen. Wir konnten ja entweder zermalmt werden durch den Anprall des Kometen, oder die Erde konnte letzteren fest an sich halten; in keinem Falle genössen wir den beneidenswerthen Vorzug, jetzt durch die Sonnenwelt zu fliegen.«
Palmyrin Rosette sprach das Alles mit einer solchen Befriedigung aus, daß an einen Widerspruch gar nicht zu denken war. Nur Ben-Zouf wagte unkluger Weise seine Meinung dahin zu äußern, »daß, wenn der Komet statt auf jenen Theil Afrikas gegen den Montmartre gestoßen wäre, dieser Berg gewiß hinreichenden Widerstand geleistet hätte und dann ...«
»Der Montmartre! rief Palmyrin Rosette, der Zwerg von Montmartre-Hügel wäre in Staub verwandelt worden wie ein gewöhnlicher Maulwurfshaufen, dem er ja gleicht!
– Einem Maulwurfshaufen! rief nun seinerseits Ben-Zouf auf's Tiefste verletzt. Mein heimatlicher Hügel hätte Ihr Kometen-Bröckchen im Fluge gehascht und sich dasselbe wie einen Käppi aufgesetzt!«
Um dieser nur kurzen, aber unzweckmäßigen Discussion ein Ende zu machen, befahl Hector Servadac Ben-Zouf zu schweigen, und theilte dem Professor des Näheren mit, welch' eigenthümliche Ideen seine Ordonnanz über die Festigkeit des Montmartre-Hügels habe.
Der Zwischenfall erschien also »auf Ordre« erledigt, doch konnte der Soldat niemals Palmyrin Rosette verzeihen, daß dieser so wegwerfend über seinen heimatlichen Berg gesprochen hatte.
Jetzt hätte man gern erfahren, ob Palmyrin Rosette auch nach dem Zusammenstoße im Stande gewesen sei, seine astronomischen Beobachtungen fortzusetzen, und welcher Art die Resultate derselben bezüglich der Zukunft des Kometen sein möchten.
Mit aller, dem griesgrämigen Temperamente des Professors gegenüber nothwendigen Zurückhaltung stellte Lieutenant Prokop die zweifache Frage nach dem Wege, dem die Gallia jetzt im Weltraume folgte, und nach der Dauer ihrer Umlaufszeit um die Sonne.
»Ja, mein Herr, ließ sich Palmyrin Rosette vernehmen, ich hatte die Bahn meines Kometen zwar vor der Collision bestimmt, mußte nach derselben die Berechnungen jedoch auf's Neue vornehmen.
– Und warum das, Herr Professor? fragte Lieutenant Prokop etwas erstaunt über diese Erklärung.
– Weil auf der einen Seite die Erde durch jenen Zusammenstoß nicht aus ihrer Bahn gelenkt wurde, das auf der anderen aber mit der Gallia-Bahn der Fall war.
– Diese Bahn ist durch den Stoß eine andere geworden?
– Das wage ich bestimmt zu behaupten, erwiderte Palmyrin Rosette, vorausgesetzt daß meinen Beobachtungen nach dem Zusammentreffen nicht die nöthige Genauigkeit mangelt.
– Sie haben für diese Bahn also neue Elemente erhalten? fragte Lieutenant Prokop lebhaft.
– Ja wohl, bestätigte Palmyrin Rosette ohne Zögern.
– Nun, so wissen Sie auch ...
– Was ich weiß, mein Herr, beschränkt sich auf Folgendes: Die Gallia traf auf die Erde in ihrem aufsteigenden Knoten in der Nacht vom 31. December zum 1. Januar um zwei Uhr siebenundvierzig Minuten fünfunddreißig sechs Zehntel Secunden des Morgens; am 10. Januar durchschnitt sie die Bahn der Venus, erreichte ihr Perihel am 15. Januar, hierauf zum zweiten Male die Bahn der Venus, durchschnitt die Erdbahn im absteigenden Knoten am 1. Februar, die Bahn des Mars am 13. und gelangte am 10. März in die Zone der teleskopischen Planeten, legte sich die Nerina als Satelliten zu ...
– Lauter Umstände, welche auch uns bekannt sind, lieber Professor, unterbrach ihn Hector Servadac, da wir das Glück hatten, Ihre Notizen darüber aufzufangen. Leider enthielten diese niemals Ihre Unterschrift oder die Angabe des Ortes, von dem sie herrührten.
– Wie? Konnte Jemand darüber unklar sein, daß ich deren Verfasser war? rief der Professor voller Selbstgefühl; ich, der sie hundertweise in's Meer warf, ich, der Professor Palmyrin Rosette?
– O nein, das sicherlich nicht!« erwiderte ernsthaft Graf Timascheff.
Ueber die Zukunft der Gallia hatte man freilich noch immer nichts erfahren. Palmyrin Rosette schien mit einer diesbezüglichen Auskunft absichtlich zurückzuhalten. Lieutenant Prokop wollte seine Anfragen schon in bestimmterer Form wiederholen, Hector Servadac kam ihm jedoch zuvor, da er es für wichtiger hielt, seinen originellen alten Lehrer nicht zu drängen.
»Ah, lieber Professor, begann